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Kapitel 1.3

Adam

Die Arbeit war für mich immer ein Zufluchtsort. Hier ist alles einfach: Es gibt Probleme – man löst sie. Die Leute respektieren diejenigen, die wissen, was sie tun. Laptop, Zeichnungen, Kostenvoranschläge, Telefonate mit Auftragnehmern – das ist meine Welt. Klar und verständlich.

Zu Hause ist alles anders. Dort ist alles durcheinander. Der Alltag, die Kinder, Gespräche, die längst ihren Sinn verloren haben.

Maryam... Ich schaute auf die Uhr. Sie ist bestimmt schon zu Hause und wuselt in der Küche herum. Sie ist immer beschäftigt, hütet, serviert, räumt auf. Das Haus ist ihr Leben. Und darauf ist sie so stolz.

Als wir frisch verheiratet waren, war alles anders. Sie war anders. Fröhlich, lebhaft. Ich erinnere mich, wie ich sie an unserem Hochzeitstag ansah und dachte: „Das ist sie, die Frau, die mich mein ganzes Leben lang inspirieren wird.“

Aber dann vergingen zweiundzwanzig Jahre. Zwei Jahrzehnte, die sie zu einer ganz anderen Person gemacht haben.

Jetzt ist sie Mutter meiner Kinder, Hausfrau. Ihre Hände riechen immer nach Seife oder Gewürzen. Sie trägt immer die gleichen Kleider, ihre Haare sind immer zu einem Knoten zusammengebunden. Und ich verstehe, dass sie müde ist. Aber ... ich bin auch müde.

Mit Maryam habe ich mich schon lange nicht mehr als Mann gefühlt. Alles, was früher zwischen uns war, ist verschwunden. Wann hat sie mich das letzte Mal wie einen Mann angesehen, wie jemanden, den man begehren kann? Ich weiß es nicht mehr.

Wir hatten seit über einem Jahr keinen Sex mehr. Alles ist nach und nach zerbrochen. Zuerst hat sie aufgehört, sich um sich selbst zu kümmern: schöne Kleidung zu tragen, sich die Haare zu machen. Dann hat sie aufgehört, sich um mich zu kümmern. Ich war für sie nur eine Geldquelle, eine Stütze für den Haushalt.

Ich habe natürlich versucht, mit ihr zu reden.

Ich deutete an, dass sich etwas ändern müsse. Dass sie sich Zeit für sich nehmen und etwas für sich tun könne. Aber jedes Mal hörte ich dieselbe Antwort: „Wann denn? Ich habe so viel zu tun!“

Ja, sie hat viel zu tun. Sie ist eine gute Mutter und eine gute Hausfrau. Aber eine Ehefrau zu sein bedeutet mehr als kochen und putzen.

Milena hat mir gegeben, was mir so sehr gefehlt hat. Leichtigkeit. Elan. Das Gefühl, wieder jung zu sein. Sie sieht mich so an, wie Maryam mich schon lange nicht mehr angesehen hat. Ihre Augen leuchten, wenn sie mit mir spricht. Ihr Lachen ist wie frische Luft nach einem langen Tag.

Mit Milena fühle ich mich lebendig.

Sie verlangt nichts Übermenschliches von mir. Sie braucht kein Geld für Reparaturen, es ist ihr egal, ob ich einen neuen Staubsauger gekauft habe. Sie spricht über Träume, über Pläne, über uns. Sie interessiert sich für meinen Tag, für meine Gedanken.

Milena weiß, wie man jemanden unterstützt. Wie man inspiriert.

Als ich mich entschloss, eine zweite Frau zu nehmen, habe ich lange darüber nachgedacht, wie Maryam reagieren würde. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr überzeugte ich mich selbst: Für sie würde sich nichts ändern. Sie hat ein Zuhause, Kinder, ein gewohntes Leben. Sie ist damit glücklich. Braucht sie mehr?

Sie würde den Unterschied gar nicht bemerken. Alles würde beim Alten bleiben.

Ich schaute wieder auf mein Handy. Milena hatte geschrieben:

„Hast du dir schon überlegt, welche Farbe wir für das Schlafzimmer nehmen? Hellgrau oder Weiß? Ich mag Weiß, es ist so rein. Und du?“

Ich tippte meine Antwort:

„Weiß. Wie du wolltest. Bei uns wird alles perfekt sein.“

Und wieder ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass mit ihr alles einfacher ist. Leichter. Ich möchte sie glücklich sehen. Ich möchte, dass mein Leben mit ihr wieder bunt wird.

Maryam wird nichts verlieren. Und ich werde das finden, was mir all die Jahre so gefehlt hat.

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