Kapitel 5: Frau Glehn, ein Kuss?
Inas Worte ließen Richard für einen Moment still werden. Sie konnte sich gut vorstellen, wie überrascht er gerade sein musste, und ein leichtes Unbehagen stieg in ihr auf.
Nach einer Weile brach er schließlich das Schweigen, die Stimme voller Unglauben:
"Was hast du gesagt? Armin?"
"Ja, Großvater." Ina atmete tief durch.
"Ich habe mich von Otto getrennt und bin mit Armin verheiratet."
Wieder eine kurze Stille, dann ertönte ein herzhaftes Lachen, noch fröhlicher als zuvor:
"Gut! Sehr gut! Armin, der Junge, ist ihm Bruder um Längen überlegen!"
Die Reaktion des Großvaters überraschte Ina. Sie hatte erwartet, dass er ihr Vorwürfe machen würde, zu eigensinnig zu sein.
"Wann bringst du ihn mal mit, damit wir gemeinsam essen können? Ich will meinen guten Schwiegersohn in Ruhe kennenlernen!"
Richards Stimme war voller Erwartung und Zufriedenheit.
"In Ordnung, Großvater." Ina antwortete brav, und ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus.
Nachdem sie aufgelegt hatte, öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer.
Armin trat ein, seine langen Beine traten entschlossen vor, bis er vor ihr stand.
Sein Auftreten war elegant und würdevoll, die Gesichtszüge scharf und attraktiv, einfach umwerfend.
Inas Atem stockte, sie schaute auf und sagte:
"Du bist zurück."
Armin brummte zustimmend, seine Stimme rau und tief:
"Frisch verheiratet, da gehört es sich, dass ich zurückkomme, um meine Frau zum Essen zu begleiten."
Ein warmes Gefühl stieg in Ina auf.
Früher, wenn sie mit Otto verabredet war, saß sie oft stundenlang allein im Restaurant, während sie andere Paare an Nachbartischen sah, die sich zärtlich ansahen.
Und immer war sie diejenige, die Otto zurücklassen musste. Yvonnes kleinste Laune, ein Niesen oder ein Problem, und Otto war sofort weg, um ihr zu helfen.
Diesmal jedoch war alles anders.
Ina schloss ihren Laptop, legte ihn auf die Fensterbank und erhob sich, schenkte ihm ein leichtes Lächeln:
"Du musst nicht extra zurückkommen, es ist nicht nötig."
Die Ehe war schließlich eine Blitzhochzeit, jeder für sich selbst.
"Es ist selbstverständlich, dass ich dich begleite."
Armin sah sie an, seine Stimme weich und warm:
"Ich habe dir gesagt, dass ich eine Ehe will, in der wir zusammenleben und schlafen können."
Ina spürte, wie sich ein Hauch von Wärme in ihr ausbreitete, dachte aber nicht weiter darüber nach.
Sie wusste, dass Armin von Natur aus reif und verantwortungsvoll war, ohne spezielle Gefühle für sie, und nickte nur:
"Okay, ich wasche mir kurz die Hände und komme mit dir runter zum Essen."
Sie eilte Richtung Badezimmer, ohne zu bemerken, dass Armin ihr hinterherschaute, seine Augen dunkel und intensiv auf ihrem Rücken ruhten.
…
Im Speisesaal im Erdgeschoss saßen die beiden einander gegenüber an einem quadratischen Tisch, von sanftem Licht beleuchtet.
Ein Bild von Schönheit und Harmonie.
Der Tisch war gedeckt mit mehreren Gerichten, alles ihre Favoriten.
Es überraschte Ina, dass Armins Geschmack offenbar identisch mit ihrem war.
Sie saß aufrecht, ruhig und ordentlich beim Essen.
Plötzlich…
Armin legte ihr ein Stück knusprig gebratenes Rippchen in die Schale.
"Dein Lieblingsgericht, iss ruhig etwas mehr."
Ina sah ihn überrascht an.
"Woher weißt du, dass ich das mag?"
Sie erinnerte sich genau: Früher hatten sie kaum zusammen gegessen, geschweige denn die Vorlieben des anderen kennengelernt.
"Willst du es wissen, ist das nicht schwer."
Armins dunkle Augen fixierten sie, die Stimme war ruhig und beinahe selbstverständlich:
"Wir sind verheiratet, ich möchte dich genau kennenlernen."
Diese Worte ließen Inas Augen feucht werden.
Wenn man jemanden wirklich kennenlernen will, gibt es unzählige Wege.
Otto hatte bis heute nicht einmal gemerkt, was sie gern aß oder trank.
Sie war allergisch gegen Mango. Und Otto hatte ihr dennoch einen Mangodrink bestellt, einen, den Yvonne liebte.
"Armin…" Ihre Stimme war etwas heiser.
"Ich bin da", antwortete er sanft.
Ina starrte ihn einen Moment lang an, dann fasste sie Mut und fragte:
"Du hast mich doch früher gehasst, oder? Warum bist du plötzlich so gut zu mir?"
"Gehasst?" Armin schien amüsiert, seine Augenfarbe hellte sich leicht auf, und ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Lippen.
"Ist es nicht normal, dass ein Ehemann gut zu seiner Frau ist?"
Ina wollte weiterfragen, ließ es dann aber sein.
Doch Armin setzte spitz hinzu:
"Außerdem warst du früher zu dumm, um nicht nervig zu sein."
Ina: "…"
Sie hätte gar nicht fragen sollen.
Den Rest der Mahlzeit über aßen beide schweigend, ohne ein Wort.
Nachdem sie gegessen hatten, begab sich Armin wieder in sein Arbeitszimmer.
Am Abend nahm Ina den Thermobecher mit Tee, den Gabriele zubereitet hatte, und klopfte an die Tür seines Büros.
Sie wollte mit Armin über den Besuch bei ihrem Großvater sprechen.
"Komm rein", ertönte seine tiefe Stimme.
Ina trat ein, stellte den heißen Tee rechts neben sein Arbeitsblatt.
"Ein bisschen Tee."
"Gut."
Armin nahm einen Schluck, hob plötzlich die Augen und ließ ein verschmitzt-ambivalentes Lächeln in seinen Blick fließen.
"Maulbeer-Gojitee… willst du mir etwas sagen, Frau Glehn?"
Inas Wangen erröteten. Sie erinnerte sich plötzlich an die Sache vom Morgen und erklärte schnell:
"Nein, Gabriele hat ihn zubereitet."
Doch kaum ausgesprochen, bereute sie es. So wirkte es, als wüsste sie mehr, als sie sollte.
Armin sah, wie sich das Rot auf ihren Wangen ausbreitete, wie ein verängstigtes kleines Kaninchen, und konnte sich nicht mehr dazu bringen, sie weiter zu necken.
Plötzlich stand Armin auf, seine große Gestalt schützte sie, während er ihr ein schwarzes Samtkästchen reichte.
"Für dich."
"Was ist das?", fragte Ina verwundert und öffnete die Schachtel.
Als sie die Partner-Ringe sah, war sie überrascht.
Armins Stimme war tief und warm:
"Gestern ging alles so schnell mit der Hochzeit, das hier ist der nachgereichte Verlobungsring."
"Gefällt er dir?"
Er fragte sie mit durchdringendem Blick.
Inas Atmung wurde schneller. Obwohl es eine Blitzhochzeit war, konnte sie der Aufmerksamkeit, die jemand ihr schenkte, nicht widerstehen.
Sie nickte kräftig:
"Ja, er gefällt mir."
Armin entspannte sich etwas, nahm ihre Hand und steckte ihr den Damenring auf den Ringfinger, seine Stimme leicht herrisch:
"Trag ihn von nun an immer."
Er senkte sein Gesicht, und aus der Nähe wirkte er noch markanter und tiefgründiger. Ina hielt unwillkürlich den Atem an, ihr Herz schlug wild.
Armin wartete lange auf ihre Reaktion, und sein Blick verdunkelte sich leicht, als er dachte, sie weigere sich:
"Du willst ihn nicht?"
Ina schüttelte schnell den Kopf:
"Nein, ich will."
Sein Gesicht entspannte sich wieder, und er streckte die linke Hand aus, die Finger lang und kräftig:
"Dann hilf mir, Frau Glehn, zieh mir den Ring an."
Ina fühlte, dass es selbstverständlich war, und nahm den Herrenring behutsam, steckte ihn ihm sanft auf den Finger.
Ihre Finger berührten sich, Haut auf Haut, und die Atmosphäre wurde plötzlich intim.
Armin legte plötzlich die Hände um ihre schmale Taille, zog sie an sich und beugte sich zu ihr herab.
"Als Nächstes… sollten wir nicht das tun, was Eheleute tun?"
Bei diesen Worten raste Inas Herz, ihr Kopf war kurzzeitig leer.
Nach einer Weile fand sie ihre Stimme wieder:
"Wa…was?"
Armin hob die Hand, strich mit dem Daumen sanft über ihre zarte Wange, die Augen glühend vor Hitze.
"Frau Glehn… du hast so etwas… zwischen Mann und Frau noch nie erlebt, oder?"
Er neigte sich, um sie zu küssen, doch Ina war zu nervös, ihr Körper zuckte zusammen, und sie neigte instinktiv den Kopf nach hinten.
Spürte er ihre Zurückhaltung, ließ Armin die Glut in seinen Augen langsam abklingen und zog sich zurück.
"Keine Sorge, ich gebe dir Zeit."
Ina blieb verblüfft stehen.
Also würde er sie nicht berühren, ohne dass sie bereit war?
Irgendwie wirkte der sonst so kühle, schwer einschätzbare Armin plötzlich auf eine unerklärliche Weise sanft.
Ein leises Schuldgefühl stieg in ihr auf, sie senkte den Blick.
"Es tut mir leid… ich bin noch nicht bereit."
Ein leichtes Lächeln spielte um Armins Lippen, er streichelte sanft ihren Kopf.
"Schon wegen so einer Kleinigkeit entschuldigst du dich? Ich hab doch gesagt, ich gebe dir Zeit… aber…"
Er beugte sich an ihr Ohr, seine Stimme tief und verführerisch:
"…warte nicht zu lange auf mich."
Inas Herz schlug schneller, und für einen Moment fühlte sie sich verwöhnt, beschützt, ein Gefühl, das sie bei Otto nie erlebt hatte.
Nach einer Weile nickte sie gehorsam und flüsterte ein leises "Okay".
Dann erinnerte sie sich an die eigentliche Sache:
"Übrigens, mein Großvater möchte dich sehen. Begleitest du mich zu ihm?"
"Natürlich… aber…"
Armin neigte sich erneut zu ihr, die dunklen Augen funkelten, seine Stimme tief und verführerisch:
"Frau Glehn… darf ich dich einmal küssen?"
