
Ich habe den Bruder meines Ex geheiratet
Zusammenfassung
Eigentlich wollte ich nur meinem Freund ein paar private Bilder schicken, doch ein falscher Klick, und sie landeten auf dem Handy seines Bruders. Ich war sicher, er würde mich zur Schnecke machen. Aber in derselben Nacht, schob sich plötzlich jemand unter meine Decke… und flüsterte meinen Namen.
Kapitel 1 Wenn du unbedingt heiraten willst ... warum nicht mich?
Ina stand vor der Tür der Hotel-Suite, die Finger so verkrampft um ihre kleine Handtasche, dass die Knöchel blass hervortraten.
Es fühlte sich an, als würde all ihr Blut in diesem Moment gefrieren.
Heute war der Tag, an dem sie und Otto die Heiratsurkunde abholen wollten. Drei Stunden lang hatte sie im Standesamt auf ihn gewartet. Drei Stunden, im rosa Kleid, das er einmal "perfekt" genannt hatte, mit halb hochgestecktem Haar, genauso, wie er es mochte.
Doch Otto war nicht erschienen.
Er hatte ihr geschrieben, er habe eine "dringende Besprechung".
In Wirklichkeit saß er hier - neben Yvonne, seiner ach so armen Ziehschwester und heimlichen Prinzessin.
Fünf Jahre lang hatte Ina auf diesen Tag gewartet.
Und in einem einzigen Nachmittag war alles zerstört.
Ihre Fingernägel bohrten sich tief in ihre Handfläche, aber der körperliche Schmerz war nichts im Vergleich zu dem in ihrem Herzen.
Sie fühlte sich erbärmlich. Lächerlich.
"Kaum zu glauben, dass Otto Ina an so einem Tag einfach sitzen lässt ... aber klar, in seinem Herzen gibt es nur Prinzessin Yvonne..."
Drinnen überboten sie sich darin, Yvonne zu schmeicheln.
Ina holte tief Luft, und drückte die Tür auf.
Knall.
Die lärmende Suite fiel sofort in Totenstille.
Alle Augen richteten sich auf sie.
"Ina…?" Ein Raunen ging durch den Raum.
Dort stand sie, das rosa Kleid zeichnete eine makellose Taille, die weiche Frisur ließ sie wie aus einem Hochglanzmagazin wirken. Wunderschön.
Nur ihre Augen waren kalt wie Eis, als sie über Otto und Yvonne hinwegfegte.
Mit einem höhnischen Lächeln sagte sie: "Otto, ist das also deine ‘dringende Besprechung’?"
Ein kurzer Schatten huschte über Ottos Gesicht. Er erhob sich von Yvonnes Seite und kam zu ihr.
"Ina, wir können doch an jedem beliebigen Tag heiraten. Aber Yvonne ist gerade erst aus dem Ausland zurück. Als Bruder ist es selbstverständlich, dass ich sie willkommen heiße."
"Hahaha."
Inas Lachen war ohne jede Wärme.
"An jedem Tag? Otto, wir haben heute - ganz bewusst - für die Anmeldung gewählt. Wir sind jetzt seit fünf Jahren zusammen. Heute ist unser Jahrestag. Es sollte unser Hochzeitstag werden. Erinnerst du dich nicht mehr?"
Noch bis vor einer Stunde hatte sie geglaubt, es würde ein romantischer Tag werden.
Jetzt war er nur noch eine Farce.
Natürlich erinnerte er sich.
Er wollte nur nicht.
Er wollte nicht sie heiraten.
In Wahrheit wollte er ... Yvonne.
Otto wollte nach ihrem Arm greifen. "Ina, hör auf. Wir reden zu Hause, okay?"
Sie riss sich los.
Da meldete sich Yvonne mit ihrer weichgespülten Stimme:
"Ina ... es tut mir leid. Ich wusste wirklich nicht, dass ihr heute heiraten wollt. Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich nie…"
Der Kopf leicht gesenkt, Lippen bebend, wie ein verängstigtes Reh.
Als wäre sie diejenige, die verletzt wurde.
Ina erwiderte nichts. Ihre Abneigung Yvonne gegenüber war tiefer als jedes Wort.
Yvonne hob die Augen, Tränen glänzten wie Tautropfen.
"Ina, bitte ... verzeih mir. Ich wünsche dir und Otto wirklich alles Glück der Welt."
"Wünschen?"
Ina lachte kalt.
"Wenn du uns wirklich Glück wünschen würdest ... wärst du gar nicht erst zurückgekommen."
Ottos Gesicht wurde augenblicklich hart. "Ina, das geht zu weit."
"Zu weit?" Ina drehte den Kopf, ihr Blick so fremd und klar, dass Otto unwillkürlich zurückwich.
"Ich sage nur die Wahrheit. Oder tut dir dein kleines Haustier leid, sobald jemand sie nicht anbetet?"
Die Anwesenden hielten die Luft an.
Ottos Gesicht war bereits dunkel vor Zorn. "Ina, pass auf, wo du so redest. Reiß dich zusammen!"
Tja.
Wie er seine liebe kleine Schwester verteidigte, als wäre sie aus Glas.
Wenn er sie so unbedingt schützen wollte, gut. Ina würde ihm diesen Wunsch erfüllen.
Sie lachte leise. "Gemacht ist gemacht. Oder dürfen nur manche Leute Dinge tun, über die man dann nicht reden darf?"
Yvonne schluckte, die Augen sofort gerötet, die Stimme bebend wie bei einem armen Opferlamm.
"Ina, zwischen mir und Otto ist es nicht so, wie du denkst. Kannst du bitte aufhören, wie früher immer, mich falsch zu verstehen? Wenn ich gewusst hätte, dass meine Rückkehr euch streiten lässt, wäre ich, wäre ich niemals…"
Ihre Stimme brach, perfekt dosiert, gerade so, dass jeder Beschützerinstinkt im Raum ansprang.
Und wie auf Kommando fielen die anderen über Ina her:
"Ina, jetzt übertreibst du echt! Yvonne und Otto sind Geschwister, du bist wirklich eifersüchtig deswegen?"
"Ehrlich, drei Jahre lang war Yvonne weg, nur weil du sie nicht ertragen konntest! Sie ist extra ausgewandert, damit du deinen Frieden hast. Und jetzt? Wieder das gleiche Spiel?"
"Pass auf, dass er dich nicht sitzen lässt. Männer haben Grenzen!"
…
Ina hörte sich alles schweigend an.
Eine seltsame Stille breitete sich in ihr aus. Eine kalte, klare Stille.
Früher, wegen Otto, hatte sie jeden einzelnen dieser Leute lächelnd ertragen.
Wie sie sich hinter ihrem Rücken über sie lustig gemacht hatten, wie sie Otto Dinge ins Ohr geflüstert hatten, immer gegen sie.
Und sie? Sie hatte alles runtergeschluckt, um nicht "unangenehm" zu wirken.
Plötzlich begriff sie, fünf Jahre hatte sie wie eine Statistin in einem Drama gelebt, in dem sie nicht einmal die Rolle der tragischen Heldin bekam, sondern die des Witzes.
"Ihr habt recht."
Ina nickte, ruhig, fast erschreckend gelassen.
Dann wandte sie sich Yvonne zu und ihre Stimme wurde messerscharf:
"Eine ‘Schwester’, die sich Tag und Nacht an ihren ‘Bruder’ klammert, ihn ständig mit Ausreden wegzieht, weißt du, wie man sowas nennt? Billig."
Gasps.
Kollektives Entsetzen.
Niemand hätte gedacht, dass Ina, die sich sonst vor Otto immer so brav verhielt, plötzlich so bissig werden konnte.
Ihre Worte schnitten wie Messer.
Ottos Gesicht wurde schlagartig dunkel. "Ina, bist du verrückt geworden? Yvonne ist meine Schwester!"
"Schwester?" Ina lachte, aber in diesem Lachen lag nichts Warmes, nur blanker Spott. "Otto, belügst du dich damit nicht selbst?"
Andere mögen es nicht verstehen, aber sie wusste es besser als jeder andere.
Sie kannten sich seit zehn Jahren, waren fünf davon ein Paar.
Im ersten Jahr hatte Ina Geburtstag, doch Yvonne rief an, angeblich ein Autounfall. Otto ließ alles stehen und liegen.
Beim zweiten Mal, Valentinstag, Yvonne heulte am Telefon, sie hätte Liebeskummer und würde sich etwas antun.
Beim dritten Mal, beim vierten Mal...
Yvonne fand immer irgendeinen Grund, Otto zu sich zu rufen. Und jedes einzelne Mal entschied er sich dafür, Ina stehen zu lassen.
Bis vor drei Jahren, als Yvonne plötzlich von sich aus vorschlug, ins Ausland zu gehen.
Otto und der ganze Freundeskreis waren überzeugt, Ina hätte sie dazu gedrängt.
Inas Blick war eiskalt, ihr Spott messerscharf, während sie Yvonne keine Sekunde aus den Augen ließ. "Eine normale Geschwisterbeziehung, ja? Und trotzdem lässt man für die ‘Schwester’ sogar so etwas Wichtiges wie die Anmeldung zur Hochzeit sausen?"
"Die Wahrheit ist doch: Einer von euch ist erbärmlich, der andere billig. Und jetzt wollt ihr mir erzählen, ich soll großmütig sein? Aus welchem Grund bitte?"
"Nur weil ihr euch nicht schämt?"
Yvonnes Gesicht lief rot an, Tränen liefen ihr über die Wangen. "Ina… warum beschimpfst du mich so? Was hab ich dir denn getan?"
"Was du mir getan hast?" Ina sah sie an, und in ihrer Stimme lag der ganze angestaute Groll der letzten fünf Jahre. "Dass du überhaupt existierst, ist schon das größte Unrecht an mir."
"Jetzt reicht’s!" Otto verlor die Beherrschung. "Ina, du gehst zu weit!"
"Es geht doch nur um einen Termin fürs Standesamt. Was ist so schwer daran, das zu verschieben? Warum kannst du nicht einfach großzügig sein?"
"Großzügig?"
Ina erstarrte.
In seinen Augen waren ihre fünf Jahre des Wartens, die heutige Erwartung, all die sorgfältige Vorbereitung, nichts weiter als eine Lappalie?
"Gut. Natürlich kann ich großzügig sein." Sie nickte, ihre Stimme unheimlich ruhig.
Inas Herz war wie ausgelöscht. "Otto, lass uns Schluss machen."
Ein Raunen ging durch den Raum.
Otto brauchte ein paar Sekunden, dann verzog sich sein Gesicht. "Schon wieder Schluss machen? Willst du mich damit schon wieder erpressen?"
"Vor drei Jahren hast du genau das Gleiche gesagt. Yvonne ist nur deshalb ins Ausland gegangen, weil sie Angst hatte, wir würden uns trennen. Willst du sie wieder vertreiben?"
"Ina, wie berechnend kann man sein! Ich hab dir doch versprochen, dich zu heiraten. Und trotzdem passt Yvonne nicht in dein Weltbild? Willst du sie so lange quälen, bis sie sich was antut? Hör auf mit deiner Boshaftigkeit, sonst heirate ich dich ganz sicher nicht!"
Yvonne sog Ottos Schutz in vollen Zügen auf. Als sie den Blick senkte, blitzte in ihren Augen ein Moment stiller Triumph auf.
Ina lachte, hell, schön, wie eine aufbrechende Rose. "Kein Problem. Dann lassen wir es eben. Diese Hochzeit findet nicht statt."
Sie sagte es, drehte sich um und wollte gehen.
Otto starrte ihr nach und schleuderte hinterher: "Ina! Wenn du heute durch diese Tür gehst, ohne dich bei Yvonne zu entschuldigen, verzeihe ich dir nie!"
Alle warteten.
Warteten darauf, dass Ina einknickt.
Denn sie liebte Otto doch so sehr.
Und tatsächlich.
Ina blieb stehen.
Langsam drehte sie sich zurück, und unter all den erwartungsvollen Blicken sprach sie deutlich und ohne Zögern:
"Gut, dass ihr alle da seid. Dann hört genau zu: Ich, Ina, beende hiermit die Beziehung zu Otto. Eine Hochzeit wird es niemals geben. Und wenn ich jemals mein Wort breche, dann soll er für den Rest seines Lebens kinderlos bleiben und ein elendes Ende finden."
Sie sprach das Urteil, drehte sich um und verließ den Raum ohne einen Blick zurück.
Wie sie ins Auto gekommen war, wusste sie nicht mehr. Sie löschte und blockierte alles, was auch nur im Entferntesten mit Otto zu tun hatte.
Bis ein Klingeln sie zurück in die Wirklichkeit riss.
Sie sah auf die Nummer, fremd und doch vertraut. Für einen kurzen Moment schien ihr Herz stillzustehen.
Sie nahm ab.
Eine tiefe, angenehme Männerstimme meldete sich:
"Wenn du heiraten willst… wie wär’s mit mir?"
