Kapitel 4 Mit ihm Schluss gemacht
Zum Glück klingelte in diesem Moment ihr Handy und rettete Ina aus der peinlichen Lage.
"Ja?"
Ihr Herz klopfte viel zu schnell, selbst ihre Stimme zitterte leicht. In der Hektik hatte sie nicht einmal richtig auf das Display gesehen, bevor sie abhob.
Am anderen Ende meldete sich Elene, Model und ihre beste Freundin, mit spöttischem Tonfall:
"Na, meine edle Fräulein Ina! Gestern geheiratet, sag, habt ihr gestern Abend direkt losgelegt? Deine Stimme klingt… verdächtig beschwingt. Nicht zufällig gerade frisch durchgenudelt?"
Der Lautsprecher war laut, ihre schamlose Stimme hallte deutlich im stillen Schlafzimmer wider.
Ina erinnerte sich mit einem Ruck daran, dass Armin noch im Zimmer war, ihr Herz setzte fast aus, als sie reflexartig zur Tür sah. Zum Glück war er bereits gegangen.
"Ja, Urkunde haben wir."
Ina atmete unauffällig aus. "Und nein, nichts gelaufen."
Die Hitze von vorhin war noch nicht ganz abgeklungen, und allein das Thema ließ sie wieder unruhig werden.
"Was?!" Elenes Stimme schoss mindestens eine Oktave nach oben, klang absolut fassungslos.
"Fünf Jahre Beziehung, höchstens Küsschen wie ein pickendes Küken, nicht mal richtig Händchenhalten, und jetzt verheiratet, und ihr habt immer noch nicht…?!"
Je weiter Elene redete, desto heftiger wurde sie, ihre Stimme jetzt fast brüllend:
"Sag nicht, du hast erst nach der Hochzeit gemerkt, dass dein Mann gar nicht hochkommt."
Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür, Armin trat wieder herein.
Nicht zu früh. Nicht zu spät. Exakt rechtzeitig, um den Satz "…gar nicht hochkommt" mitzuhören.
Sein Blick, leicht zur Seite geneigt, traf Ina.
Er, nicht hochkommen?
Ina fuhr herum, ihre Augen trafen auf seine. In der Sekunde erstarrte sie völlig, die Luft blieb ihr in der Kehle stecken.
Elene plapperte munter weiter, völlig ahnungslos:
"Also echt, das geht gar nicht. Das muss man sofort ärztlich checken! Und falls es nicht behandelbar ist, musst du dir überlegen, ob du so eine platonische Ehe wirklich willst. Auch wenn die Medizin heute…"
Ina, inzwischen knallrot und völlig überhitzt im Kopf, drückte das Gespräch hektisch weg.
Sie zwang ein steifes Lächeln auf die Lippen, tat, als wäre nichts:
"Warum bist du… wieder reingekommen?"
Die Nervosität in ihrer Stimme war kaum zu überhören.
"Uhr holen."
Armin griff ins Ankleidezimmer, zog eine mechanische Uhr hervor, legte sie mit ruhiger, eleganter Bewegung an, und trat dann direkt vor Ina.
Sein Arm glitt über ihre Schulter hinweg, als er die Uhrzeit am Schminktisch einstellte, sie war damit eingekreist, in seinen Oberkörper gelehnt, ohne Fluchtweg.
Er beugte sich vor, sein Gesicht so nah an ihrem, dass sein warmer Atem über ihre Haut strich.
"Ob ich hochkomme oder nicht, finden wir heute Nacht raus, oder?"
Ina saß stocksteif, ihre Wimpern flatterten nervös. "Ich hab das nicht gesagt."
Armin lächelte sacht, gefährlich tief.
"Frau Glehn, wenn ich zurück bin… testen wir das ganz in Ruhe. Gründlich."
Damit ließ er ihr keine Chance zur Rechtfertigung, drehte sich um und verließ mit langen Schritten das Zimmer.
Ina stieß endlich den Atem aus, den sie angehalten hatte, und rief hektisch zurück:
"Du hast das falsch verstanden!"
"Hab ich?" Elene nahm ab, neugierig. "Warst du sauer, weil du einfach aufgelegt hast?"
"Nur weil ich gesagt habe, dass Otto es nicht draufhat?"
Elene brach los wie ein Damm, alle Fragen und Vorwürfe strömten heraus.
Ina atmete tief ein, zwang sich, ruhig zu bleiben. "Nicht Otto, sondern Armin."
Um Missverständnisse zu vermeiden, fügte sie schnell hinzu: "Gestern habe ich mit Armin geheiratet…"
"Was?" Elene rief entsetzt aus.
Zehn Minuten später…
Nachdem Ina alles erzählt hatte, schimpfte Elene Otto und Yvonne dermaßen zusammen, dass es fast schon ekelhaft wurde, richtig derb.
Nachdem sie sich abreagiert hatte, wurde ihre Stimme sofort wieder lebendig:
"Alter Schwede, Ina, was für ein Move war das denn? Direkt vom Bruder zum großen Bruder, vom Vize zum CEO! Das ist doch mal richtig ein Schritt nach oben!"
"So muss das! Lass den Mistkerl bereuen, dass er dich hat sitzen lassen! Wenn der Ehemann nix taugt, dann wird er halt zum kleinen Bruder degradiert!"
"Ina, diesmal hast du echt ein scharfes Auge gezeigt. Armin ist CEO der Glehn Gruppe, reich, gutaussehend, keine Skandale, tausendmal besser als Otto. Aber…"
Elene zögerte, ließ unausgesprochen, was sie meinte, aber Ina verstand sofort.
"Macht nichts, jeder bekommt, was er braucht." Ina senkte den Blick.
Gestern war es eine impulsive Heirat aus Trotz gewesen, doch nach einer Nacht voller Gedanken hatte sie es akzeptiert.
Immerhin hatte sie den letzten Willen ihres Vaters erfüllt und die beiden Familien verbunden. Liebe? Sie wagte es kaum noch zu erwarten.
"Okay, wenn du das so siehst, dann bekommst du von mir ein Hochzeitsgeschenk. Warte nur, bis du es siehst."
"Was für ein Geschenk?", fragte Ina.
Elene sagte nichts, drängte sie stattdessen, Werbung zu drehen, und legte dann einfach auf.
Ina: …vielbeschäftigter Mensch!
…
Die Glehn Gruppe, Hauptquartier.
Vorstandsetage, Büro des CEO.
Nach einer Besprechung saß Armin am Schreibtisch, Rücken gerade, dunkler Anzug unterstrich seine aristokratische, ruhige Ausstrahlung und die gewisse Dominanz.
Ohne aufzusehen, befahl er seinem Assistenten Niko:
"Such mir passende Eheringe aus. Und bereite einen Aktienübertragungsvertrag vor."
Niko nickte respektvoll. "Jawohl, Herr Armin."
Armin blieb sitzen, blickte auf. "Noch etwas?"
"Herr Kasper hat erfahren, dass Sie zurück sind. Er hat angerufen und erwartet, dass Sie heute Abend zum Abendessen ins alte Anwesen kommen."
Armin Augen verdunkelten sich. "Schick ihn weg, ich kümmere mich selbst darum."
Niko verließ das Büro.
Armin wählte die Nummer, doch bevor er etwas sagen konnte, hörte er einen Schwall Wut:
"Du bist zurück und hast nicht einmal mir Bescheid gesagt! Mensch, man findet dich ja gar nicht! Jetzt will ich dich sehen, muss man dafür extra einen Termin ausmachen?"
Die Wut von Kasper war sogar am Telefon spürbar, offensichtlich schon lange angestaut.
"Beruhige dich, Großvater. Ich habe nur den Jetlag und konnte es gestern nicht rechtzeitig mitteilen." Armins lange, markante Finger klopften leicht auf den Tisch.
Kasper brummte schwer. "Hör auf zu jammern. In den letzten drei Jahren habe ich dir immer wieder gesagt: Wenn du nach Port City zurückkommst, musst du eine Frau finden, heiraten und Kinder bekommen …"
"Vergiss das bloß nicht."
Beim Hören dieser Erinnerung huschte ein sanftes Licht durch Armins Augen.
"Keine Sorge, Großvater. Ich erinnere mich sehr genau."
Ein halbes Lächeln spielte um seine schmalen Lippen. "Ich werde dich zufriedenstellen."
…
Otto hingegen war endlich nüchtern.
Mit halb geöffneten Augen tastete er auf dem Bett herum und zog schließlich sein Handy unter dem Kopfkissen hervor.
Als er auf die Uhr sah, war es bereits zwei Uhr nachmittags.
Plötzlich war jede Müdigkeit wie weggeblasen. Er setzte sich ruckartig auf. Verdammt! Heute Vormittag stand eine wichtige Vorstandssitzung an, und er hatte verschlafen!
Bisher war es immer Ina gewesen, die ihn eine Stunde vor dem Meeting anrief, mit ihrer sanften, vertrauten Stimme weckte und liebevoll an seine Termine erinnerte. In den letzten fünf Jahren hatte sie, egal wie verärgert, nie bei so etwas versagt.
Doch heute… hatte sie kein einziges Mal angerufen!
Ottos Gesicht verfinsterte sich.
Gerade in diesem Moment stürmte sein Assistent herein. Als er sah, dass Otto aufrecht im Bett saß, senkte er den Blick: "Herr Otto …"
"Warum erst jetzt?" Otto klang streng. Sein Handy zeigte mehrere verpasste Anrufe vom Assistenten.
"Ich dachte, Sie hätten etwas Wichtiges zu erledigen, daher habe ich nicht gestört." Der Assistent wollte ihm gerade erzählen, dass Armin zurück sei.
Doch Otto unterbrach ihn scharf: "Ina?"
Der Assistent erstarrte, schüttelte den Kopf.
Wie wusste er das?
In den letzten fünf Jahren hatte Ina stets dafür gesorgt, dass er keine Termine verpasste, insbesondere bei wichtigen Meetings.
Ottos Gesicht wurde noch finsterer. Ina hatte ihn nie enttäuscht. Doch diesmal hatte sie es gewagt, ihm aus Trotz keine Nachricht zu schicken, nur weil sie die Heirat verschoben hatte.
Er selbst hatte sie zu sehr verwöhnt.
Mit düsterem Blick wählte Otto Inas Nummer. Doch nach nur einem Klingeln wurde der Anruf automatisch beendet.
Er versuchte es noch einmal, dasselbe Ergebnis.
Das Telefon war blockiert!
Sein Gesicht wurde noch blasser vor Wut. Er versuchte ihr noch Nachrichten zu senden, abgewiesen, ein rotes Ausrufezeichen auf dem Bildschirm.
Gut! Sehr gut!
Ein finsterer Funke der Rachsucht glomm in Ottos Augen. Diesmal würde er sie nicht verwöhnen. Wenn sie wieder zusammenkommen wollte, müsste sie ihr Prinzessinnen-Verhalten zügeln.
…
Die Sonne sank langsam.
Kupferbucht, Mid-Levels
Im Schlafzimmer saß Ina auf dem Panoramafenster, die Beine verschränkt, den Laptop auf dem Schoß, ihre zarten Hände tippend auf der Tastatur.
Sie war den ganzen Tag zuhause geblieben, hatte am Drehbuch gearbeitet.
Als Drehbuchautorin hatte sie bereits zwei Webserien geschrieben, die Klickzahlen waren solide, nicht sensationell, aber auch kein Flop.
Plötzlich klingelte ihr Handy. Sie sah auf die Nummer und nahm gehorsam ab: "Großvater."
"Kleine Maus, du bist schon lange nicht mehr zu mir gekommen. Ihr habt gestern geheiratet, oder? Komm doch bald vorbei und bring Otto mit…"
Ina stockte kurz, ein komplexes Gefühl stieg in ihr auf. Sie atmete tief durch und sagte die Wahrheit:
"Großvater, ich habe mich von Otto getrennt."
Am anderen Ende ertönte ein fröhliches Lachen. Richard war offenbar gewohnt an solche Nachrichten:
"Was ist passiert? Hat er wieder Unsinn gemacht und dich wütend gemacht?"
Die Reaktion des Großvaters ließ Ina an die Vergangenheit denken, ein bitteres Gefühl stieg in ihr auf.
"Großvater, diesmal ist es ernst."
Nach einer Pause fügte sie hinzu:
"Ich habe mich von Otto getrennt und bin mit Armin verheiratet."
Draußen vor dem Schlafzimmer hielt Armins Hand mitten in der Luft inne, seine Augen wurden tief und geheimnisvoll.
