Kapitel 2 - Anjuli
Anjuli wurde in eine arme Familie geboren. Sie hatten wenig zu Essen und hausten eher bescheiden für die herrschende Zeit. Seit sie denken konnte hasste sie es am Leben zu sein und auch ihre Eltern ließen sie das jedes Mal aufs Neue spüren. Egal was geschah es war immer ihre Schuld. Selbst wenn ihr kleiner Bruder Unsinn trieb und dabei wertvolle Gegenstände zu Bruch gingen, von denen ihre Familie nur wenige besaßen sagten sie das es ihre Schuld sei da sie hätte aufpassen müssen. Anjuli war auch bei anderen nicht gerade beliebt da sie durch ihre brennende Leidenschaft für unethische Dinge als Sonderling bezeichnet wurde. Sie wurde stark konservativ großgezogen und entwickelte über die Jahre das Interesse an die negativen Aspekte diese sich im Glauben an Gott, Himmel , sowie auch die Hölle finden ließen. Sie hatte keine Freunde und auch zuhause fand sie keine Liebe vor.
Jede Nacht, bevor sie zu Bett ging, betete sie um Erlösung und dass sie jemand retten würde. Und auch wenn nichts geschah, so hatte sie den Glauben niemals verloren. Doch nun…ganze 14 Jahre später - sie war erst vier als diese Zweifel in ihr aufkamen war Anjuli müde geworden. Wollte endlich den Frieden finden diesen sie sich sehnlichst wünschte. Sie hatte gekämpft und das jeden Tag aufs Neue, doch nun konnte sie nicht mehr. Sie hatte das kleine Licht dieses in ihrer Seele brannte verloren und gab sich auf. Ende der Woche würde sie sich durch ihre eigene Hand das Leben nehmen, doch zuvor wollte Anjuli noch einmal die Dinge erleben diese ihr kraft schenkten, bevor sie die Heimreise ins Unbekannte antrat.
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Enger zog sie den Kragen ihres Pullovers an sich als ein kalter Windhauch ihre Haut streifte. Sie spürte die ersten Regentropfen diese vom Himmel hinab fielen. Den Ort in monotones Grau tauchte. Anjuli liebte diese verregneten farblosen Tage denn an denen fühlte sie sich verstanden. Genau wie die Menschen, die diese Tage verabscheuten und sich wünschten das die schwere graue Wolkendecke verschwinden würde fühlte es sich auch für sie an. Wenn sie verschwinden würde, dann wären alle glücklich und zufrieden. Zumindest war Anjuli der Meinung das es so wäre.
Für den ersten Tag von diesem sie den Countdown herabzählte nahm sie sich vor an den See zu gehen und eines ihrer Lieblingsbücher zu lesen von diesen sie wenige besaß. Anjuli hatte vor nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückzukehren und sie wusste das es ihren Eltern relativ gleich war. Diese waren froh, wenn sie nicht zuhause war und sie musste das Geschrei ihres Täglichen Ehestreits nicht mit anhören. Ermüdet von dem langen Fußmarsch ließ sie sich auf eine der Bänke nieder diese am Ufer des kleinen Sees standen und zückte ihr Buch das sie unter dem Pullover versteckt hatte hervor. Wie in Trance versetzt, glitten ihre Finger über das Cover des dicken Wälzers diesen sie bereits tausend Mal gelesen hatte. Eine wunderschöne Geschichte über eine Prinzessin diese in einer anderen Welt ein neues friedvolles Leben begann und genau diese Geschichte spornte Anjuli an es dem Protagonisten gleichzutun.
Jede Seite war an den Ecken zerknittert oder eingerissen. Der Zeiger der Zeit hatte es bereits gezeichnet. Vertieft in die poetischen Worte diese auf das modrig riechende Papier gedruckt waren vergaß Anjuli komplett das Gefühl für Zeit und Raum. Würde sich nun jemand neben sie setzten oder sie überfallen sie würde es nicht bemerken und es wäre ihr auch relativ egal. Sie hatte nichts mehr für was es sich zu Leben lohnt und Materielle dinge waren Anjuli noch nie wichtig. Für sie war es Ballast diesen man mit sich trug der einen in manchen Situationen daran hindern würde über Hürden zu steigen. Man durch das Gewicht auf dem Boden gehalten wurde.
Die Stunden vergingen und der Himmel färbte sich von einem monotonen Grau zu Tinten schwarz. Anjuli hatte, umso mehr Zeit verging immer mehr Probleme die Texte ihres Buches zu erkennen und als sie gar nichts mehr sehen konnte hörte sie auf. Es nervte sie das sie nun wieder nachhause musste. Zurück in ein Heim in diesem man nicht Willkommen war. Den Kopf in die Hände stemmend blickte sie auf den See hinaus und vertiefte sich in ihre Gedanken. Ihr Pullover dieser vom Regen durchnässt wurde klebte wie eine zweite Haut an ihren Gliedern. Anjuli war kalt und sie hatte Hunger. Hoffte das ihre Eltern wenigstens so viel Mitgefühl zeigen ihr etwas vom Abendessen übrig gelassen zu haben. Das Buch wieder unter dem Pullover versteckt erhob sie sich nach stundenlangem sitzen und machte sich auf den Weg nachhause. Von ihrem Verfolger dieser stumm und ohne jegliche Regung sich in unmittelbarer Nähe befand merkte sie nichts. Doch Jarno der sich im Moment noch ausgiebig streckte da durch die ständige kauernde Position seine Glieder taub geworden waren hatte in diesen Stunden die Chance alles über die Seele zu erfahren, was er benötigte, um die nächsten Schritte sorgfältig ausarbeiten zu können. Auch wenn er hin und wieder durch dieses warme Gefühl welches seinen Körper durchströmte abgelenkt wurde jedes Mal, wenn er in ihr Gesicht sah.
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Nachts waren die Straßen des kleinen Dorfes in diesem Anjuli seit ihrer Geburt lebte unheimlich. Menschenleer, leise, dunkel. Einige der Laternen funktionierten seit Jahren nicht mehr doch kümmerte sich niemand darum. Es war den dafür verantwortlichen egal. In den Ecken diese in Dunkelheit gelegt waren hörte man das Kratzen der Ratten oder Mülltonnen diese von den Waschbären auf der Suche nach Nahrung umgeworfen wurden. Dieser Ort war trostlos, selbst wenn die Sonne schien, zumindest für Anjuli. Sie sah schon lange nicht mehr das gute in den Momenten ihres belanglosen eintönigen Lebens dessen Sinn für sie nur noch darin bestand jeden Tag zu überstehen. Gefühlte Stunden stand sie vor dem kleinen Haus und überlegte einfach kehrt zu machen und zu verschwinden. Einzig und allein der Gedanke das es in ein paar Tagen vorbei sein würde gab Anjuli die Kraft einzutreten. Gerade als sie dabei war die Schuhe auszuziehen kam ihre Mutter aus der Küche mit ihrem kleinen Bruder im Arm dieser friedlich vor sich hinschlummerte. „Essen steht im Ofen“, war das Einzige, was sie ihr zu sagen hatte, bevor sie nach oben verschwand. So war es jeden Tag und trotzdem erhoffte Anjuli das es sich eines Tages ändern würde, denn bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.
