Kapitel 6: Die verwöhnte Prinzessin
Ein Lächeln umspielte Olivias Lippen, ihr verführerisches Gesicht wirkte in diesem Moment unwiderstehlich.
"Tut mir leid, dafür habe ich jetzt keine Zeit mehr."
Damit warf Olivia den Helm beiseite und drehte sich um.
Ken warf Liam einen triumphierenden Blick zu: "Ha ha ha, verloren! Wen hast du gerade noch unterschätzt?"
Liams Gesicht war kreidebleich, aber er fand keine Worte.
Olivia kam auf Ken zu: "Bring mich nach Hause."
"Klar, Boss."
Ken folgte Olivia wie ein treuer Hund.
Als Liam Henrys düstere Miene sah, fragte er verwirrt: "Bruder, hast du sie etwa gewinnen lassen, weil sie so hübsch ist?"
Henry warf Liam einen vernichtenden Blick zu.
Er blickte Olivias entschwindender Gestalt nach und hatte das vage Gefühl, diese Silhouette schon einmal gesehen zu haben - doch er konnte sich nicht erinnern, wo.
...
Am nächsten Morgen legte sie wieder das altmodische Make-up und die Perücke an. Unten im Wohnzimmer herrschte reges Treiben.
Außer Henry waren alle vier Brüder anwesend.
"Seht euch dieses Foto an, diese Frau ist wirklich atemberaubend."
"Ihr Fahrstil war so abgefahren, plötzlich finde ich es gar nicht mehr überraschend, dass Henry gegen sie verloren hat."
Die anderen drei betrachteten das Foto, das Liam in der Nacht geschossen hatte, und diskutieren aufgeregt über Henrys Niederlage.
"Ha ha ha, Henry, der Unbesiegbare, hat tatsächlich verloren. So was erlebt man nicht alle Tage!"
"Sie ist wirklich fotogen, ich würde sie gern für unsere Modemarke buchen", sagte James, der eine Modelinie leitete.
"Diese Schönheit - es wäre doch schade, wenn sie nicht vor der Kamera stünde", schwärmte Alexander, der Schauspieler.
"Mist, gestern Abend haben wir vergessen, nach ihrem Namen zu fragen. Aber Henry hat schon Nachforschungen eingeleitet. Bald sollten wir mehr wissen."
Erst als Olivia die Treppe herabkam, verstummte die Diskussion.
Alle warfen Olivia einen Blick zu und dachten, dass dieses Gesicht meilenweit von jenem auf dem Foto entfernt war.
Zum Glück sind meine Schminkkünste gut genug, sonst würden sie sich alle Hals über Kopf in mich verlieben, wenn sie dahinterkämen.
Nach dem Frühstück klingelte das Handy auf dem Tisch.
"Boss, stell dir vor, dieser Liam ist so schamlos - er hat mir Geld geboten, um deine Kontaktdaten zu kaufen."
"Tss tss tss, der würde vor Wut platzen, wenn er wüsste, dass die Person, die er sucht, unter demselben Dach wohnt wie er."
"Übrigens, Henry forscht auch nach. Boss, sei vorsichtig."
Ken jammerte vor sich hin. Olivia lächelte verächtlich - mal sehen, ob Henry wirklich das Zeug dazu hatte, sie zu finden.
Endlich kam der Freitag. Nach James und Alexander war heute Henry an der Reihe, sie zu chauffieren.
Morgens im Auto herrschte Schweigen zwischen ihnen. Nach dem Unterricht verließ Liam die Schule Seite an Seite mit Olivia.
"Warum läufst du mir nach?"
Liam verzog angewidert das Gesicht: "Als ob ich dir nachlaufen würde! Isabella ist zurück, ich gehe zu ihr."
Wer war Isabella?
Als er ihre Verwirrung bemerkte, plapperte Liam fröhlich weiter: "Isabella ist mit uns aufgewachsen, die verwöhnte Tochter der Browns. Sie war zwei Jahre im Ausland zum Studieren und jetzt endlich zurück!"
Man sah, dass Liam Isabella sehr zugetan war.
Olivia war es egal - sie hatte noch nie von Isabella Brown gehört.
Sie lutschte gelassen an einem Lolli und schlenderte zum Schultor hinaus.
Isabella saß auf dem Beifahrersitz. Die Frau trug durchweg Designerklamotten, ihre Locken fielen perfekt frisiert über die Schultern, das Make-up saß - das klassische Bild einer verwöhnten Prinzessin.
Isabella begrüßte erst herzlich Liam, dann wandte sie sich Olivia zu und lächelte: "Du bist also Olivia. Ich bin Isabella, mit Liam und den anderen zusammen aufgewachsen. Ab jetzt sind wir Freundinnen. Wenn du in Stadt A niemanden kennst, kannst du jederzeit zu mir kommen."
Olivia erwiderte höflich: "Gut."
"Isabella, was willst du denn mit ihr? Ich habe dich so vermisst. Du gehst jetzt doch nicht mehr weg, oder?"
Isabella lächelte: "Nein, ich bleibe. Ich habe meinen Abschluss gemacht und plane ein Praktikum bei der Davis Gruppe."
"Echt? Henry, du musst dich gut um Isabella kümmern."
Henry sagte nichts, startete den Wagen und verließ das Schultor.
In Isabellas Augen blitzte Enttäuschung auf. Durch den Rückspiegel warf sie Olivia einen prüfenden Blick zu.
Wie könnte sie einfach wieder gehen?
