Kapitel 4: Du hast dir wohl ins Gesicht gemalt?
Als sie an der Schule ankamen, fuhr Noah gleich wieder davon.
Die Huaxin First Academy - Olivia war schon lange nicht mehr zur Schule gegangen, und sie empfand die Atmosphäre als durchaus angenehm.
Nach der erfolgreichen Anmeldung folgte Olivia der Lehrerin ins Klassenzimmer.
Kaum war sie eingetreten, brach unter den Mitschülern ein aufgeregtes Gemurmel aus.
"Das soll die zukünftige Luna der Alphas vom Xihsas-Rudel sein?"
"Die ist ja viel zu hässlich, wie soll die denn zu den fünf Alphas passen?"
"Meine Güte, die ist ja stockkonservativ, ein echtes Landei."
"Vom Lande - die hat doch bestimmt schlechte Noten. Warum wurde die ausgerechnet unserer Klasse zugeteilt?"
Die Leute flüsterten aufgeregt.
Jetzt erst begriff Olivia, dass sie bereits berühmt-berüchtigt war.
Tss tss tss, man brauchte nicht lange zu überlegen, wem das zu verdanken war - dieser Liam war wirklich kindisch.
In der ganzen Klasse wollte niemand neben Olivia sitzen, aber das war ihr recht; sie setzte sich allein in die hinterste Ecke.
In der Pause ging Olivia zur Toilette, wurde aber am Ausgang von mehreren Mädchen abgefangen.
Ein paar Rothaarige mit aufgetragenem Make-up - typische Randaliererinnen.
Selena drohte: "Du bist also Olivia. Ich sag's dir geradeheraus: Wenn du schlau bist, verschwindest du vom Xihsas-Rudel und aus Stadt A."
Olivia zuckte mit den Mundwinkeln. Anscheinend war sie in Stadt A wirklich unerwünscht - aber sie war ja auch nicht freiwillig gekommen.
"Hässliche, hast du gehört, was Selena gesagt hat?"
Olivia kam zu sich und erwiderte gleichgültig: "Hab ich, aber ich gehe nicht. Ich bleibe hier."
Zur gleichen Zeit in Klasse A schreckte Liam gerade aus dem Schlaf auf, den Kopf auf dem Tisch, als er die Mitschülerinnen vor sich reden hörte.
"Ich hab gehört, Selena aus Klasse F sucht Olivia auf. Tss, die ist erledigt."
"Die kriegt bestimmt Prügel."
Liam richtete sich langsam auf. Das Gerücht hatte er selbst in die Welt gesetzt, er wollte Olivia nur das Leben in der Schule schwer machen.
Hoffentlich passiert nichts Ernstes, sonst bringt mein Großvater mich um.
Mit diesem Gedanken verließ Liam hastig den Raum.
Auf der Toilette sah es aus wie auf einem Schlachtfeld - alle vier Mädchen, die Olivia gestellt hatten, waren übel zurichtigt worden.
Besonders Selena hatte es erwischt und wurde gegen das Waschbecken gedrückt.
"Ich hasse es, bedroht zu werden. Lass mich in Zukunft in Ruhe, kapiert?"
"Kapiert, wir haben uns geirrt."
Olivia klatschte sich den Staub von den Händen und wollte gehen, als sie überrascht Liam hinter sich stehen sah.
"Du..."
In den paar Tagen in der Schule hatte Liam mitbekommen, dass Selena Boxunterricht nahm. Vier gegen Olivia, und das war das Ergebnis.
Plötzlich hatte er das Gefühl, dass man sich mit Olivia besser nicht anlegte.
"Auf dem Land hab ich von klein auf Bäume gefällt und bin Felsen geklettert. Diese Störenfriede halten da nicht lange gegen."
Liam ging ein Licht auf. Ach so war das.
Er rappelte sich auf und folgte Olivia aus der Toilette.
"Übrigens, was machst du eigentlich auf der Damentoilette?" Olivia musterte Liam mit seltsamem Blick.
Liams Gesicht lief sofort rot an.
"Kümmere dich um deinen eigenen Kram, ich gehe, wohin ich will."
Damit beschleunigte er seine Schritte in Richtung Klassenzimmer.
Olivia schüttelte nur den Kopf. Als sie ins Klassenzimmer zurückkam, klingelte das Handy auf ihrem Tisch.
"Boss, Hilfe!"
"?"
Dieser Hilferuf verhieß nichts Gutes.
"Boss, dieser Liam vom Xihsas-Rudel, mein Erzfeind - wir haben heute Abend ein Rennen auf der Straumont-Rennstrecke. Boss, bitte hilf mir."
"Nein."
Olivia lag auf dem Tisch, völlig desinteressiert.
"Boss, Liam ist so widerlich, hat der dich nicht beim Xihsas-Rudel schikaniert?"
"Boss, bitte hilf mir. Wenn wir das Rennen gewinnen, geb ich dir die fünf Millionen Preisgeld."
Der Anrufer bettelte weiter. Olivia überlegte - Liam war wirklich nervig, und fünf Millionen waren zwar Peanuts, aber nun gut. Langsam tippte sie eine Antwort.
"Okay, hol mich nach der Schule ab."
Mit diesem Gedanken schickte Olivia Noah eine SMS, sie hätte noch etwas zu erledigen und käme später nach Hause, er solle sie nicht abholen. Sie hatten am Morgen Nummern ausgetauscht, damit er sie nachmittags abholen konnte.
Noah, der die SMS erhielt, fragte nicht weiter und antwortete nur mit "Okay" - schließlich interessierte er sich nicht für Olivia.
Straumont war eine berühmte Rennstrecke in Stadt A, wo sich die besten Fahrer des Xihsas-Rudels trafen.
Nach Schulschluss stieg Olivia in einen Lamborghini. Der Fahrer war ungefähr in Liams Alter.
Ken musterte Olivia und runzelte die Stirn: "Wer bist du denn? Du bist wohl ins falsche Auto gestiegen?"
Olivia lächelte: "Erkennst du mich nicht mehr?"
Diese vertraute Stimme ließ Kens Kinnlade herunterklappen.
"Meine Fresse, Boss, hast du dir ins Gesicht gemalt?"
Seine Alpha war doch dieser sexy, süße Engel - wie war sie nur so geworden?
Ken erkannte sie überhaupt nicht wieder.
Olivia schnallte sich an und sagte gelassen: "Lass uns abhauen. Ich muss erst irgendwo mein Make-up loswerden, dann gehen wir was essen."
"Klar, Boss."
Damit startete Ken den Motor und sie brausten davon.
