Kapitel 5
Ich fand Madeline im Damenraum, wie sie ihr Make-up vor dem Spiegel nachzog, nach ihrer dramatischen kleinen Bühnenshow.
"Ganz schöne Vorstellung da draußen", sagte ich ruhig und legte meine Handtasche auf den Marmortisch.
"Sehr überzeugende Tränen."
Sie sah mich im Spiegel an, und die unschuldigen Rehaugen verwandelten sich in etwas Härteres, Berechnenderes.
"Katherine."
"Das Opfergehabe war ein hübscher Kunstgriff. Du hast wohl Übung darin, ja?"
"Jonathan hat die Scheidungspapiere bereits eingereicht, weißt du das?"
Sie drehte sich zu mir, ihre eben noch zarte Verletzlichkeit wich kühler, triumphierender Selbstsicherheit.
"Ich werde innerhalb des nächsten Jahres die neue Frau Morrison sein."
"Hat er dir das versprochen?"
"Ich werde auch Lilys Stiefmutter. Wir werden eine richtige Familie sein, so, wie sie es verdient."
Ich lachte, wirklich lachte, und selbst sie wirkte überrascht von der ehrlichen Belustigung in meiner Stimme.
"Du kannst ihn gern haben, Madeline. Aber dann bekommst du ihn genauso, wie er ist:
ein betrügerischer Lügner, verschuldet bis über beide Ohren und ohne auch nur den Hauch eines moralischen Kompasses."
"Das wird sich ändern, sobald wir verheiratet sind."
"Der Ehevertrag, den ich vor sieben Jahren unterschrieben habe, ist bombenfest, Liebling.
Und Ehebruch ist in diesem Bundesstaat immer noch ein sehr guter Grund für eine äußerst vorteilhafte Scheidungsregelung."
Zum ersten Mal flackerte ihre Selbstsicherheit.
"Du kannst nichts Belastbares beweisen."
"Siebenundzwanzigtausendvierhundertzweiunddreißig Nachrichten sehen das ein wenig anders."
Ich ging zur Tür, hielt kurz inne und legte die Hand auf die Klinke.
"Ach übrigens, dieses wunderschöne Haus, das mit den bodentiefen Fenstern? Es steht auf meinen Namen. Die Hypothek läuft über meinen Trust."
Als ich aus dem Damenraum trat, wartete Jonathan bereits davor und lief nervös auf und ab wie ein eingesperrtes Tier.
"Wie konntest du es wagen, mit Charlotte gemeinsame Sache zu machen und Madeline öffentlich zu demütigen?!"
"Ich habe mit niemandem gemeinsame Sache gemacht, Jonathan."
"Sie hat geweint! Wenn du wütend sein willst, dann auf mich!"
"Oh, ich bin wütend auf dich. Aber sie hat ihre Entscheidung getroffen, als sie beschlossen hat, zwei Jahre lang mit einem verheirateten Mann zu schlafen."
Madeline trat neben ihn, ließ ihre Hand mit geübter Sanftheit in seine gleiten.
"Schon gut, Jonathan. Ich komme klar mit allem, was sie mir an den Kopf wirft."
"Nein, überhaupt nicht gut."
Er zog sie schützend näher an sich.
"Du solltest ihre Eifersucht und ihren Groll nicht ertragen müssen."
"Ich wußte, worauf ich mich einlasse, als ich mich in dich verliebt habe."
Er küßte ihren Kopf, blickte mich über ihr blondes Haar hinweg herausfordernd an.
"Ich werde dich von jetzt an vor ihr beschützen. Ich verspreche es."
Ich drehte mich um und ging, ließ sie beide zurück mit ihren romantischen Illusionen und den leeren Versprechen, die ihnen früher oder später um die Ohren fliegen würden.
Ich wußte aus bitterer Erfahrung, manche Versprechen waren schlicht unmöglich zu halten.
