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2. Kapitel, Kat

Paul - der Name des Mannes - war der Chauffeur der Familie und er hatte einen starken, südländischen Akzent sowie gebräunte Haut und Zähne, in denen man sich ein wenig spiegeln konnte.

Auf seiner Glatze trohnte trotz der Hitze eine Schirmmütze mit einer aufgenähten Goldplakette und an seinem rechten Handgelenk prangte eine Uhr, die nicht billig aussah.

Recht gesprächig war er jedoch nicht, und so schloss ich einfach meine Augen und war kurze Zeit später trotz meiner aufkeimenden Nervosität eingeschlafen.

Erst als ich sanft an der Schulter gerüttelt wurde, öffnete ich meine Augen und staunte nicht schlecht.

Vor mir stand eine riesige, weiße Villa, umzäunt von gepflegten, grünen Hecken.

Ein weißer Boden aus Kies erstreckte sich bis zu der gläsernen Haustüre.

Vor dieser standen vier winkende Personen und warteten wohl auf mich, dies war unverkennbar.

Gott sei Dank gab es kein Riesenpappschild mit Name, Partyhütchen, Tröten und Konfettikanonen samt Luftschlagen so wie in diesen einem Film da.

Wie hieß der doch gleich?

Willkommen bei den Hortons?

Schnell zwang ich meine Gedanken wieder auf die Personen leicht schräg vor mir zu richten.

Ich erkannte eine Frau in einem schicken, weißen Hosenanzug;e in Einteiler, der ihrer Figur unglaublich schmeichelte.

Ihre braunen Haare umspielten weich ihr faltenloses Gesicht, welches ich auf um die vierzig schätzte.

Daneben winkte fröhlich ein Mann um die fünfzig, welcher ein blaues, faltenloses Hemd und eine schicke, beigefarbene Hose trug.

Die Ärmel hatte er hochgekrempelt und seinen freien Arm hatte er um die Frau gelegt.

Ich konnte sehen, wie er sie aufmunternd kurz an sich drückte; eine kleine Geste, die ihr wohlmöglich die Anspannung nehmen sollte.

Sofort vielen mir seine buschigen, grauen Augenbrauen und die ebenso grauen Haare auf seinem Kopf auf, die ihn aber erstaunlich attraktiv machten.

Ein wenig erinnerte er mich an den Typen aus der Nespresso-Werbung.

Vor ihnen standen wohl ihre Söhne.

Während der eine auffallend verwuschelte, schwarze Haare hatte, schien das Haar des anderen fast weiß.

Beide waren sehr muskulös gebaut, obwohl der blonde etwas schlacksiger zu sein schien.

Ich schätzte sie jeweils ein Jahr älter als mich.

Ob sie auch adoptiert waren? Sie schienen sich absolut nicht ähnlich zu sein, sogar ihr Klamottenstil unterschied sich:

Während der denkelhaarige ein schwarzes Tshirt und dunkle Jeans trug, trug der andere ein weißes Hemd und helle, verwaschene Jeans.

Ich blickte erneut zu dem schwarzhaarigen, der mir just in diesem Moment genau in die Augen starrte.

Holy Fuck.

Er hatte, sollte es mich nicht täuschen, ein grünes und ein blaues Auge.

Sein durchdringender Blick verursachte eine Gänsehaut der anderen Art und schnell rieb ich mir meine Arme.

Wie konnte jemand nur solche Augen haben?

Oder waren es Kontaktlinsen?

"Bereit, Miss?"

Ich nickte, noch immer etwas benommen und in Gedanken versunken.

"Danke, Paul.", antwortete ich dennoch freundlich und versuchte, dass Zittern in meiner Stimme unter Kontrolle zu bringen.

Er ging um das Auto herum und ich öffnete schnell meine Tür und stieg hinaus.

Verdutzt blieb Paul einen Moment lang stehen und erst da wurde mir bewusst, dass er mir die Tür hatte öffnen wollen.

Ich schenkte ihm kurz ein entschuldigendes Lächeln und wandte mich dann wieder der Familie zu.

Erfreut drängelte sich die Frau nach vorne und strahlte mich an.

Gott sei Dank machte sie den ersten Schritt, ich wusste nämlich nicht wie ich mich jetzt verhalten sollte.

"Katharina! Herzlich Willkommen!"

Sie schloss mich apprupt in ihre Arme und sofort versteifte ich mich.

Berührungen aller Art konnte ich nicht leiden, so war es schon immer gewesen, was auch seinen Grund hatte:

Ich war Menschen und vor allem menschliche Nähe und Liebe nicht gewohnt, von Amy mal abgesehen.

Sofort spürte sie das ich mich angespannte und schnell ließ sie mich wieder los und brachte Luft zwischen uns.

Dankbar brachte ich ein kleines Lächeln zustande.

"Ich bin Matthew."

Der Mann kam auf mich zu und schüttelte meine Hand.

"Das sind meine Söhne Ethan" -er deutete auf den mit den hellen Haaren -" und das hier ist Noan. Er hat oft schlechte Laune, aber er beißt nicht. Keine Sorge."

Er zwinkerte mir zu und ich lächelte zurück.

"Ach, und das ist meine Frau, Brenda.

Entschuldige bitte ihre überschwinglichkeit, aber sie hatte sich so sehr auf dich gefreut."

"Ist schon okay.", entgegnete ich leicht verdattert.

Die Überforderung aus meiner Stimme war kaum herauszuhören.

Ironisch gesehen.

"Herzlich Willkommen in der Familie!"

Aufgeregt klatschte Matthew in seine Hände.

"Zeigen wir dir mal dein neues Zuhause.

Jungs, benehmt euch wie Gentlemans und tragt ihre Koffer auf das Zimmer."

Schnell gingen wir die Auffahrt hoch und stießen auf eine große, weiße Tür.

Zügig sperrte Brenda die Haustür auf und hielt sie geöffnet, bis alle in dem riesigen Flur waren.

Alles war weiß.

Das Treppengeländer aus Holz, die Fliesen, die weiten Wände, selbst der Schuhschrank.

Schnell zog ich meine Converse aus und stellte sie zu den anderen in das Schuhregal.

Dann folgte ich Brenda und Matthew, wähend die Jungs den Koffer hoch brachten.

Dabei entging mir nicht wie sie mich aufmerksam kurz musterten, wobei Noan einen seltsamen Gesichtsausdruck aufgelegt hatte.

Vielleicht konnte er mich nicht leiden oder ich hatte Mundgeruch oder so.

Ich wandte mich schließlich wieder meinen Pflegeeltern zu, die sich wirklich viel Mühe gaben, mir das Gefühl zu geben hier Willkommen zu sein.

"Das hier ist die Küche.", sagte Matthew, als er eine der Türen öffnete.

Wir standen vor einer Inselküche aus weißem Marmor, die irgendwie nicht wie eine Küche wirkte.

Sie wirkte sehr hell und einladend, jedoch auch etwas wie ein Ausstellungsstück.

Nicht ein Fleck war zu erkennen geschweige denn etwas, das herumlag.

Sie war schlicht makellos.

Benutzt sah sie jedenfalls nicht aus.

Ich hoffte, sie wussten wen sie sich hier ins Haus geholt hatten, denn ich war der tollpatsch schlechthin.

Wir gingen die nächste Türe durch und kamen in einem Raum, wo definitiv auch weiß die dominanteste Farbe war.

Weiße Sitzgelegenheiten befanden sich vor dem -natürlich- weißen Kamin, während ein riesiger Fernseher die andere Wand zierte.

Davor stand eine riesige, weiße Couch auf der weiße Decken lagen.

Trotz des überschusses an weiß schien alles sehr gemütlich zu sein.

"Hier ist die Bibliothek."

Brenda öffnete Flügeltüren und ich staunte nicht schlecht.

Bibliothek traf es wirklich auf's Wort genau, alle Wände waren voller Bücherregale und bildeten sogar Gänge.

Alles war voll mit Büchern und zu meiner Überraschung stand sogar ein roter Sessel in der Ecke.

Eine geschwungene, goldene Lampe stand daneben und diente wohl als Lesehilfe für Büchernächte.

Ergriffen bemerkte ich, dass die Fenster nicht wie üblich normales durchsichtites Glas waren, sondern farbiges Bruchglas, welches bunte Farben in den Raum warf.

Ich wusste schon jetzt das ich mich viel und oft hier drinnen verkriechen würde.

"Schön nicht?"

Begeistert nickte ich.

"Ich lese sehr gern.", warf ich dazu ein.

Brenda schmunzelte.

"Ich auch, sogar die Jungs. Matthew ist dafür eher nicht zu begeistern, außer es geht um die Aktienspalte in der Zeitung."

Wir gingen leise lachend wieder hinaus und Brenda schloss die Türen hinter sich.

Danach öffnete sie zwei Meter weiter vorne eine, die wieder in den Flur führte.

Wir stiegen die Treppen nach oben und lächelnd öffnete Brenda die erste Türe.

"Hier ist dein eigenes Badezimmer!"

Ich staunte nicht schlecht.

Eine eigene Badewanne, überhaupt eine Badewanne hatte ich nie gehabt.

"Das hier wird dich sicher mehr interessieren. Da hinten sind noch die Zimmer der Jungs und ganz oben ist das von meinem Mann und mir.

Gönn dir etwas Zeit für dich.

Bis später!"

Damit war sie verschwunden und ich drückte die Klinke nach unten.

Erstaunt blickte ich mein neues Zimmer an.

Eine Glasfront erstreckte sich über den riesigen Blumengarten, sogar eine Terrassentür erkannte ich.

Bein Bett war ein weißes Himmelbett, davor stand ein weißer Schreibtisch.

Beim näheren hinsehen erkannte ich ein MacBook.

Als Einzugsgeschenk stand in geschwungenen Lettern auf einem kleinen weißem Papier.

Wow.

Andächtig strich ich kurz mit meiner Hand über das mir so fremde Teil, als mir eine weitere Tür auffiel.

Als ich die Klinke herunter drückte, erkannte ich ein begehbares Kleiderzimmer.

Als Schrank konnte man dies nicht bezeichnen und ich hatte keine Ahnung, wie ich diesen befüllen sollte.

Dennoch öffnete ich meinen Koffer der schon bereit lag und richtete mich langsam ein.

Gerade als ich fertig war, klopfte es an der Tür.

Die weißen Haare von Ethan lugten hervor und freundlich lächelte er mich an.

"Möchtest du auch eine Pizza? Wir haben Hunger und würden bestellen."

Ich räusperte mich und blickte auf den Boden. Pizza klang hervorragend, nur herrschte absolute Ebbe in meinem Portemonnaie.

"Normal gern. Aber ich habe gerade kein Geld für..."

Ethan lachte.

"Ich nehm deine Pizza auf meinen Nacken, als Willkommensgeschek sozusagen."

Jetzt musste ich auch lachen.

"Danke!"

Gemeinsam betraten wir das Wohnzimmer und ich flenzte mich auf die Couch.

Gott sei Dank hatte ich mir eine gemütlichere Jogginghose und ein Top angezogen.

Ich mochte eben nun mal keine hautengen Klamotten, Jeans und so ein Zeug.

"Eigentlich wollte Noan auch Pizza bestellen, der kommt bestimmt noch. Mum und Dad mussten kurzfristig zu einem Kongress."

Entschuldigend zuckte er mit seinen Schultern.

Kurz kam mir der Verdacht, Brenda und Matthew hätten ihn dazu angestiftet, etwas mit mir zu unternehmen.

"Aber kommen wir zu dir. Du heißt Katharina?"

"Ich mag Kat mehr."

"Kat klingt cool. Also Kat, was machst du so?"

Ich räusperte mich. Eine interessante Person war ich nicht gerade und ich mochte es nicht, über mich selbst zu reden, geschweige denn, im Mittelpunkt zu stehen.

"Ich lese gerne und höre gern Musik. Das war es auch schon."

Ethan nickte und tippte auf seinem Handy herum.

"Welche Pizza magst du?"

"Eine Vegetarische, bitte."

Ethan grinste.

"Das wird Noan gefallen. Er ist auch Vegetarier. Wo steckt der eigentlich?"

Suchend blickte er sich um.

Als er ihn nirgendwo entdecken konnte, wandte er sich wieder mir zu.

"Wenigstens habe ich dann so Zeit mit einem schönen Mädchen für mich allein."

Ich lief rot an und stammelte ein danke, während Ethan mir aufmunternd zulächelte.

"Es ist schön, das einmal wieder neues Leben hier zuhause ist.

Wir werden uns bestimmt gut verstehen, du wirst sehen."

Ich lächelte und antwortete aufrichtig:

"Das glaube ich auch."

Ethan war nicht nur ungewöhnlich aufmerksam und nett, er sah auch noch gut aus mit den blonden Haaren und dem Tshirt, was seine Muskeln leicht betonte, aber nicht zu sehr als wollte er mit ihnen angeben.

Es war wirklich sehr einfach, Ethan zu mögen.

Kurze Zeit später traf auch schon die Pizza ein und gemeinsam genossen wir das fettige Essen.

Ich bemerkte, wie entspannt die Atmosphäre mit Ethan war, und schleckte mir gerade die Finger ab, während Ethan mir etwas über sein Hobby, das Skaten, erklärte - als plötzlich sein Bruder im Türrahmen auftauchte.

Er lehnte sich lässig mit einer Schulter gegen das Holz und sah zu uns herüber.

Peinlich beschämt ließ ich meinen Blick auf den fast leeren Karton auf meinem Schoß sinken und versuchte, die fettigen Finger an einer viel zu dünnen Serviette abzuwischen.

Ernsthaft, wie ich diese Dinger hasste.

Frustriert versuchte ich, möglichst unbemerkt, die Serviette auf den Tisch zu legen, aber es war ein Ding der Unmöglichkeit.

Sie klebte an meiner Hand, wie als wäre sie mit Sekundenkleber festgeklebt worden, und als Noan einen amüsierten Blick zu mir warf, schloss ich einfach schnell die Hand darum.

Peinlich berührt spürte ich, wie ich Rot wurde und wünschte, ich wäre bei ihm genauso locker wie bei Ethan.

Vielleicht lag es daran, dass ich spüren konnte das seine Begeisterung meinetwegen eher in Grenzen lag.

"Wo hast du nur gesteckt, alter?"

Er zuckte mit den Schultern und warf einen Blick auf unsere Kartons.

"Noch was da?"

Ethan nickte zu mir rüber.

"Sie hat noch was, und jetzt halt dich fest:

Sie isst vegetarisch!"

Noan schien diese Information jedoch gleichgültig zu sein.

Langsam kam er auf mich zu und suchte meine Augen.

Als er sie schließlich fand, hielt er meinen Blick fest.

Mir stockte der Atem.

Diese Augen waren unglaublich.

Es war schwer zu sagen, welches Auge von den beiden einen mehr in seinem Bann zog.

Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob die Augen echt waren und doch war ich dafür definitiv zu schüchtern.

Ich brachte ja jetzt schon keinen anständigen Satz zustande.

"Ne, danke."

Sofort machte er die Kehrtwende und ließ uns zurück, mich mit einem offenem Mund und Ethan mit den Achseln zuckend.

Meine Bestätigung, dass er etwas gegen mich hatte.

Was auch immer es war, ich würde ihn zur Rede stellen.

Irgendwann.

"Keine Sorge. Der ist immer so."

Ethan schnappte sich die Kartons und winkte mir noch einmal zu, dann war auch er verschwunden.

Ich beschloss, mir noch einmal den Fernseher anzumachen und durch die Kanäle zu zappen.

Etwa eine Stunde später ging ich nach meiner Abendroutine dann zu Bett und drehte mich die ganze Nacht, bis ich erfolglos aufgab und in die Kissen schrie.

Noan's Verhalten machte mir jedoch mehr zu schaffen, als es sollte - oder?

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