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Kapitel 3

Kapitel 3

Die starke Hand zog Amelia über das Geländer zurück. Ihr Körper prallte auf den nassen Beton der Brücke und ihre Lungen rangen nach Luft. Während sie dalag, hin- und hergerissen zwischen Dankbarkeit und Wut, dass jemand ihren Sturz aufgehalten hatte, prasselte Regen ihr ins Gesicht.

„Amelia? Mein Gott, bist du das?“

Die Stimme durchbrach den Sturm, vertraut und doch unmöglich. Sie blinzelte durch den Regen und versuchte, sich auf den Mann zu konzentrieren, der neben ihr kniete.

„Amelia Carter. Du bist es.“

Sie kniff die Augen zusammen, bis ihr Blick endlich klar genug war, um sein Gesicht zu erkennen. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag.

„Lucas?“ Ihre Stimme brach und war im Regen kaum zu hören.

Lucas County. Ihr Freund aus Kindertagen. Der Junge von nebenan, der ihr das Fahrradfahren beigebracht hatte, der sein Mittagessen mit ihr geteilt hatte, als die Tyrannen ihrs stahlen, der bei jedem aufgeschürften Knie und jedem Liebeskummer in der Teenagerzeit für sie da war, bis das College sie auseinanderbrachte.

Lucas, den sie seit 22 Jahren nicht gesehen hatte.

„Was machst du hier?“, flüsterte sie.

Er half ihr in eine sitzende Position und legte seine Hand auf ihren Rücken. „Ich fuhr vorbei. Ich sah jemanden am Geländer.“ Seine Augen, immer noch das gleiche tiefe Braun, an das sie sich erinnerte, musterten ihr Gesicht. „Was ist passiert, Amelia?“

Die Freundlichkeit in seiner Stimme zerriss etwas in ihr. Frische Tränen vermischten sich mit dem Regen auf ihren Wangen.

„Alles“, sagte sie. „Alles ist passiert.“

Lucas zog seinen Mantel aus und legte ihn um ihre zitternden Schultern. Der teure Stoff fühlte sich schwer und warm an, obwohl er durch den Regen durchnässt war.

„Komm“, sagte er sanft. „Wir bringen dich irgendwohin, wo es trocken ist.“

Sie wehrte sich nicht, als er ihr beim Aufstehen half. Ihre Beine waren wackelig. In der Nähe wartete ein eleganter schwarzer Wagen, der Motor lief, und die Scheinwerfer schnitten durch den Regen.

„Ist das deins?“, fragte sie.

Lucas nickte und führte sie dorthin. „Mein Fahrer ist gerade herumgefahren, während ich zurückgegangen bin, um mein Handy zu suchen. Ich glaube, ich habe es vorhin fallen lassen.“ Sein Arm lag fest um ihre Taille. „Gut, dass ich das getan habe.“

Die Autotür öffnete sich, als sie näherkamen. Ein uniformierter Fahrer wartete mit ausdruckslosem Gesicht, bis er Amelias durchnässte Erscheinung wahrnahm.

„Nach Hause, Herr County?“, fragte er.

„Ja, James. Und dreh bitte die Heizung höher.“

Im Wageninneren war es warm und die Ledersitze waren weich. Lucas saß neben ihr, nah, ohne sie zu berühren. Er ließ ihr Platz, blieb aber nah genug bei ihr, um sie aufzufangen, falls sie erneut stürzte.

Sie fuhren mehrere Minuten schweigend. Amelia starrte aus dem Fenster und beobachtete, wie die Lichter der Stadt miteinander verschwammen. Ihr Kopf fühlte sich leer an. Sie war zu erschöpft, um die bizarre Wendung zu verarbeiten, die ihre Freundin aus Kindertagen ausgerechnet in dieser Nacht wieder in ihr Leben gebracht hatte.

„Willst du darüber reden?“, fragte Lucas schließlich.

Sie drehte sich um und sah ihn zum ersten Mal richtig an. Die Jahre hatten ihm gutgetan. Sein Gesicht war reifer geworden, die Falten um seine Augen deuteten sowohl auf Lachen als auch auf Stress hin, doch er blieb attraktiv. Seine einst widerspenstigen braunen Locken waren nun kurz und ordentlich frisiert. Seine Kleidung, soweit sie sie unter dem Regenwasser erkennen konnte, zeugte von Reichtum und Geschmack.

„Mein Mann hat mich verlassen“, sagte sie und die Worte blieben ihr im Hals stecken. „Heute Abend. Bei unserem Jubiläumsessen. Für seine Sekretärin.“

Lucas' Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Richard, oder? Der BWL-Student?“

Sie nickte, überrascht, dass er sich erinnerte. „Zwanzig Jahre Ehe. Drei Kinder. Er sagte mir, meine Sachen seien gepackt und das Haus gehöre jetzt seiner Geliebten.“

Mit jedem Wort versank sie tiefer in der Realität. Neuer Schmerz keimte in ihrer Brust auf.

„Jesus, Amelia.“ Seine Hand fand ihre und wärmte ihre kalten Finger. „Es tut mir so leid.“

Diese schlichte Freundlichkeit brachte sie fast um: „Meine Kinder wussten es.“ Ihre Stimme brach. „Sie wussten es, und sie haben ihn ausgewählt. Sie haben ihm geholfen.“

Lucas' Griff wurde fester. Er gab keine leeren Plattitüden oder wertlosen Ratschläge von sich. Er hielt einfach ihre Hand, als ihr erneut die Tränen kamen, diesmal leiser. Der Sturm in ihr hatte sich vorübergehend gelegt.

Der Wagen bremste ab und fuhr durch ein massives Eisentor. Amelia blickte auf und keuchte leise, als sie das weitläufige Herrenhaus sah, das trotz der späten Stunde von geschmackvoller Landschaftsbeleuchtung erhellt wurde.

„Das ist deins?“, fragte sie.

Lucas nickte, ein Hauch von Verlegenheit in seinem Lächeln. „Ja, mein Zuhause.“

Der Wagen hielt vor dem Haupteingang. James öffnete die Tür und hielt ihnen beim Aussteigen einen Regenschirm über die Schulter. Der Regen hatte nachgelassen und war nur noch ein leichter Nieselregen, aber Amelia war bereits bis auf die Knochen durchnässt.

Als sie näherkamen, öffnete sich die Haustür. Drinnen wartete eine Frau mittleren Alters in einfacher, aber eleganter Kleidung.

„Frau Parker, könnten Sie bitte die östliche Gästesuite vorbereiten?“, fragte Lucas. „Und vielleicht ein paar trockene Sachen mitbringen?“

„Natürlich, Herr County.“ Der Blick der Frau verweilte neugierig auf Amelia, bevor sie davoneilte.

Das Foyer war atemberaubend: Marmorböden, eine geschwungene Treppe und ein Kristallleuchter, der alles in warmes Licht tauchte. Amelia stand triefend auf dem teuren Boden und fühlte sich klein und fehl am Platz.

„Komm schon“, sagte Lucas und legte sanft seine Hand auf ihren Ellbogen. „Lass uns dich aufwärmen.“

Er führte sie durch das Haus in ein Arbeitszimmer. In einem steinernen Kamin brannte ein Feuer und warf tanzende Schatten auf die holzgetäfelten Wände. Vom Boden bis zur Decke reichten die Bücherregale, die mit ledergebundenen Büchern gefüllt waren. Ein großer Schreibtisch dominierte einen Teil des Raumes, während bequeme Ledersessel das Feuer umgaben.

„Setz dich“, sagte er und führte sie zu dem Stuhl, der den Flammen am nächsten war. „Ich hole dir etwas zu trinken.“

Amelia sank in den Stuhl. Ihr ganzer Körper schmerzte vor Kälte und emotionaler Erschöpfung. Sie beobachtete, wie Lucas zu einem Sideboard ging, eine bernsteinfarbene Flüssigkeit in zwei Kristallgläser goss und diese zurückbrachte.

„Hier“, sagte er und reichte ihr eines. „Whisky. Die beste Medizin für so eine Nacht.“

Sie nahm einen kleinen Schluck. Der Alkohol brannte sich in ihrer Kehle und wärmte ihre Brust.

„Danke.“

Lucas saß ihr gegenüber und musterte sie über den Rand seines Glases hinweg. „Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen, Amelia? Bei deiner Hochzeit?“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du konntest nicht kommen, weißt du noch? Irgendwas wegen eines Start-ups in Kalifornien.“

„Stimmt.“ Er nickte langsam. „Das muss der Sommer nach dem College gewesen sein. Als du nach Hause kamst, um deine Eltern zu besuchen.“

„Vor zweiundzwanzig Jahren.“ Diese Erkenntnis hing zwischen ihnen, ein Maß für all das Leben, das sie in der Zwischenzeit gelebt hatten.

Lucas beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Und hier sind wir nun.“

„Da wären wir“, wiederholte sie und blickte sich in dem opulenten Raum um. „Es sieht so aus, als hättest du es ganz gut hinbekommen.“

Ein kleines, fast verlegenes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Das Startup in Kalifornien? Es hat sich besser entwickelt als erwartet.“

„Natürlich.“ Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Was genau machst du eigentlich, Lucas?“

„Heutzutage von allem etwas.“ Er schwenkte den Whisky in seinem Glas. „Angefangen habe ich mit Technologie, mit Software für Finanzsysteme. Das habe ich aufgebaut und verkauft, um das Geld für die Diversifizierung zu nutzen. Energie, Immobilien, Kommunikation.“

„Sie sind bescheiden“, sagte sie und bemerkte, wie er seinen Erfolg vorsichtig herunterspielte.

Sein Lächeln wurde etwas breiter. „Wenn du es unbedingt wissen willst: „Heute ist County Global das größte private Unternehmen der Welt.“

Amelia verschluckte sich fast an ihrem Whisky. „Bist du dieser Lucas County? Der Lucas County? Der, den sie den ‚Schattenkönig‘ nennen, weil dir die halbe Welt gehört, aber niemand dich je sieht?“

Er zuckte zusammen. „Ich hasse diesen Spitznamen. Aber ja, ich schulde der Anklage.“ Sein Blick traf ihren, plötzlich ernst. „Das Fortune-Magazin mag mich den reichsten Mann der Welt nennen, aber ich bin immer noch nur Lucas. Der Junge, der mit dir unter der Eiche zu Mittag gegessen hat und dir dabei geholfen hat, in Algebra zu bestehen.“

Bevor sie antworten konnte, kam Frau Parker mit einem Stapel gefalteter Kleidung zurück.

„Die sollten passen“, sagte sie und stellte die Kleidung auf einen Beistelltisch. „Die Gästesuite steht bereit, wann immer Sie sich ausruhen möchten, Frau …“

„Carter“, antwortete Amelia automatisch und zuckte zusammen. Bald würde das nicht mehr ihr Name sein. „Amelia.“

„Danke, Frau Parker“, sagte Lucas. „Das war’s für heute Abend.“

Die Frau nickte, ging und schloss leise die Tür hinter sich.

„Du solltest dich umziehen“, sagte Lucas. „In den nassen Klamotten holst du dir noch eine Lungenentzündung.“

Amelia blickte an sich herab und wurde sich plötzlich bewusst, wie sie aussehen musste: Ihre Haare klebten an ihrem Kopf, ihr Make-up war über ihre Wangen gelaufen und ihr Kleid klebte wie eine zweite Haut an ihr. „Wo kann ich …?“

„Da durch“, antwortete er und deutete auf eine Tür am anderen Ende des Arbeitszimmers. Er deutete auf eine Tür am anderen Ende des Arbeitszimmers. „Privates Badezimmer.“

Sie nahm ihre Kleidung und schlüpfte ins Badezimmer. Die Tür schloss sie hinter sich. Das Zimmer war größer als ihr Schlafzimmer – nein, es war nicht mehr ihr Schlafzimmer. Es war das Schlafzimmer, das bis heute Abend ihres gewesen war.

Allein dieser Gedanke schickte eine neue Schmerzwelle durch ihre Brust.

Sie zog ihre nassen Kleider aus und ließ sie in einem matschigen Haufen auf den Marmorboden fallen. Im Spiegel über dem Waschbecken sah sie eine Fremde, eine Frau mittleren Alters mit eingefallenen Augen und tiefen Trauerfalten im Gesicht. Dieses gebrochene Wesen konnte nicht Amelia Carter sein, die zwanzig Jahre damit verbracht hatte, ihre Rolle als Ehefrau und Mutter zu perfektionieren.

Aber sie war ja nicht mehr Amelia Carter, oder?

Die Kleidung, die Frau Parker ihr gegeben hatte, passte einigermaßen gut: weiche, graue Freizeithosen und ein blauer Kaschmirpullover. Schlicht, teuer, bequem. Amelia trocknete sich die Haare mit einem Handtuch, wusch sich das Gesicht und entfernte die letzten Reste des Make-ups, das sie so sorgfältig für das Jubiläumsessen aufgetragen hatte. All das fühlte sich an, als hätte es in einem anderen Leben stattgefunden.

Als sie ins Arbeitszimmer zurückkehrte, starrte Lucas mit abwesendem Gesichtsausdruck ins Feuer. Als sie eintrat, blickte er auf und ein leichtes Lächeln umspielte sein Gesicht.

„Besser?“, fragte er.

„Wenigstens wärmer.“ Sie kehrte zu ihrem Stuhl zurück und nahm das Whiskyglas wieder in die Hand. „Lucas, ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“

„Wofür?“

„Dass du da bist. Dass du mich hierhergebracht hast.“ Sie schluckte schwer. „Dass du mich vor dem Fallen gerettet hast.“

Verständnis verdunkelte seine Augen. Er griff über den Raum zwischen ihnen hinweg und nahm ihre Hand. „Wolltest du von einer Brücke stürzen, Amelia?“

Sie wandte den Blick ab, unfähig, ihm in die Augen zu sehen. „Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich bin ausgerutscht, aber ich weiß nicht, ob ich mich gewehrt hätte, wenn du mich nicht gepackt hättest.“

Seine Finger schlossen sich fester um ihre. „Ich bin froh, dass ich da war.“

„Warum warst du dort?“ Die Frage quälte sie: „Ausgerechnet in diesem Moment …“

Lucas ließ ihre Hand los und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich war auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung in der Innenstadt. Beim Einsteigen ins Auto ist mir mein Handy runtergefallen. Ich habe James gebeten, zurückzukommen und danach zu suchen.“ Er lächelte schwach. „Es stellte sich heraus, dass ich es die ganze Zeit in der Tasche hatte. Aber wenn ich nicht zurückgegangen wäre …“

Die Andeutung hing zwischen ihnen in der Luft.

„Vielleicht war es so bestimmt“, sagte Amelia, die nicht an Schicksal glaubte, sich den Zufall aber nicht anders erklären konnte.

„Vielleicht.“ Lucas trank seinen Whisky aus und stellte das Glas beiseite. „Wie auch immer, ich bin jetzt hier. Und du auch.“

„Was passiert als Nächstes?“ Die Frage entfuhr ihr, bevor sie sie zurückhalten konnte. Damit enthüllte sie die Angst, die unter ihrer Trauer lauerte, das furchterregende Unbekannte, das sich vor ihr ausbreitete.

Lucas betrachtete ihr Gesicht einen langen Moment. „Heute Nacht ruhst du dich aus. Morgen finden wir es heraus.“ Er beugte sich wieder vor. „Aber ich möchte, dass du etwas weißt, Amelia. Du bist nicht allein. Nicht mehr.“

„Du kennst mich kaum noch“, protestierte sie schwach. „Wir haben uns seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr gesehen.“

„Ich weiß genug.“ Seine Stimme war fest. „Ich weiß, du warst der netteste Mensch, den ich je getroffen habe. Ich weiß, du warst brillant, bevor Richard dich davon überzeugt hat, das Jurastudium abzubrechen. Ich weiß, du hast Besseres verdient als das, was heute Abend passiert ist.“

Wieder traten ihr Tränen in die Augen. „Lucas …“

„Bleib hier“, sagte er. „So lange du brauchst. Steh wieder auf. Finde heraus, was du willst. Was du wirklich willst, ohne dass Richard oder sonst jemand es dir sagt.“

Das Angebot war so großzügig und unerwartet, dass Amelia vorerst keine Worte fand.

„Du musst dich nicht sofort entscheiden“, fuhr Lucas fort. „Das Angebot steht nur noch.“

„Warum?“, flüsterte sie. „Warum tust du das für mich?“

Etwas flackerte in seinen Augen, eine Emotion, die sie nicht genau benennen konnte. „Weil du einmal der Einzige warst, der mich sehen konnte. Nicht der unbeholfene Stipendiat. Nicht das Gehirn, von dem die Leute die Hausaufgaben abgeschrieben haben. Nur Lucas.“ Er lächelte, und ein Hauch von Traurigkeit lag darin. „Manche Schulden kann man nie zurückzahlen.“

Amelia spürte eine seltsame Wärme in ihrer Brust, die sich von der Hitze des Whiskys oder des Feuers unterschied. Zum ersten Mal, seit Richard mit Charlotte das Restaurant betreten hatte, fühlte sie etwas anderes als Schmerz und Demütigung.

Sie fühlte sich gesehen.

„Danke“, sagte sie einfach.

Lucas nickte mit verständnisvollen Augen. „Es ist spät. Du solltest dich ausruhen.“

Während er ihr die Gästesuite zeigte, die größer und luxuriöser war als jedes Hotelzimmer, in dem sie je übernachtet hatte, fragte sich Amelia, was der nächste Tag bringen würde. Der Schmerz war immer noch da, roh und pochend unter der Oberfläche. Aber etwas anderes hatte begonnen, sich neben ihm festzusetzen.

Ein winziger Same der Möglichkeit.

Sie schloss die Tür zur Gästesuite und lehnte sich dagegen. Erschöpfung überkam sie. Das Kingsize-Bett sah unglaublich einladend aus. Die Laken waren aufgeschlagen. Ein Glas Wasser und zwei Tabletten, vermutlich Aspirin, warteten auf dem Nachttisch.

Amelia schluckte die Tabletten und kletterte ins Bett. Ihr Körper sank in die Matratze, als wäre sie genau für sie gemacht. Als der Schlaf sie übermannte, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf.

Vor zwanzig Jahren hatte sie Richard ihren eigenen Träumen vorgezogen. Sie hatte sich seinen Wünschen, den Bedürfnissen ihrer Kinder und den Erwartungen der Gesellschaft angepasst. Sie war zu Amelia Carter geworden – der perfekten Ehefrau und Mutter. Dabei hatte sie die Frau, die sie hätte sein können, begraben.

Vielleicht war es für diese Frau an der Zeit, wieder aufzuerstehen.

In der Dunkelheit des Gästezimmers bei Lucas County, in derselben Nacht, in der ihr Mann ihre Welt zerstört hatte, erlaubte sich Amelia für einen Moment vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, sie wieder aufzubauen – nicht für Richard, nicht für ihre Kinder, sondern für sich selbst.

Und zum ersten Mal seit zwanzig Jahren sah die Zukunft nicht wie eine Gefängnisstrafe aus.

Es sah nach Freiheit aus.

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