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Kapitel 2

Meine Gedanken wanderten zurück zu Annabell. Warum kam der Alpha ausgerechnet hier her? Gab es irgendwelche Probleme in den Rudeln, um die er sich kümmern musste? Wenn ja, konnte ich verstehen, weshalb ich mich fernhalten sollte. Eine Omega wie ich hätte ihn nur aufregen und sicher wollte das niemand riskieren. Ich hatte kein Problem damit in meiner Wohnung zu bleiben. Gähnend lehnte ich mich mehr in das heiße Wasser. Am liebsten würde ich ewig hier liegen. Morgen wäre mein freier Tag und ich würde mir einen schönen Film anmachen, etwas Kleines kochen und meine Wohnung nicht verlassen.

Ein wenig wehmütig musste ich daran denken, dass mich hier ohnehin niemand sehen wollte. Mein Blick wanderte über meinen von Narben übersäten Körper. Die Folge meiner Fluchtversuche aus dieser grässlichen Stadt. Mein Wille von hier zu verschwinden war zwar immer noch da, aber der Mut dazu fehlte. Ich wusste nicht, ob ich solche Schmerzen noch einmal ertragen könnte. Genervt schüttelte ich diese Gedanken ab. Ich sollte mich entspannen und nicht wieder über Dinge nachdenken, die ich nicht ändern konnte.

Eingekuschelt in meinem wärmsten Pullover und einem frischen Paar Wollsocken machte ich es mir vor meinem kleinen Fernseher gemütlich und ließ mich vom Abendprogramm berieseln.

Bis ein Klopfen meine Aufmerksamkeit auf die Tür lenkte. Merkwürdig. Ich bekam nie Besuch, also egal wer dort war, es konnte niemand Gutes sein.

Leise stand ich auf und bewegte mich vorsichtig Richtung Flur. Angestrengt versuchte ich meine Nase dazu zu bewegen, den Geruch der Person vor der Tür zu erkennen, doch er kam mir nicht bekannt vor. Meine Nase sagte mir bloß, dass es ein Mann sein musste. Noch ein Indiz dafür, was für eine schwache Wölfin ich war.

Beim Mond, wer konnte das sein?

Wieder klopfte es.

»Miss, ich weiß, dass Sie hier sind. Machen Sie bitte die Tür auf.«

Ja, definitiv ein fremder Mann. Mein Herz begann wie wild zu klopfen. Nein, er musste sich in der Tür geirrt haben. Er konnte nicht zu mir wollen.

»Miss Elisabeth Scott, bitte machen Sie die Tür auf.«

Wie erstarrt stand ich da. Er meinte also tatsächlich mich. Was hatte ich getan? Hatte sich irgendjemand über mich beschwert? Oh Göttin, ich durfte die Tür nicht öffnen.

Alles in mir schrie danach, mich irgendwo zu verstecken, denn er würde mir sicher etwas antun.

»Miss, der Alpha möchte Sie sehen. Bitte kommen Sie jetzt sofort raus«, drängte der Mann wieder.

Ja, definitiv Zeit für Panik.

Mein Vater hatte mir mehr als einmal gezeigt, was geschah, wenn ein Alpha eine Omega sah. Er würde mich töten oder noch viel Schlimmeres mit mir an-stellen.

Früher hatte meine Mutter mir immer wunderbare Märchen über Omegas erzählt. Dass sie etwas besonders seien, dass sie geschätzt wurden. Doch nach ihrem Tod durfte ich schmerzhaft erfahren, dass sie eben nur das gewesen waren. Märchen.

Ich konnte das nicht mehr. Ein Alpha war eine Sache, aber zwei? Lieber starb ich selbst. Es war eine Kurzschlussreaktion. Ohne darüber nachzudenken, rannte ich in die Küche und holte mir eines meiner Silbermesser. Eines war immer in meiner Wohnung.

»Elisabeth Scott, machen Sie sofort die Tür auf!«

Hörte ich da Panik in seiner Stimme? Mittlerweile war mir das egal.

»Das kannst du vergessen«, sagte ich trocken. Ich wusste nicht, woher das kam, aber mir war gleichgültig, ob er dafür Ärger bekommen würde.

Seine Stimme ertönte erneut, aber da hatte ich mir mit dem Messer bereits den ersten tiefen Schnitt zu-gefügt. Mein Arm begann bereits wie verrückt zu brennen, eine Folge des Silbers. Die Wunde würde so langsam verheilen, wie bei einem Menschen und während das Blut über meinen Arm lief, machte ich mit zitternden Händen schon den nächsten Schnitt. Benommen hörte ich, wie die Haustür aufgebrochen wurde und sah einen hochgewachsenen Mann auf mich zu rennen. Ich hätte wegrennen sollen, aber mein Körper bewegte sich nicht mehr. Irgendwie war ich auf dem Boden gelandet. Der Mund des Mannes bewegte sich, ich konnte aber nicht hören, was er sagte. Stattdessen spürte ich, wie etwas gegen meine Schnitte gedrückt wurde und sah mit verschwommenem Blick, dass der Mann Stofffetzen um meine Arme band. Wollte er die Blutung stoppen? Versuchte er wirklich mich zu retten? Wollte er mich heil zum Alpha bringen, damit nur er mich quälen konnte? Halbherzig versuchte ich mich zu wehren, aber es brachte nichts. Er war viel stärker als ich. Ich konnte spüren, dass ich hochgehoben wurde. Er trug mich schnell, aber dennoch vorsichtig die Treppe runter und nach kurzer Zeit wurde ich auf einer weichen Unterlage abgelegt. Der Raum um mich herum begann sich schaukelnd zu bewegen. Wahrscheinlich ein Auto, aber meine Augen aufzumachen war einfach zu schwer.

Ich wollte nur schlafen.

In meinen Augen bildeten sich Tränen. Mit viel Willenskraft versuchte ich sie wegzublinzeln, während vor meinen Augen das lächelnde Gesicht meiner Mutter erschien. Diese warmen braunen Augen, die ich so sehr vermisst hatte. Augen, die meinen so ähnlich waren. Meine Mama…

Ich wollte einfach nur zu ihr. Sie sollte mich um-armen, denn bei ihr war ich sicher.

»Nicht einschlafen! Der Alpha möchte dich sehen und er wird verdammt nochmal nicht begeistern da-von sein, was du getan hast!«

Er fasst mich am Arm und holte mich mit diesem Schmerz zurück in die Realität. Stöhnend wand ich mich.

»Keine Sorge, wir sind bald da. Halte durch Kleines.«

Aber ich machte mir Sorgen. Egal wohin wir fuhren, ich wollte da nicht hin.

Wieso konnte ich nicht einfach ein entspanntes Wochenende haben? Er hätte mich in meiner Wohnung lassen sollen.

Wieder hörte ich seine energische Stimme, aber die Worte drangen nicht mehr zu mir durch. Die Dunkelheit kam und ich hieß sie mehr als nur willkommen.

Einfach nur Schlaf und Ruhe…

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