Kapitel 2 Wie wär's, wenn wir das von vor drei Jahren einfach nachholen?
Die spöttische Stimme drang durchs Telefon, und Ina brauchte einen Moment, um zu begreifen.
"Armin, dein kleiner Bruder hat mich gerade abgezogen, bist du jetzt dran, oder was?"
Am anderen Ende der Leitung war Armin, Ottos leiblicher Bruder.
Als Ina damals mit Otto zusammenkam, hatte Armin ihr nie einen freundlichen Blick gegönnt.
"Einmal versetzt worden und du jammerst schon? Wo ist denn dein sonst so großspuriger Mut geblieben?" Armins Stimme war träge und voller Hohn.
Ina hatte ein kurzes Temperament, reizen durfte man sie nicht.
"Fein. Dann komm ich eben. Aber selbst wenn, das Standesamt hat längst zu."
"Darum brauchst du dich nicht kümmern." Armins Ton war kühl, endgültig.
Zwanzig Minuten später.
Ina stand erneut vor dem Eingang des Standesamts. Armin kam ihr entgegen, groß, elegant, mit einer Präsenz, die einen förmlich zurückweichen ließ.
Er war makellos schön. Ein Gesicht, das einem den Atem raubte.
Otto galt schon als außergewöhnlich gut aussehend, doch im Vergleich zu Armin verblasste er komplett.
"Du bist wirklich gekommen." Armin verzog die Lippen, seine Augen blitzten verschmitzt, mit einem Hauch gefährlicher Arroganz.
Ina hatte ihre Trotz-Haltung vom Telefon längst etwas verloren. Vor ihm wirkte ihr Trotz plötzlich kleiner.
"Bringt doch eh nichts. Die Türen sind schon halb geschlossen."
Armin hob die Augenbrauen und blickte zur Tür hinter ihr. Seine Stimme war tief: "Wirklich bereit, mit mir zu heiraten?"
"Wenn du keine Angst hast, warum sollte ich welche haben?", gab Ina zurück, ohne zu blinzeln.
Sollte sich hier jemand Sorgen machen, dann er. Immerhin war er Ottos leiblicher Bruder.
"Mutig."
Ein kaum wahrnehmbares Funkeln von Anerkennung blitzte in Armins Blick auf. Er griff nach ihrem Handgelenk und zog sie mit sich hinein.
Ina blieb abrupt stehen. Geht er… wirklich ernsthaft rein?
Armin drehte sich um, ein spöttisch hochgezogenes Augenbrauenpaar. "Was ist? Doch kalte Füße?"
Ina zögerte kurz. "Warum willst du mich überhaupt heiraten? Du magst mich nicht mal."
Armin schnaubte leise. "Heiraten muss man ohnehin. Warum Zeit verschwenden? Wenn die Familie zufrieden ist, reicht das."
Ina schwieg.
Stimmt. Wegen der jahrzehntelangen Verbindung der Familien mochte ihn sowohl Vater Josef, Mutter Finja, sogar der Großvater Kasper, sie alle mochten sie.
Keine zehn Minuten später.
Sie traten wieder heraus. Jeder von ihnen hielt ein rotes Heft in der Hand, die Heiratsurkunde.
Ina starrte auf das Dokument und spürte eine surreale Leere.
Vor wenigen Stunden hatte sie noch geplant, Otto zu heiraten.
Jetzt stand dort Armins Name neben ihrem.
Armins Stimme durchschnitt ihre Gedanken, kühl und nüchtern: "Bereuen bringt nichts. Selbst wenn du jetzt wieder reingehst, Scheidung gibt’s erst nach einem Monat Wartefrist."
Unheilvoll.
Kaum verheiratet, spricht er schon von Scheidung. Wer redet hier von Scheidung?!
Ina warf ihm einen genervten Blick zu, hielt ihre Stimme jedoch höflich: "Solange du es nicht bereust, Armin."
Sie wollte die Treppe hinunter, doch plötzlich streckte Armin den Arm aus und zog sie mit einem Ruck in seine Arme.
Ina prallte gegen seine Brust. Mit ihren 1,67 wirkte sie neben ihm deutlich kleiner.
Sein Duft, ein kühler Hauch von Zedernholz, legte sich in ihre Sinne und ließ ihr Herz unwillkürlich stolpern.
Ihr Gesicht war hochrot.
"Wohin willst du?" Armins tiefe, magnetische Stimme erklang knapp über ihrem Kopf.
Ina brauchte einen Moment, um ihren Herzschlag zu zügeln und gleichmäßig zu atmen. "Nach Hause."
"Kaum verheiratet, willst du dich schon von deinem Ehemann trennen?"
Armin senkte den Blick. Seine Augen glitten über ihre Wimpern, dunkel wie Rabenfedern, die bei jedem Blinzeln leicht zuckten. Ihre Haut war hell, doch von einem feinen Rosa überzogen, unschuldig, kühl, und gleichzeitig gefährlich verführerisch.
"…Hab ich vergessen."
Als Ina den Kopf hob und seinem Blick begegnete, bemerkte sie nicht das tiefe, dunkle Flimmern in seinen Augen.
Armin wandte sich ohne Regung ab und ließ sie los. "Komm mit."
Ohne weitere Erklärung ging er die Treppe hinab. Ina zögerte keine Sekunde und folgte ihm.
Jetzt waren sie eh legal verheiratet. Was sollte schon passieren, verkaufen würde er sie kaum.
Und ganz ehrlich, ihren Ex zum Schwager zu machen, war allein schon Genugtuung genug.
…
Kupferbucht, Mid-Levels, Port City.
Eine Villa am Hang, in einer Gegend, wo jeder Quadratmeter wie Gold gehandelt wurde. Die Einrichtung wirkte schlicht, aber jeder Blick verriet diskrete, teure Eleganz.
Ina blieb mitten im großzügigen Wohnzimmer stehen und sah fragend zu Armin.
"Und das ist…?"
"Euer Zuhause." Armin sprach knapp. "Hier wohnst du ab jetzt."
"Und du?", rutschte Ina fast automatisch heraus.
Armins Augenbrauen hoben sich minimal. Sein Blick war kühl. "Schon so benebelt, dass du nicht mal mehr weißt, was Ehehaus bedeutet?"
Natürlich wohnte er hier.
Ina verzog den Mund. Typisch. Noch genauso giftig wie vor zehn Jahren.
Kein bisschen charmant.
Armin gab der Haushälterin, Gabriele, einen knappen Befehl, Ina herumzuführen, und verschwand selbst nach oben.
Ina atmete hörbar aus. Dieser Mann bewegt sich, als hätte jeder ihm Schulden.
Gabriele führte sie durch das Anwesen. Erst da begriff Ina, wie riesig dieser Ort war, fünf Stockwerke, ein eigener Aufzug, zehn Angestellte, alle frisch eingearbeitet.
Aus Gabrieles Erzählungen erfuhr Ina, dass Armin erst heute Morgen aus dem Ausland zurückgekehrt war.
Ina stockte. Gerade zurück, und trotzdem wusste er sofort, dass Otto sie versetzt hatte?
Hat er sie nur geheiratet, um diese Sache von damals… zurückzugeben?
Sie wollte ihn zur Rede stellen, doch man sagte ihr, er sei im Arbeitszimmer beschäftigt.
Also wartete sie.
Und wartete.
Irgendwann schlief sie, halb auf dem Sofa im Hauptschlafzimmer zusammengerollt, einfach ein.
Erst als sie eine Bewegung auf sich spürte, öffnete Ina benommen die Augen, und Armins markant schönes Gesicht war direkt vor ihr.
"Was machst du da?"
Ina hielt schlagartig die Luft an und verschränkte instinktiv die Arme vor der Brust, als würde sie sich verteidigen.
Armin zog beiläufig die Decke von ihr weg, seine Stimme kühl und spöttisch:
"Beruhig dich. So ausgehungert bin ich nicht, dass mich ein körperlich… unterentwickeltes Mädchen interessieren würde."
Ein Funke schoss ihr in den Kopf. "Ich bin nicht mehr wie vor drei Jahren. Ich habe sehr wohl entwickelt, okay?!"
Sie schnappte sich Armins Hand und wollte sie trotzig an die Stelle drücken, die eindeutig beweisen würde…
Doch im letzten Moment kam ihr der Verstand zurück, und sie ließ abrupt los.
Bin ich irre geworden?!
Fünf Jahre mit Otto, und nicht einmal ein Kuss. Und jetzt wäre sie fast…
Als sie merkte, wie ihre Wangen bis zu den Ohrspitzen brannten, hob Armin langsam die Lippen, ganz bewusst provozierend.
"Warum hörst du auf? Angst, dass man merkt, dass da doch nicht viel zu fühlen ist?"
Inas Gesicht war heiß wie Feuer. Wütend stieß sie ihn weg. "Selbst wenn es so wäre, geht dich gar nichts an!"
Sie wollte aufspringen, doch im nächsten Moment drückte er sie erneut zurück. Ihr Rücken fiel wieder gegen die Sofalehne.
Sie versuchte sich zu befreien, doch Armin beugte sich tief über sie, sein Schatten dominierend, seine Aura wie ein enger Käfig.
"Ina…"
Seine Stimme war tief, warm, ein gefährliches Flüstern, das direkt in ihre Knochen kroch. "Du hattest den Mut, mich zu heiraten, aber jetzt fehlts dir an Mut weiterzumachen?"
Eleganter Schnitt, aufgeknöpfter Kragen, die sichtbare, sexy Kehle, seine kultivierte Erscheinung überlagerte nur knapp das Raubtier in seinen Augen.
Ein Bild von vor drei Jahren blitzte vor Inas innerem Auge auf.
Erfahrung hatte sie keine. Aber gehört… oder gesehen… hatte sie durchaus.
In einem Anflug von Hitze packte sie sein Hemd am Kragen und zog ihn nach unten, ihr Mund traf seine Lippen.
Ina stürzte sich drauf, als hätte sie Übung, doch alles an ihr war unbeholfen, holprig, ihre Zähne stießen mehrmals gegen seine.
Armins Blick wurde augenblicklich dunkler, die Adern an seinem Hals traten leicht hervor.
"Weißt du überhaupt, was du da tust?", presste er hervor, beherrscht und tief.
"Natürlich. Ich mach dich fertig," keuchte Ina trotzig zwischen zwei unkoordinierten Küssen. "Oder… hast du Angst?"
Sie sah ihn herausfordernd an, nur um zu beweisen, dass er sie wieder nur neckte wie damals.
"Bereu’s nicht."
Armin senkte den Kopf.
Der Kuss kippte, wurde gierig, tief. Er nahm ihr den Atem, seine Hitze brannte sich durch Stoff und Haut.
Seine Stimme zerfloss in ihrem Ohr, dunkel, verführerisch und gefährlich nah an einem Versprechen.
"Wie wär’s, wenn wir das beenden… was wir vor drei Jahren angefangen haben?"
