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Geschärfte Sinne

Erschrocken riss ich meine Augen auf und stellte fest, dass es schon dunkel war. Hab ich doch geschlafen?

Überraschender Weise konnte ich in der Dunkelheit sehr gut sehen und alles erkennen. Fasziniert davon, stand ich auf und kroch unter der Wurzel hervor.

Wie cool ist das denn?! Ich konnte bei Nacht fast so gut sehen, wie bei Tag!

Während ich mich freudig umsah, riss etwas meine Aufmerksamkeit an sich.

Es war ein Becher aus Blätter geformt, der neben der Wurzel, unter der ich geschlafen hatte stand.

Neugierig näherte ich mich und sah bei genauerem Hinsehen einen kleinen Zettel, der unter dem Becher befestigt war. Um mir sicher zu gehen, dass ich nicht beobachtet wurde, schaute ich mich genau um. Ich sah hinter jeden Busch und jede Wurzel. Aber finden konnte ich niemanden. Sobald ich mir sicher war, dass ich alleine war, widmete ich mich dem Becher und dem Zettelchen.

Vorsichtig hob ich den Becher an, um den Zettel hervor zu ziehen. Fast nervös faltete ich ihn mit leicht zittrigen Fingern auf.

Trink das, dann geht's dir bald besser.

Besser?

Aber mir gehts doch gut. Kaum hatte ich das gedacht, bemerkte ich, wie schwach mein Körper eigentlich war. Erschöpft von den paar Schritten, die ich getan hatte, liess ich mich am Baumstamm entlang auf den Boden sinken. Als ich meinen Kopf stützen wollte, spürte ich, wie heiss er war und zuckte mit der Hand erschrocken zurück.

Diese Temperatur ist doch nicht normal..

Ich könnte wortwörtlich ein Spiegelei auf meiner Stirn braten! Meine zittrige Hand streckte ich nach dem Becher aus und hob ihn vorsichtig an. Langsam, um nichts vom Inhalt zu verschütten, bewegte ich ihn zu meinem Mund.

Dann machte ich einen Fehler. Ich roch daran und hatte fast den gesamten Inhalt ausgeschüttet.

Phua, verdammt, stinkt das..!

Dieses Zeug hatte einen widerlichen Gestank, welches mir fast meine Nasenhaare weggeätzt hätte. Mein Instinkt sagte mir aber, dass ich dieses widerliche Zeug trinken sollte. So kam es, dass ich mir mit meiner freien Hand die Nase zu hielt, während ich den verbliebenen Rest des Tranks hinunter würgte. Er schmeckte abscheulich.

Kurz dachte ich, dass mein Magen rebellieren würde, doch es war nur ein Rülpser, der seinen Weg ins Freie suchte.

Tatsächlich ging es mir nach ein paar Minuten ein bisschen besser. Hätte ich doch nicht fast alles verschüttet.. dann ginge es mir jetzt bestimmt blendend.

Vorsichtshalber legte ich mich wieder unter die Wurzel und liess meinen Körper zur Ruhe kommen.

Als es hell wurde, wurde ich vom Gezwitscher der Vögel geweckt.

Halbwegs ausgeruht streckte ich mich so gut es ging und blieb noch ein bisschen liegen. Das Fieber hatte sich leicht gesenkt und war an den normalen Fiebertemperaturen nahe gekommen.

Jetzt waren es bestimmt nur noch 45 Grad. Überraschender Weise fit für diese Temperatur kroch ich doch unter der Wurzel hervor und streckte mich richtig ausgiebig. Das erste, was mir auffiel, als ich mich fertig gestreckt hatte war, dass meine Sehkraft besser geworden war.

Ich hatte schon immer gute Augen und oft mehr gesehen, als andere Leute, doch jetzt sah ich jedes kleine Detail gestochen scharf und sah soweit meine Sicht reichte. Träume ich etwa? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies in echt geschah und war fast überzeugt, dass ich träumte. Um mir sicher zu gehen, das dies nicht echt war, kniff ich mir in den Arm. Autsch..! Nichts geschah. Das hiess, ich war schon wach.

Um nicht durch zu drehen, setzte ich mich hin und schloss die Augen. Ich musste ich zuerst sammeln, bevor ich meine super Sehkraft ausprobierte.

Da hörte ich ein sanftes Kratzen von kleinen Beinchen übers Holz.

Was soll das?! Erschrocken öffnete ich meine Augen und versuchte zu sehen, was ich gehört hatte.

Auf den ersten Blick fand ich nichts.

Doch dann, als ich meinen Kopf in die Richtung drehte, aus welcher das Kratzen kam, konnte ich sehen, wie ein Käfer den Baumstamm hoch kletterte.

Ach du scheisse!!

Ungläubig schüttelte ich den Kopf, was nicht die beste Idee war, denn dieser begann wegen dem Fieber sofort stark zu pochen. Mit beiden Händen drückte ich gegen meine Stirn, in der Hoffnung, dass das Pochen aufhören würde.

Rhianna, du wirst noch wahnsinnig..

Ich ermahnte mich selbst, die Ruhe zu bewahren und mich zu konzentrieren.

Nach einigen Minuten schwächte das Pochen ab, blieb aber noch sanft präsent. Tief durchatmend schloss ich meine Augen und lehnte den Kopf an den Baum hinter mir.

Sobald ich meine Ruhe gefunden hatte, hörte ich das Plätschern eines Baches, welcher bestimmt einige hundert Meter entfernt war. Des weiteren hörte ich das Schlagen der Flügel eines Vogels, der hoch oben an mir vorbei flog. Das Krabbeln der Käfer, die auf dem Boden oder den Bäumen hin und her liefen.

Ein Rascheln eines Busches, welches mich erschrocken aus meiner Ruhe riss.

Mit grossen Augen suchte ich die Umgebung ab, konnte auf den ersten Blick aber nichts erkennen. Such dir einen anderen Ort.

Dieser Gedanke schlich sich durch meinen Kopf. So stand ich auf und lief zu dem kleinen Bach, welchen ich vorhin gehört hatte. An diesem lief ich eine Weile entlang, bis das Fieber mich dazu drängte, eine Rast einzulegen.

Schwer atmend und Schweiss durchnässt setzte ich mich auf einen grossen Stein, der am Bachufer lag und tauchte meine Füsse ins Wasser. So blieb ich, bis sich das Fieber leicht gesenkt hatte. Kaum ging es mir besser, trieb ich mich wieder vorwärts. Ich musste eine passende Stelle zum Schlafen finden, bevor es dunkel werden würde. Mit schmerzenden Gliedern bewegte ich mich mühselig voran. Die Dunkelheit brach früher ein, als ich vermutet hatte, was hiess, ich hatte mich mit der Zeit verschätzt. Mein Zeitgefühl war immer ein bisschen ungenau gewesen.

Und jetzt ohne Uhr war es noch schwieriger zu sagen, wie spät es war.

Ich hatte völlig vergessen, dass ich jetzt bei Nacht bestens sehen konnte! Es kam mir wieder in den Sinn, als es schon ziemlich dunkel war und ich keinerlei Mühe hatte, etwas zu sehen. Trotzdem suchte ich mir eine geeignete Stelle, um zu schlafen. Denn ich war fix und fertig von dem ganzen Tag. Dazu kam, dass das Fieber wieder die Oberhand gewann und mich zwang zu ruhen.

Schneller als mir lieb war, ging die Sonne wieder auf und ein neuer Tag begann.

Gezwungenermassen stand ich mit überraschender Leichtigkeit auf. Mein Magen knurrte als gäbe es kein morgen mehr. Gut, ich hatte auch den ganzen gestrigen Tag nichts gegessen. Beim tief einatmend, während ich mich streckte, fuhr mir ein Geruch in die Nase.

Essen! Als wäre es ganz normal, dass ich über eine grosse Distanz etwas zu Futtern gerochen hatte, machte ich mich auf leisen Sohlen auf den Weg. Tatsächlich fand ich fünf Minuten später einen grossen Strauch voller Brombeeren. Zunächst skeptisch näherte ich mich den Beeren.

Ich pflückte eine und hob sie mir unter die Nase. Vorsichtig schnüffelte ich daran und das Wasser in meinem Mund fing an zu laufen, wie ein Wasserfall.

Mein Instinkt sagte mir, dass ich diese Beeren problemlos essen konnte.

Und diesmal verliess ich mich darauf.

Sobald ich mir den Bauch vollgestopft hatte, machte ich mich weiter auf den Weg nach einem geeigneten Unterschlupf.

Irgendwann musste ich an die Lektion denken, in welcher unser Lehrer über die Verwandlung gesprochen hatte. „Dies ist aber nicht zu vergleichen mit den Bastards.", hatte er gesagt und direkt mich angeschaut. Ich hatte unseren Lehrer gehasst. Er zeigte mir immer, was er von Bastarden hielt und behandelte mich dementsprechend. Also wie Abschaum.

„Bei jemandem, der ein Bastard ist, kommt es vielleicht gar nie zu einer Verwandlung. Bei den meisten verschärfen sich einfach die Sinne und damit hat's sich. Bei ganz seltenen Fällen, konnten sie sich verwandeln, jedoch waren ihre Sinne genau so schlecht, wie bei normalen Menschen.

Das heisst man hat so oder so verloren.

Entweder ein Mensch mit besseren Sinnen oder ein schwacher Wolf."

Ich hatte sein vor Hass verzogenes Gesicht ganz deutlich vor mir. Sogar wie er alles spöttisch betonte, hörte ich in meinen Gedanken. Na toll, ich werde wohl nie ein Wolf sein. Mein Traum zu einem Rudel zu gehören ging zu Brüche.

Doch das war nichts Neues.

Die Leute in dem Dorf, in welchem ich aufwuchs, sagten alle, dass ich mich nie verwandeln könnte. Warum die das sagten?

Weil ich schon als kleines Mädchen bessere Sinne als die anderen Kinder hatte. Ich hatte damals schon genau so gute Sinne, wie die erwachsenen Wölfe in unserem Dorf. Deshalb sagten mir immer alle, dass ich nie einem Rudel angehören werde.

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