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Kapitel 3 Nicks Welt: Der erste Tag

Nicks Welt

Es war Schlafenszeit im Hause Matoni. Ich schlich, mit meinen acht Jahren, in die Küche um mir etwas zu trinken zu holen. Es knackte. Oh nein, wenn mein Vater mich hier Unten erwischt, dann setzt es was. Schnell lief ich die Treppe nach Oben um mich in mein Bett zu legen, da blieb ich abrupt stehen. Es Knackte erneut. Nein, es war vielmehr ein Knistern zu hören und dieser Geruch ... Meine Augen weiteten sich. Rauch ... es ist der Geruch von Rauch. Wenn ich einen Geruch genau kannte, dann diesen. Meine Mutter und Schwester hatten beide die Fähigkeit der Feuerkontrolle. Aufgeregt rannte ich zum Zimmer meiner Mutter. Als ich die Tür öffnete, schlug mir bereits eine Welle sengenden Feuers entgegen. „Mama!“, schrie ich aus Leibeskräften. Ich sah ihre weit aufgerissenen schmerzverzerrten blauen Augen, die mich ansahen. Ihre Haut färbte sich allmählich schwarz ...

Schweißgebadet fuhr ich in meinem Bett nach Oben und atmete hastig ein und aus. Verdammt, jede Nacht der gleiche Traum. Das Zimmer in dem ich schlief, war zugestellt mit Umzugskartons. Mein Vater, meine Schwester und ich schliefen übergangsweise im Areal des Hexenzirkels. Doch schon bald würden wir ein würdiges Anwesen zugewiesen bekommen. Mein Vater hoffte hier in Grandwood eine geeignete Frau für sich zu finden, da seine Verlobung in unserer alten Stadt geplatzt war. Alleinstehende Männer waren aufgrund ihrer fehlenden Zauberkräfte nicht besonders angesehen. Man hatte nur zusammen mit einer Frau die Chance einen Hexenzirkel anzuführen. Und nicht weniger wurde von der glorreichen Familie Matoni erwartet. Die Matonis waren zum Führen geboren. Das war schon immer so. Geschafft strich ich meine schwarzen, von Schweiß nassen Haare aus dem Gesicht und begab mich ins Badezimmer. Schon wieder dieser Traum. Darauf konnte ich echt verzichten.

Ich stellte mich unter die Dusche und versuchte den Traum irgendwie aus meinem Kopf herauszuspülen. Es war eine Wohltat das warme reinigende Nass auf dem Körper zu spüren. Als ich fertig war, stellte ich mich vor den großen Badspiegel und steilte mein Haar. Heute war mein erster Tag an der neuen Schule und ich wollte nicht weniger als perfekt aussehen. In dem Moment fiel mir ein längs über meine linke Seite verlaufender roter Striemen auf. „Der Arsch hat es mal wieder übertrieben“, murmelte ich wütend. Hoffentlich bleibt da keine Narbe zurück. Es war eine Sache Narben auf dem Rücken zu haben, die musste ich zumindest nicht jeden Tag ansehen, doch auf dem Bauch ... „Sie sehen wahrlich gut aus, Master“, erklang aus dem Nichts die piepsige Stimme meiner Haushälterin, welche mein selbstverliebtes Gebaren mit angesehen hatte. Tricksi hatte die Fähigkeit sich unsichtbar zu machen. Erschrocken drehte ich mich um. „Verdammt Tricksi, was soll das?“, schrie ich und suchte den Raum hastig nach einem Handtuch ab. Der Badschrank, am anderen Ende des Bades öffnete sich und heraus kam ein Handtuch, welches mir sogleich entgegen flog. „Suchen sie das, Master?“, fragte Tricksi unschuldig. Schnell riss ich ihr das Handtuch aus den Händen und wickelte es um meine Hüften. Sie war eine der Hexen, die die Kontrolle über ihre Fähigkeit verloren hatten. Irgendwann hatte sie es nicht mehr geschafft sich zurück zu verwandeln und blieb von da an unsichtbar. Sie stand schon seit meiner Geburt in den Diensten unserer Familie. Wahrscheinlich wusste nur mein Vater, wie Tricksi wirklich aussah. Sie war schon derart lange unsichtbar, dass sie die Fähigkeit, zu erkennen, wann es angemessen war, sich in einem Raum aufzuhalten, verloren hatte. Irgendwie konnte sie einem schon leidtun. Es war sicher schrecklich immer unsichtbar zu sein. Ständig musste man sich stimmlich Gehör verschaffen, damit man beachtet wurde. „Tricksi, wie oft soll ich dir noch sagen, dass es mir unangenehm ist, wenn du mich beim Duschen beobachtest. Ich bin jetzt ein Mann. Da geht das nicht mehr“, versuchte ich es ihr ruhig zu erklären. „Tut mir Leid Master. Doch sie brauchen sich wirklich nicht vor mir zu genieren. Sie haben einen wunderschönen Körper.“ Peinlich berührt schaute ich auf den Fußboden. „Da ... Darum geht es doch gar nicht. Ich möchte das du das lässt. Verstanden?“ Ich verließ das Bad und schloss schnell die Tür hinter mir, um Tricksi darin einzusperren. Nachdem ich mich angezogen hatte, öffnete ich die Tür wieder. „Du kannst raus kommen.“ „Danke Master“, säuselte Tricksi fröhlich. Ein Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. Tricksi war die einzige Person in dieser Familie, welche stets gute Laune verstrahlte, obwohl sie am wenigsten Grund dafür hatte. Auch wenn sie ziemlich indiskret war, fühlte ich mich wohl in ihrer Nähe.

Ich begab mich nach unten in den Aufenthaltsbereich, in dem mein Vater und meine Schwester bereits frühstückten. „Guten Morgen Nicki“, begrüßte mich meine Schwester Sina. Sie hatte die blonden lockigen Haare von unserer Mutter geerbt. Das ist das, woran ich mich am deutlichsten erinnerte, wenn ich an meine Mutter dachte. Und natürlich die Art wie sie gestorben war ... etwas worauf ich hätte gut und gerne verzichten können. Ich schaute hinüber zu meinem grummeligen Vater. Dieser Typ war eigentlich dauerhaft schlecht gelaunt, seit dem Tod unserer Mutter. „Warum hat das so lange gedauert?“, fuhr er mich an. Doch ich hatte bei Zeiten gelernt wann es besser war meinem Vater nicht zu antworten. Wortlos setzte ich mich an den Tisch und machte mir eine Schüssel mit Korn Flakes. Doch offenbar wollte es mein Vater keinesfalls dabei bewenden lassen. Er stand auf und stellte sich direkt neben mich. „Mach mir keine Schande Sohn. Noch einmal ziehe ich nicht um. Das ist deine letzte Chance.“ Wütend biss ich die Zähne zusammen, den Blick weiterhin auf meine Schüssel Korn Flakes gerichtet. Ich würde mich von ihm nicht provozieren lassen, nicht Heute. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich atmete tief ein. Doch mein Vater quakte weiter: „Und tritt diesmal wenigstens in irgendeinen Sportclub ein. Mit etwas mehr Muskeln schaffst du es vielleicht endlich mal deine Kämpfe auszufechten ohne deine Kraft zu gebrauchen.“ Okay, das reichte jetzt, genug ist genug. Ruckartig schob ich meinen Stuhl nach hinten und sprang auf. „Du kannst mich mal“, fauchte ich und stürmte nach Draußen. „Papa, musste das sein? Er ist doch eh schon nervös wegen Heute“, tadelte Sina und lief mir hinterher. „Warte Nicki!“, rief sie, als sie mühevoll versuchte mit mir Schritt zu halten. „Was?“, zischte ich meine Schwester an, während ich mich zu ihr umdrehte. „Du hast deinen Rucksack vergessen", entgegnete Sina lächelnd und streckte ihn mir entgegen. Wortlos nahm ich ihn ihr ab und ging weiter. „Ach komm schon, nimm Vaters Sticheleien doch nicht so ernst.“ Ich schnaubte verächtlich. „Du hast gut reden. Du bist in Vaters Augen perfekt. Ich hingegen bin bloß sein nichtsnutziger Sohn.“ Sina beäugte mich mit nachdenklichem Blick. „Gib ihm doch mal etwas Grund auf dich stolz zu sein“, entgegnete sie vorsichtig. „Hast du eigentlich jemals ein Problem gelöst ohne dazu deine Kraft zu gebrauchen?“

Ein wütendes Funkeln trat sogleich in meine Augen. Sie gab ihm recht. Meine eigene Schwester hielt mich für einen Versager. Sie hätte mir ebenso gut ein Messer in die Brust stechen können. Verächtlich spie ich ihr entgegen: „Oh ich hab vergessen, dass ich hier mit Miss Perfekt rede. Ach nein warte, eigentlich bist du ja lediglich ein Feigling. Deshalb setzt du seit dem Tod unserer Mutter deine Feuerkraft nicht mehr ein.“ Fassungslos starrte Sina mich an, scheinbar unfähig etwas zu erwidern. Sie schüttelte den Kopf, ein wenig als wäre sie die Oberlehrerin schlecht hin und stolzierte in Richtung Schule. Mit verschränkten Armen schaute ich ihr hinterher. Mir war durchaus bewusst, dass das gerade ziemlich gemein von mir war. Doch es musste einfach mal gesagt werden. Sonst wäre ich noch geplatzt. Zum Glück war Sina nicht allzu nachtragend. Meist war sie es, die den ersten Schritt zur Versöhnung unternahm, wenn wir uns mal wieder gestritten hatten. Doch irgendwie war das gerade der denkbar schlechteste Moment sich mit ihr zu streiten. Das beutete nämlich ich musste völlig allein in die Schule hinein gehen. Meist konnte ich nicht an mich halten, wenn mich jemand schräg anquatschte. Das endete dann so gut wie immer damit, dass ich meine Kraft einsetzte. Wenn Sina bei mir war, schaffte sie es fast immer irgendwie, dass ich mich wieder beruhigte. Doch daran sollte ich mich wohl besser gewöhnen. Sina ging nur noch wenige Wochen in die Schule bis zu ihrem Abschluss. Mit einem bedauernden Seufzer machte ich mich auf den Weg.

Als ich die Schule betrat, machte ich mich zügig auf die Suche nach meinem Klassenraum. Ein schüchternes kleines Mädchen mit Zöpfen kam mir entgegen. Ich griff sie am Arm und zwang sie zum stehen bleiben. Überrascht starrte sie mich an. „Wo ist der Klassenraum der 12c?“, fragte ich, ohne auch nur den Hauch von Freundlichkeit in der Stimme. Freundlichkeit war auch überhaupt nicht nötig. Sie würde mich eh gleich wieder vergessen. Meine Fähigkeit gab mir die Möglichkeit meine Infos immer sofort und zielgenau zu erhalten, ohne den nervigen Small Talk nebenbei. „Raum 315, zweite Etage“, antwortete das Mädchen in monotonem Singsang. Ich schubste sie unsanft zur Seite und machte mich auf den Weg. Schließlich musste ich rechtzeitig am Klassenraum sein, damit ich mir meinen Platz aussuchen konnte. Wenn ich nicht den Platz neben dem Klassenstreber bekam, musste ich nachher noch mitschreiben. Nur über meine Leiche. Soweit kommt's noch. Ich sportete gerade die Treppe nach Oben, da versperrte mir doch tatsächlich ein bulliger braunhaariger Kerl den Weg. „Hey Kleiner, was hast du da gerade mit dem Mädchen angestellt?“

Genervt schaute ich zu ihm auf. „Geht dich nen Scheiß an. Mach den Weg frei!“ Der große Kerl machte sogleich einen Schritt zur Seite, ohne dass er es eigentlich wollte. Überrascht glotzte der Typ mich an und rief: „Was hast du ... ?“ Ich stolzierte mit überlegenem Grinsen an ihm vorbei. Doch der Kerl gab nicht auf. Er griff meinen Arm und zog mich zurück. „Was hast du getan?“

Angewidert betrachtete ich die riesige Hand des Typen, die meinen Arm fest umklammerte, und dann sah ich wieder in sein Gesicht. „Lass mich los.“ Augenblicklich lockerte dieser Bulle von einem Kerl seinen Griff wieder und zog seine Hand zurück. Ich fixierte ihn weiterhin mit meinen Augen und schwenkte langsam von links nach rechts. Der Kerl ahmte jede meiner Bewegungen nach, wie in Trance. „Du wirst mich vergessen“, redete ich auf ihn ein. „Und du wirst eine der Treppenstufen verfehlen.“ Ich machte einen Schritt zur Seite und lief die Treppe weiter nach Oben. Der bullige Kerl stand noch ein paar Sekunden regungslos auf der Stelle, bis er plötzlich einen großen Schritt in Richtung Treppenabgang machte. Ungebremst viel dieser große schwere Kerl die Treppe herunter und landete krachend, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen sich mit den Händen abzufangen, der Länge nach auf den Treppenstufen. Danach rutschte er noch ein paar Meter weiter nach unten, bis sein breiter Körper schließlich am Treppenende angelangt war. Sofort brach Chaos aus. Schüler und Lehrer rannten zu ihm um ihm zu helfen. Amüsiert betrachtete ich das Schauspiel. Es waren ganze vier Mann nötig um den Kerl auf den Rücken zu drehen. Sein Gesicht war von Blut getränkt und aufgeschürft. Sicher war seine Nase gebrochen. Tja selbst schuld. Er hätte sich eben nicht mit mir anlegen sollen. Ich zuckte mit den Schultern und machte mich auf den Weg. Jetzt musste ich mich wirklich beeilen. So ein Mist.

Als ich an meinem Klassenraum angekommen war, herrschte dort bereits ein reges Treiben. Entgeistert schaute ich in den vollen Klassenraum hinein. Na prima! Ich ging zu einer etwas fülligeren, aber durchaus hübschen Rothaarigen an den Tisch und schaute ihr tief in die Augen. Mit einem interessierten Lächeln auf dem Gesicht erwiderte sie es. In roboterartigem Ton fragte ich: „Wer ist der größte Streber in dieser Klasse?“ Sofort fiel das Lächeln des Mädchens in sich zusammen. Kritisch musterte sie mich. „Wie wäre es wenn du dich erst einmal vorstellst.“ Schockiert machte ich einen Satz nach Hinten. „Was?“ Warum funktionierte meine Fähigkeit bei ihr nicht? War sie etwa ... ja das musste es sein. Sie war eine Hexe. Nur Personen mit Hexenblut in den Adern waren immun gegen meine Kraft. Einen Moment betrachtete ich das Mädchen, bis ich ihr schließlich in herablassendem Ton „Das geht dich nen Scheiß an, Pummelfee!“ entgegen feuerte. Fassungslos funkelte sie mich an. „Was hast du gesagt?“ Doch ich hatte jetzt keine Zeit mich mit ihr zu befassen. Daher ging ich zwei Tische weiter. Der Typ, der dort saß, war eine schlaksige, ziemlich unattraktive Brillenschlange. Wenn ich raten sollte, würde ich sagen, dass er der Klassenstreber war. „Bist du der Klassenstreber?“ Wie in Trance nickte die Brillenschlange. Mit einem süffisanten Grinsen setzte ich mich neben ihn und legte meinen Arm über seine Schultern. „Herzlichen Glückwunsch. Du bist dazu auserkoren für mich mitzuschreiben, meine Hausaufgaben zu machen und die Tests an meiner Stelle zu absolvieren.“ Unsicher stierte mich der Junge von der Seite an.

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