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Kapitel 2 Laras Welt: Im gleichen Bett

Laras Welt

Mein Bruder, meine Mutter und ich warteten im Aufenthaltsraum unseres Hauses auf die Matonis. Weit hatten sie es eigentlich nicht. Unser Haus lag gerade einmal eine Straße entfernt vom Hexenzirkel. In diesem Dorf waren wir die Familie mit dem berühmtesten Namen. Die Familie Specht stand für eine lange Ahnenreihe von mächtigen Heilern. Daher wurde uns eines der größten Häuser dieses Dorfes zugewiesen. Das prunkvolle Erdgeschoss bestand aus einem großen offenen Bereich mit Wohnzimmer, Esszimmer und offener Wohnküche. Im Obergeschoss befanden sich vier Schlafzimmer mit jeweils einem Badezimmer darin. Aufgeregt griff ich den Saum meines Kleides und zupfte daran herum. Wenn ich es jetzt nicht ansprach, dann nie. Das war womöglich meine letzte Chance. „Mama?“ „Ja, mein Schatz“, entgegnete meine Mutter sofort mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.

Ich holte tief Luft. Dann brach es aus mir heraus: „Die Matonis sind ja vielleicht angesehen und mächtig. Doch dieser Junge, den ich heiraten soll ... er ist ... na ja, es gibt keine gute Art es zu sagen: Er ist gemein und gefährlich. Und ich vermute, er hat dem Jäger das angetan. Womöglich schadet diese Familie unserem Ansehen mehr, als das sie uns nutzt.“ Beschwichtigend streichelte meine Mutter über meine Wange. „Es wird alles gut mein Schatz. Ich habe mich zuvor mit Herold unterhalten und er hat mir versichert, dass sein Sohn es unter Kontrolle hat. Ihr werdet euch schon aneinander gewöhnen. Ich hatte auch Angst, als ich Damals deinen Vater heiraten sollte.“ Entgeistert starrte ich sie an. Ich hatte keinerlei Beweise dafür, dass Nick es war. Und nun würde ich mit diesem groben Typen mein Schlafzimmer teilen müssen. Doch zumindest gab mir dies die Gelegenheit doch noch einen Beweis zu finden, bevor es zur Hochzeit kam.

Es klingelte an der Tür. Meine Kehle zog sich augenblicklich zu. Das war's, vorbei war mein wunderschönes Leben als eigenständige Frau. Unser großer, überkorrekter Butler Roland öffnete die Tür zum Flur. In steifer Haltung ging er zur Haustür. Dahinter waren bereits lautstarke Stimmen zu hören. „Ich glaube es einfach nicht. Dieses Haus ist doch wohl ein Witz. Und dann müssen wir auch noch mit unserem gesamten Gepäck hier her laufen.“ Roland öffnete die Tür und dahinter stand ein finster dreinschauender Nick, mit zwei großen Koffern in beiden Händen. „Reg dich ab, ein bisschen Sport tut dir mal ganz gut“, entgegnete Vater Matoni mit säuerlicher Stimme. „Guten Tag, mein Name ist Roland. Treten sie doch bitte ein“, erklärte unser Buttler ungerührt. Ohne etwas zu erwidern drückte Nick ihm seine Koffer in die Hände und lief in den Aufenthaltsraum. Meine Mutter kam, mit einem breiten Grinsen und zur Begrüßung erhobenem Arm, auf ihn zu. Doch Nick ging einfach an ihr vorbei und stapfte zielsicher die Treppe hinauf. Ich warf meiner Mutter einen Ich-hab-es-dir-doch-gesagt-Blick zu. Herold verdrehte genervt die Augen und gab meiner Mutter stattdessen seine Hand. „Ich entschuldige mich für meinen Sohn.“ Mit einem freundlichen Lächeln antwortete sie: „Ist schon okay. Schon bald gehört ihm dieses Haus ja genauso. Er ist sicher nur neugierig.“ Mit einem ungläubigen Ausdruck auf dem Gesicht nickte Herold. „Äh ja.“

Die Familien stellten sich vor und setzten sich zusammen an den Esstisch. Mein Bruder Kevin nahm genau neben Sina platz. Verlegen erklärte sie: „Das Haus ist wunderschön.“ Genau in dem Moment kam Nick aufgeregt nach unten gestürzt. „Das Haus hier ist ein einziger Witz. Es gibt da Oben nur vier Schlafzimmer. Wie soll das gehen?“, wetterte er. Vater Matoni schloss die Augen, als müsste er sich zusammen reißen nicht die Beherrschung zu verlieren. „Wir werden in diese Familie einheiraten. Selbstverständlich teilen wir uns die Schlafzimmer oder hast du schon mal davon gehört, dass Ehepartner getrennt schlafen?“ Fassungslos starrte Nick ihn an. „Das kannst du aber voll vergessen. Ich schlaf doch nicht mit dieser Pummelfee in einem Bett.“ Was hat er da schon wieder gesagt? Wütend sprang ich auf. „Tja weißt du, ich bin auch nicht sehr scharf darauf mit dir in einem Bett zu schlafen. Du ... du ...“ ich musterte ihn für einen Augenblick, nach einer passenden Gemeinheit Ausschau haltend, welche ungefähr so schrecklich war, wie seine. Nun ja, er sah schon ziemlich gut aus und seine blauen Augen waren geradezu unnatürlich strahlend. Jedoch war er auch nicht besonders muskulös und ziemlich klein für einen Mann, maximal 1,73. Darum schrie ich ihm erbost entgegen: „ ... du schwächlicher Hänfling“.

Nick war sichtlich erstaunt über meinen Konter, was mich ein klein wenig stolz machte. Er zischte: „Ich werde definitiv nicht mit dir in einem Zimmer schlafen. Da schlafe ich ja noch lieber irgendwo im Flur.“ Fuchs-teufels-wild rannte er nach Draußen in den Flur. Herold Matoni murmelte: „Entschuldigt uns einen Moment“, und ging ihm hinterher. Er schloss die Tür zum Flur hinter sich. Doch die Tür schaffte es nicht im entferntesten Nicks Fluchen zu übertönen: „Wie konntest du einfach über unserer beider Köpfe hinweg entscheiden in diese drittklassige Familie einzuheiraten.“ Ein lautes krachendes Geräusch erklang, gefolgt von Herolds wütender Stimme: „Tja leider ist das in diesem Kaff die einzige Familie, die auch nur ansatzweise Ansehen genießt. Hätten wir wegen deinen zahllosen Verfehlungen nicht umziehen müssen ...“ „Was?“, schnitt Nick ihm das Wort ab. „Das war ja wohl nicht meine Schuld. Diese dämliche Hexe hat mich ausgetrickst.“ „Und wer war so dumm sich austricksen zu lassen?“, fragte sein Vater abwertend. „Damit du es nicht wieder versaust habe ich meine Hochzeit schon für kommenden Samstag angesetzt.“ Überrascht schaute ich meine Mutter an. Ich hatte nur noch vier Tage, um die Hochzeit zu verhindern. Das durfte nicht wahr sein.

Doch vielleicht hatte ich ja zumindest in Sina eine Partnerin gefunden um diese schreckliche Verbindung zu verhindern. Mit einem kurzen Wink gab ich ihr zu verstehen, dass ich sie gerne sprechen würde und ging mit ihr die Treppe hinauf. Ich öffnete die Tür zum Schlafzimmer meines Bruders. Gelangweilt präsentierte ich es ihr. „Das ist dein Zimmer.“ Unsicher trat Sina ein und schaute aus dem Fenster. „Es ist ... hübsch.“ Sinas Hände umfassten das Fensterbrett so fest, dass ihre Fingerknöchel sich weiß färbten. Sicher musste sie sich zusammen reißen nicht laut los zu schreien, zumindest ging mir das so, und zwar schon seit Tagen. „Mein Bruder ist ein netter Mensch. Du brauchst keine Angst haben“, versuchte ich sie zu beruhigen. Sina drehte sich zu mir um und lächelte dankbar. „Wieso wird er eigentlich erst jetzt verheiratet? Er ist doch schon älter.“

Ich nickte bestätigend. „Einundzwanzig, ja. Mein Vater war sehr krank ...“ „Das tut mir leid", äußerte Sina mitfühlend. „Ist schon okay“, erwiderte ich und winkte ab. „Jedenfalls hat meine Mutter es solange wie möglich hinausgezögert.“ Sina schmunzelte wissend. „Sie hat gepokert. Eine komplette Familie ist besser zu verkaufen, als eine halbe. Erinnert mich an meinen Vater.“ „Hast du vielleicht auch irgendwelche beruhigenden Worte für mich in Bezug auf meinen Ehemann?“, fragte ich scherzhaft. Augenblicklich nahm Sinas Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck an. „Äh ... Nick ist ... sehr reinlich.“ Fassungslos starrte ich sie an. War das ihr ernst? Mehr bekam ich nicht? Was war das nur für ein Typ, wenn nicht mal seiner Schwester etwas Positives über ihn einfiel?

Mein Bruder Kevin öffnete die Tür und schlurfte sofort zielgerichtet auf Sina zu. Nervös fummelte er an den Strippen seines Kurzarm-Pullovers herum. „Äh, es freut mich sehr dich kennen zu lernen.“ Er zeigte auf das Bett und stammelte: „Du … Du ... Äh, such dir gerne eine Seite aus.“ Bei seinen Worten bekam ich sofort Gänsehaut. Ich würde mit Nick ebenfalls ein Bett teilen müssen. Verdammt, ich war blöderweise nicht dazu gekommen mit Sina über das Verhindern der Hochzeit zu sprechen.

Ich sollte besser noch nicht auf mein Zimmer gehen. Sicher war Nick da und räumte seine Klamotten ein. Und außerdem brauchte ich etwas Zerstreuung. Deshalb begab ich mich an den Pool um ein paar Runden zu schwimmen. Doch als ich auf die Terrasse trat, erschrak ich. Offenbar hatte Nick dieselbe Idee gehabt, nur dass er nicht zum Schwimmen dort war. Noch immer in langer Hose und langärmligem Hemd gekleidet, lag er auf einer der Liegen und schaute in die Luft. „Ach komm schon, hilf mir“, jammerte er. Mit großen Augen starrte ich ihn an. Redete er mit sich selbst? Wie unheimlich war das denn ... Kurz überlegte ich kehrt zu machen, entschied mich dann aber doch dagegen. Ich würde mich nicht aus meinem eigenen Haus vertreiben lassen, niemals. Mit hocherhobenem Haupt begab ich mich zum Wasser und sprang mit einem Köpper hinein. Mit gelangweiltem Blick beobachtete Nick jeden meiner Schritte. Das war mehr als unangenehm, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Mir war durchaus bewusst, dass ich keine Modelfigur hatte, jedoch war ich alles andere als hässlich. Provokativ legte ich mich, nachdem ich ein paar Runden geschwommen war, auf die Liege direkt neben Nick. Er musterte mich lediglich abschätzig, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben.

„Hast du keine Sommersachen in deinem Schrank?“, fragte ich daraufhin, um die unangenehme Stille zu durchbrechen. „Nein“, antwortete Nick knapp. „Und du? Hast du überhaupt kein Schamgefühl, deinen Körper derart zur Schau zu stellen?“ Geschockt zuckte ich zurück. Instinktiv nahm ich mein Handtuch und verdeckte damit meinen Körper. Dieser Spruch war so unglaublich gemein. „Du ... Du bist doch krank. Ich bin hier nicht der Psychopath“, stotterte ich. „Folterst du auch kleine Tiere?", setzte ich spöttisch nach. Doch er stritt es keineswegs ab, wie ich eigentlich erwartet hatte. Stattdessen grinste er nur diabolisch. Ich hatte mich

eigentlich immer für selbstbewusst gehalten, doch dieser Kerl brachte mich vollkommen aus dem Konzept. Aufgebracht wetterte ich: „Du bist widerlich. Das letzte, was ich will, ist dich heiraten. Lieber würde ich sterben.“

Ich dachte, dass er spätestens jetzt wütend werden würde, doch er zuckte lediglich mit den Schultern. „Ist in Ordnung, geht mir auch so.“ Sprachlos saß ich da und starrte ihn an. Sollte ich jetzt froh oder beschämt darüber sein? „Wollen wir uns vielleicht zusammen tun?“, fragte er sogleich. „Ich finde dich abstoßend und du mich auch. Also warum nicht etwas dagegen tun.“ Ich sollte mich mit ihm zusammen tun um unsere gemeinsame Hochzeit zu verhindern? Das hörte sich mehr als unnatürlich an. „Äh, wie soll das denn gehen?“

Mit einem spitzbübischen Ausdruck im Gesicht antwortete er: „Es wäre nicht das erste Mal, dass ich das hinbekomme. Man muss deine Mutter lediglich dazu bringen, dass sie mich für genauso einen Psychopathen hält, wie du.“ Das Handtuch, welches ich über mich gelegt hatte, flog nun plötzlich hoch und schwebte vor mir in der Luft. Erschrocken sprang ich auf. „Wa ... was, aber das ist doch nicht möglich. Hexen haben immer nur eine Fähigkeit.“ Mit einem süffisanten Grinsen räkelte Nick sich auf seiner Liege: „Tja, ich bin eben besser, als alle anderen.“ Ungläubig starrte ich ihn an. Er wirkte derartig selbstsicher, dass ich nicht anders konnte, als ihm zu glauben. War es tatsächlich möglich? War es möglich dieser Verbindung vielleicht doch noch zu entfliehen? Für einen kurzen Moment verlor ich mich in seinen durchdringenden blauen Augen und verspürte doch tatsächlich so etwas wie Hoffnung. Und obwohl ich keine Ahnung hatte, was hier eigentlich geschah, sagte ich: „Okay!“

In meinem rosa Nachthemd lag ich steif in meinem Bett und wartete, dass Nick aus dem Badezimmer kam. Das würde meine erste Nacht im gleichen Bett mit einem völlig Fremden werden. Ängstlich starrte ich an die Decke. Wenn er nicht auch noch so schrecklich wäre. Dieser bösartige Kerl beleidigte mich in einer Tour. Und mit so Jemand sollte ich mein Bett teilen? Meine Mutter wusste gar nicht, was sie mir damit antat. Die Badtür öffnete sich und Nick kam heraus. Überrascht starrte ich ihn an. Draußen waren es dreißig Grad und er trug doch tatsächlich einen langärmligen schwarzen Schlafanzug. Irgendetwas stimmte mit dem Typen ganz und gar nicht. Mit grimmiger Miene legte er sich neben mich. „Du musst dann Morgen noch versuchen deinen Bruder zu überzeugen uns zu helfen. Umso mehr desto besser.“ „Was Kevin? Ich ... na ja ...“, stammelte ich. „Was ist?“, fragte Nick genervt und verdrehte die Augen. „Ich glaube er mag deine Schwester.“ Nick zuckte mit den Schultern. „Aber sie mag ihn nicht. Sag ihm das einfach.“ „Aber das kann ich doch nicht tun“, rief ich empört. Wie kann man nur so gefühllos sein. Schnell setzte ich hinterher: „Mein Bruder ist übrigens ebenfalls ein guter Fang.“ Wieder verdrehte Nick die Augen. „Meinet wegen. Hauptsache du sorgst dafür, dass er mit macht. Du musst ihm ja nicht unbedingt sagen worum es geht. Sina macht auch mit. Sag ihm einfach, es ist ein Date.“ Ungläubig starrte ich ihn an. Er wirkte, als würde er so etwas ständig machen. Wie konnte man nur so manipulativ sein. Ohne ein weiteres Wort drehte Nick mir den Rücken zu. Zwischen ihm und mir lagen gerade einmal zehn Zentimeter. Ich spürte seine abstrahlende Körperwärme. Mein gesamter Körper verkrampfte sich. Ich floh so weit wie möglich auf meine Bettseite, bis ich fast schon herunter viel, um so viel Abstand wie nur möglich zwischen uns zu bringen. Es war einfach nur schrecklich. Ich musste diese Hochzeit unbedingt verhindern. Aus diesem Grund würde ich meinen Bruder anlügen müssen. Die Alternative wäre sonst ein Leben in der Hölle. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie schrecklich Nicks Plan eigentlich war. Doch ich würde es schon bald erfahren.

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