Kapitel 2: Auseinandergerissen
*Triggerwarnung: Brutale grafische Gewalt, psychologische Folter, Blutvergießen, verstörende Inhalte. Dieses Kapitel ist brutal, verrückt und nichts für sensible Leser. Mit Vorsicht lesen.**
Im Lagerhaus herrschte Totenstille, nur das Summen einer einzelnen Glühbirne an der Decke flackerte, als würde sie um ihr Leben ringen. Die Luft selbst fühlte sich falsch an. Zu dick. Zu still. Als hielte sie vor Angst den Atem an.
Und dann kam der Ton.
Stiefel.
Langsam. Echohaft.
Lucien.
Er tauchte aus den Schatten auf wie ein Sturm in Fleisch und Blut. Seine Präsenz ließ selbst die Stille wimmern. Seine Präsenz vertrieb einem die Angst aus den Knochen.
Ganz in Schwarz gehüllt, mit Handschuhen und einem schweren Mantel über den Schultern, strahlte seine Haltung Tod und Eleganz aus. Seine dunklen Augen suchten den Raum ab wie ein Metzger, der überlegt, welches Stück er zuerst zerlegt.
Evans stand mit steifem Rücken und steinernem Blick neben dem Gefangenen an der Wand.
Jonas.
Einst ein Soldat. Jetzt ein zitterndes, blutbeflecktes Wrack, an einen Metallstuhl geschnallt, die Arme auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt, die dick genug wären, um ein Tier festzuhalten.
Sein Kopf hing tief, aus seinem Kinn tropfte Blut und Speichel. Ein Auge war völlig zugeschwollen. Das andere zuckte in wilder, fieberhafter Panik.
Seine Haut war blass, zitterte heftig und war schweißgebadet. Sein zerrissenes Hemd klebte an seiner Brust, rot und schwarz von getrocknetem Blut.
Lucien sagte zunächst nichts.
Das war nicht nötig.
Die Luft veränderte sich, als er vor Jonas stehen blieb. Die Glühbirne über ihm flackerte erneut und warf Schatten auf sein Gesicht … und verwandelte ihn in etwas Unmenschliches, seinen Gesichtsausdruck in etwas Unmenschliches.
Jonas wimmerte, als er ihn sah.
Das war sein erster Fehler.
Luciens Lippe zuckte nach oben.
„Ich habe dich noch nicht einmal berührt“, murmelte er mit eisiger Stimme. „Und du weinst schon. Was für eine verdammte Peinlichkeit.“
Jonas stockte der Atem. „Alpha… ich schwöre… ich habe nicht… bitte, ich schwöre, ich habe nicht…“
Lucien unterbrach ihn mit einem plötzlichen Schlag auf den Mund. Jonas’ Kopf zuckte zur Seite, Blut spritzte aus seinen Lippen, ein Zahn schlitterte über den Boden und prallte neben Evans’ Stiefel.
Lucien bewegte sich einen Moment lang nicht.
Dann ging er langsam in die Hocke und umklammerte mit seinen schwarz behandschuhten Fingern die Armlehne des Stuhls. Sein Blick blieb unverwandt auf Jonas gerichtet.
„Ich habe dir doch gesagt, du sollst dein verdammtes Maul halten, oder?“
Jonas stockte der Atem.
„Ich-ich habe nicht…“
Luciens Faust bohrte sich schnell und tief in seine Rippen, sodass der Stuhl quietschend auf dem Boden aufschlug. Jonas schrie auf, sein Körper zuckte gegen die Fesseln.
„Nicht wahr?“, wiederholte Lucien und stand auf. „Du wusstest also nicht, dass meine Männer deinetwegen in einen Hinterhalt gerieten? Hast du sie nicht schreien hören, als sie in dem Lieferwagen bei lebendigem Leib verbrannten? Hast du nicht gesehen, wie sie an Rauch und Blut erstickten?“
Er ging jetzt mit einem Grinsen im Gesicht auf und ab, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, während seine Stimme kälter wurde. Sanfter. Furchterregender.
„Du wusstest genau, was du tust, als du Dorian gegenüber den Mund aufgemacht hast. Du wusstest es. Du hast gesehen, wie ich dir einen Platz an meinem Tisch gegeben habe. Du hast gesehen, wie ich dir vertraut habe. Du hast dich vor mir verbeugt. Du hast mich Alpha genannt. Und in dem Moment, als Dorian seinen Schwanz und seine Versprechen zeigte, bist du auf die Knie gefallen.“
Jonas schüttelte wild den Kopf und schnalzte mit der Zunge, ein Auge war vor Wut weit aufgerissen.
„Jones … du inkompetenter Narr“
„So war es nicht … er hat mir gedroht, Alpha, bitte … ich habe Welpen … ich habe eine Partnerin … ich hatte keine Wahl …“
Lucien blieb stehen.
Dieses Wort.
"Auswahl."
Er drehte sich langsam um.
Sein Lächeln kam zurück.
„Lass mich dir etwas erklären, Jonas“, sagte er leise und trat näher. „Du hast immer eine Wahl. Meine Männer hatten eine Wahl, als sie starben. Als sie ausgeweidet wurden. Verbrannt. Verstümmelt. Sie entschieden sich, meinen Namen zu schreien. Um mich zu betteln. Nicht um ihre Mütter. Nicht um die verdammten Götter oder die Mondgöttin. Um mich. Weil sie wussten, dass ich kommen würde. Weil sie glaubten, ich würde sie rächen.“
Er ging wieder in die Hocke, bis sein Gesicht auf Jonas‘ Höhe war, und seine Stimme wurde zu einem so leisen Flüstern, dass es erstickte.
„Und jetzt wirst du mir helfen, genau das zu tun.“
Lucien stand auf und wandte sich an Evans.
„Bring es.“
Evans fragte nicht. Er nickte nur und rollte das Lederbündel auf.
Messer.
Zwanzig von ihnen, aufgereiht wie Instrumente in einem Orchester des Schmerzes. Poliertes Silber, gebogen, dünn, dick. Jedes einzelne von ihnen mit perfekter Form. Manche zum Töten geschaffen. Andere zur Verlängerung.
Lucien wählte eine Klinge, die nicht länger als seine Handfläche war. Gebogen. Dünn. Perfekt zum Häuten.
Er hielt es gegen das Licht und bewunderte es.
Dann wandte er sich an Jonas.
„Wissen Sie, was ich an Schmerz liebe?“, fragte er im Plauderton. „Er sagt die Wahrheit. Er spricht in Schreien. Er lügt nicht. Schmerz stottert nicht und sucht keine Ausreden.“
Er trat vor und drückte die Klinge gegen Jonas’ Schulter. Nicht stechend. Nur drückend.
Jonas schluchzte lauthals, seine Schultern zitterten, sein Mund bebte.
„Alpha, bitte … bitte, ich tue alles … nur bitte …“
Lucien beugte sich vor.
„Du wirst schreien.“
Er zog die Klinge nach unten.
Haut geschält.
Jonas schrie so laut, dass die Glühbirne über ihm erneut flackerte. Sein Rücken krümmte sich heftig, das Blut strömte in dünnen Strömen seine Brust hinab.
Lucien blinzelte nicht. Seine Hand war ruhig. Sein Gesichtsausdruck war undeutbar.
Noch ein Schnitt.
Noch ein Schrei.
Eine weitere Hautschicht hing wie zerrissenes Papier von Jonas‘ Körper.
„Spürst du das?“, fragte Lucien und legte den Kopf schief. „Das ist Ehrlichkeit. So bist du wirklich, nackt und bettelnd wie ein Wurm.“
Jonas zuckte zusammen, ihm stand Schaum vor dem Mund, Tränen und Blut vermischten sich auf seinem Gesicht.
„Willst du jetzt über deine Familie reden?“, fragte Lucien und schnitt erneut, diesmal langsamer. „Willst du um das Leben deiner Welpen betteln, nachdem du mir meine übergeben hast?“
Jonas jammerte.
Lucien machte weiter.
Minuten vergingen.
Zehn.
Fünfzehn.
Jonas war durchnässt. Sein Körper zitterte bei jedem Atemzug heftig. Blut sammelte sich unter dem Stuhl und lief zu Luciens Stiefeln.
Und Lucien arbeitete immer noch an seiner Haut.
Gemessen. Konzentriert. Kontrolliert.
Er schnitt Formen in Jonas‘ Brust. Ätzsymbole. Meißelte Erinnerungen.
Er flüsterte, während er arbeitete.
„Du hast ihm gesagt, wohin meine Lieferungen gehen. Das hat mich siebenundzwanzig Wölfe gekostet. Ich möchte, dass du dir jeden einzelnen merkst.“
Noch ein Schnitt.
Bei der LKW-Explosion kamen zwei Teenager ums Leben, die kaum imstande waren, sich zu bewegen. Ihre Knochen brachen, bevor sie überhaupt wussten, was sie getroffen hatte.
Er drückte fester. Tiefer.
„Einer von ihnen war der Sohn meines Cousins.“
Jetzt grinste er.
„Du erinnerst dich doch an Derrick, oder? Er hat dir das Kämpfen beigebracht. Du hast eine Kugel in den Hals bekommen, als du versucht hast, die Stellung zu halten, die du kompromittiert hast.“
Jonas schluchzte. Er musste sich übergeben. Er verlor das Bewusstsein.
Lucien stand plötzlich auf und schlug ihm erneut mit dem Handrücken.
Jonas‘ Augen rissen sich weit auf und waren blutunterlaufen.
„Nein“, knurrte Lucien. „Du wirst nicht ohnmächtig. Du hast keinen Frieden.“
Er beugte sich vor und seine Lippen streiften Jonas' Ohr.
„Sie bekommen Gerechtigkeit.“
Jonas‘ Mund öffnete und schloss sich wie ein Fisch, der am Ufer nach Luft schnappt.
„Dorian“, flüsterte er. „Er will … deine Frau … er sagte … er würde sie nehmen … er sagte, er würde deine Gefährtin finden. Er sagte, Anna sei nicht deine wahre Gefährtin. Er kennt deine wahre Gefährtin.“
Lucien verstummte.
Jeder Muskel in seinem Körper versteifte sich.
„Was?“, sagte er gefährlich leise.
„Er… er will sie ficken… während du tot bist… er hat gesagt… er würde sie brechen…“
Schweigen.
Luciens Gesicht veränderte sich.
Keine Wut.
Kein Feuer.
Gerechtigkeit.
Die Stille vor der Lawine.
Er hat nicht geschrien.
Er zitterte nicht.
Er schnappte sich einfach das nächstgelegene gezackte Messer.
Und rammte es Jonas in den Bauch.
Dann zog ich es seitwärts.
Jonas schrie.
Lucien drehte sich um.
Jonas kreischte wie ein Tier, während Blut aus seinem Mund spritzte und seine Beine hilflos um sich traten.
Lucien packte ihn am Kiefer und zwang ihn, den Kopf hochzuheben. Seine Stimme war eiskalt und klar.
„Du und Dorian, ihr seid alle total verrückt! Wenn ihr glaubt, das würde bei mir funktionieren. Meine Freundin ist verdammt noch mal tot! Macht bloß keine Witze darüber, dass sie nicht meine richtige Freundin ist, es sei denn, ich würde euren Tod besiegeln!“ Er packte sein Kinn und schlug ihm direkt in die Luft. Und ehrlich, liebe Leser, dieser Punch Splitter Jones hat die Augen geöffnet.
Dann ließ er los.
Jonas sackte nach vorne, seine Brust hob und senkte sich, Blut strömte aus dem großen Riss in seinem Bauch und seinen Augen.
Lucien ließ das Messer fallen.
Dann habe ich ein anderes genommen.
Dieses hier ist länger. Dicker.
Er rammte es Jonas in die Kehle. Jonas war tot.
Der Körper zuckte. Gurgelte. Ruhelos.
Lucien trat zurück, Blut tropfte wie Weihwasser von seinen Händen.
Evans sagte nichts.
Lucien drehte sich langsam um.
„Schlag ihm eine Kopfnuss.“
„Ja, Alpha.“
Lucien begann zu gehen.
An der Tür blieb er stehen. Draußen regnete es in Strömen. Donner grollte wie Kriegstrommeln.
Er schaute nicht zurück.
„Stell es vor Dorians Tür. Reinige es. Versiegele es. Und ritze eine Nachricht in die Schachtel.“
Evans wartete.
Luciens Stimme war endgültig.
„Du hast damit angefangen. Jetzt blute dafür.“
„Kümmere dich darum und wir treffen uns im Lieferwagen“, murmelte Lucien, seine Stimme trocken und scharf wie ein gebrochener Knochen.
Er verschwand im Regen.
Und die Hölle folgte.
***
Er erreichte den Lieferwagen, riss die Tür auf und kletterte mit einem leisen Grunzen auf den Beifahrersitz. Die Tür schlug hinter ihm zu und dämpfte den Sturm draußen.
Lucien saß da, durchnässt und kochend vor Wut, das Leder unter ihm knarrte, als er sich bewegte.
Dann verstummte er.
Seine Hände ruhten auf seinen Oberschenkeln. Seine Finger zuckten.
Er presste die Zähne zusammen.
„Er will deine Frau. Er sagte, er würde sie nehmen. Er sagte, er würde sie zum Schreien bringen.“
Die Worte wiederholten sich in seinem Kopf.“
Dieser Bastard.
Dieser verdammte Bastard.
Lucien ballte langsam die Hände zu Fäusten. Seine Knöchel knackten unter dem Druck. Das Leder seiner Handschuhe ächzte vor Anspannung.
Und dann … Anna.
Die Erinnerung drang wie eine Klinge durch die Rippen.
Er wollte nicht an sie denken. Er hatte es sich seit Monaten nicht mehr erlaubt. Vielleicht seit Jahren. Doch diese Stimme in seinem Kopf … diese widerliche Drohung … holte sie zurück. Zwang sie aus dem Grab, in dem er sie begraben hatte.
Sein Kumpel.
Nicht nur eine Frau.
Seine Seele.
Anna.
Augen in der Farbe des Frühlings nach einem langen Winter. Haare wie Lauffeuer und ein Lachen, das ihm die Wände der Brust durchbrach und etwas in ihm lebendig werden ließ.
Der Einzige, der ihn ohne Angst berühren konnte. Der Einzige, der jemals in den Käfig griff und nicht zusammenzuckte, als das Biest die Zähne fletschte.
Sie zuckte nicht einmal zusammen.
Bis zu dem Tag, an dem ihr direkt vor seinen Augen die Kehle durchgeschnitten wurde.
Lucien blinzelte.
Der Regen draußen ließ alles verschwimmen.
Aber er sah es. Als wäre es gestern gewesen, als die Erinnerung mit voller Geschwindigkeit zurückkam.
