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Kapitel 2

Sie saß auf ihrem Bett, eine Tasse Instanttee in den Händen, und ließ ihren Blick zum Fenster schweifen. Der Blick ging auf eine belebte Straße, auf der die Menschen trotz der späten Stunde noch ihren Geschäften nachgingen.

Morgen würde eine neue Herausforderung anstehen.

Aber heute Abend konnte sie einen Moment der Ruhe genießen, allein mit ihren Gedanken.

In der Küche nahm sie sich die Zeit, eine Schüssel Müsli zuzubereiten, die sie langsam aß, während sie durch das Fenster auf die erwachende Stadt starrte. Grandisbourg erschien ihm noch immer unwirklich, wie eine Filmkulisse.

Der Wecker klingelte um 6:30 Uhr, aber Rosette war schon wach. Sie war zu nervös, um tief und fest zu schlafen, wälzte sich die ganze Nacht hin und her und stellte sich tausend mögliche Szenarien für ihren ersten Tag vor.

Sie stand auf und begann vorsichtig mit ihrer Morgenroutine. Eine schnelle Dusche zum Aufwachen, eine Bürste durch ihr leicht gewelltes braunes Haar, dann zog sie ihre tadellose Uniform an. Vor dem Spiegel rückte sie ihren Blazer und ihre Brille zurecht und betrachtete ihr Spiegelbild mit einer Mischung aus Aufregung und Besorgnis.

In der Küche nahm sie sich die Zeit, ein einfaches Frühstück zuzubereiten.

7:45 Uhr

Sein Bus fuhr um 7:50 Uhr ab.

Sein Herz setzte einen Schlag aus.

– Oh nein, nein, nein, nein…!

Sie schnappte sich hastig ihre Tasche und rannte die Treppe hinunter, wobei sie immer zwei Stufen auf einmal nahm und dabei beinahe stolperte. Als sie keuchend und in Panik die Bushaltestelle erreichte, sah sie nur das Heck des Fahrzeugs auf der Straße verschwinden.

- Nein… !

Der nächste würde erst in 20 Minuten kommen. Zu spät. Sie würde an ihrem ersten Tag zu spät kommen!

Panik überkam sie, aber sie schüttelte den Kopf. Von einem Bleiben ist keine Rede! Sie holte ihr Telefon heraus und zögerte, ein Taxi zu bestellen … aber ihr Studentenbudget erlaubte es nicht.

Es gab nur eine Lösung: weglaufen.

Entschlossen rannte sie wie wild durch die Straßen von Grandisbourg, wobei ihre Tasche auf ihrem Rücken hüpfte und ihre Brille von ihrer Nase rutschte. Die Eleganz seiner frisch gebügelten Uniform hielt dieser Prüfung nicht lange stand.

Als sie schließlich die imposanten Tore des Lycée Saint-Célestin erblickte, stockte ihr der Atem, und sie spürte bereits, wie ihr ein paar Haarsträhnen an der Stirn klebten.

Sie war offiziell zu spät.

Rosette hatte das Gefühl, als hätte ihr die Zeit einen Streich gespielt. Obwohl sie mit voller Geschwindigkeit aus ihrer Wohnung gerannt war, war es offensichtlich, dass sie ihn nicht einholen konnte. Der Bus, den sie verpasst hatte, erschien ihr nun wie ein unbedeutendes Detail im Vergleich zu dem imposanten Schultor, das sich bei jedem Schritt hinter ihr beinahe zu schließen schien.

Als sie schließlich die Aula des Lycée Saint-Célestin betrat, warf sie einen Blick auf die Uhr. 8:15 Uhr Es ist zu spät, dachte sie, und ihr Herz raste vor Angst. Die erste Glocke hatte gerade geläutet und den Beginn des Unterrichts angekündigt.

Mit eiligen Schritten ging sie auf den Raum zu, in dem ihrer Vermutung nach ihre erste Unterrichtsstunde stattfinden würde. Als sie sich der Tür näherte, lauschte sie. In ihrem Inneren waren bereits Stimmen zu hören, insbesondere eine strenge, autoritäre Stimme, die sie nicht kannte. Sie zögerte einen Moment und biss sich auf die Unterlippe, bevor sie ihren Mut zusammennahm und eintrat.

Sie drückte die Holztür vorsichtig auf, doch sobald sie eintrat, richteten sich alle Blicke sofort auf sie. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Sie war überhaupt nicht bereit, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Der Professor, ein Mann in den Vierzigern, wandte sich ihr zu. Sein Blick war streng und neugierig zugleich, und sein durchdringender Blick analysierte die Situation im Handumdrehen.

„Ich schätze, du bist das neue Mädchen“, sagte er trocken. „Ich bin Herr Lecours. Sie sind zu spät. Können Sie uns sagen, warum?“ In seiner Stimme lag weder Freundlichkeit noch Vorwurf, nur kalte Effizienz.

Rosette fühlte sich gefangen, gefangen in ihrer eigenen Verlegenheit. „Es … es tut mir leid, ich habe meinen Bus verpasst und ich …“ Ihre Stimme brach unsicher.

Mr. Lecours starrte sie einen Moment lang an und seufzte dann. „Mit etwas mehr Vorbereitung hätte das vermieden werden können. Mach dich bereit, wir fangen schon an. Und versuche, das nächste Mal pünktlich zu sein.“

Rosette nickte, rot wie eine Tomate, bevor sie auf den ersten freien Platz hinten im Raum rutschte. Das Getuschel um sie herum verstärkte ihr Unbehagen nur noch. Während sie versuchte, sich so unsichtbar wie möglich zu machen, bemerkte sie eine Gestalt in der Nähe der Tür: einen großen Mann in den Dreißigern mit kurzen blonden Haaren und Brille, der einen legeren, aber eleganten Anzug trug. Er schien besonders ernst auszusehen und beobachtete die Szene mit professioneller Miene.

Er näherte sich Rosette, nachdem er einen Blick mit Monsieur Lecours ausgetauscht hatte. „Hallo, ich bin Herr Lemoine, der Forschungsbeauftragte. Sie müssen Rosette sein, richtig?“

Sie nickte schüchtern und fühlte sich noch verlorener. „Ja, ich bin’s…“

Mr. Lemoine lächelte ihn beruhigend an. „Ich gehe an deiner Stelle mit. Herr Lecours hat die Angewohnheit, von Anfang an alles perfekt haben zu wollen.“ Seine Stimme war sanft und obwohl sie die Autorität in seinen Worten spürte, schien er nicht darauf erpicht zu sein, ihr ein noch unangenehmeres Gefühl zu bereiten.

Sie gingen zusammen den schmalen Gang entlang und Rosette spürte, wie alle Blicke auf ihr ruhten, als sie den Raum durchquerten. Als sie in der Nähe seines Platzes ankamen, blieb Mr. Lemoine stehen und wandte sich der Klasse zu.

„Klasse, wir haben eine neue Schülerin bei uns. Rosette Blooms, ich möchte, dass ihr euch etwas um sie kümmert und ihr beim Einleben hilft.“ Dann wandte er sich an Rosette. „Du kannst dich der Klasse vorstellen, Rosette. Das ist eine gute Gelegenheit, sie etwas besser kennenzulernen.“

Das Flüstern wurde lauter und aller Augen waren nun auf sie gerichtet. Sie spürte, wie Wärme ihre Wangen durchströmte. Warum musste er sie gleich an ihrem ersten Tag ins Rampenlicht stellen?

Sie stand langsam auf, ihr Herz hämmerte. „Ähm … hallo“, begann sie schüchtern und blickte sich in der Klasse um. „Mein Name ist Rosette Blooms. Ich bin neu in Grandisbourg. Ich lese sehr gerne und … ich bin ein eher ruhiger Mensch, aber ich hoffe, ich komme mit allen hier gut aus.“

Sie verstummte und fühlte sich furchtbar unbehaglich. Es war ihr nie gelungen, vor einer Gruppe zu sprechen, geschweige denn vor Fremden, die sie wie Freaks musterten.

Eine unangenehme Stille breitete sich im Raum aus, doch bald begannen einige Schüler miteinander zu flüstern. Einige legten neugierig den Kopf schief, andere schienen bereits gelangweilt. Aus dem hinteren Teil des Raumes drang ein leises Lachen. Rosette drehte den Kopf und begegnete dem Blick eines jungen Mannes, der am Fenster saß. Sein braunes Haar war zerzaust und er wirkte viel entspannter als die anderen. Dennoch war es kein freundlicher Blick. Er musterte sie mit beinahe spöttischem Blick, seine Augen glänzten vor schelmischer Neugier.

Als Herr Lecours sah, dass die Präsentation einige Zeit in Anspruch genommen hatte, beendete er die Situation mit einer Handbewegung. „Also gut, Rosette. Nimm Platz. Wir haben heute ein paar wichtige Dinge zu besprechen.“

Rosette setzte sich so schnell sie konnte wieder hin und wich den Blicken der anderen aus. Ihr Herz klopfte noch immer, aber sie wusste, dass sie sich hier einen Platz schaffen musste. Egal wie schwierig es ist. Egal wie zaghaft die Anfänge waren. Sie hatte keine andere Wahl, als es zu akzeptieren.

Als der Unterricht wieder begann, konzentrierte sich Rosette auf die Worte der Lehrerin und versuchte, sich in den Seiten ihres Notizbuchs zu schützen. Doch in ihrem Hinterkopf blieb eine Frage: Wie würde sie in diese Welt passen, die sie noch nicht kannte?

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