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Kapitel 2: Die Anzeige

In meiner Wohnung angekommen zog ich mich fluchend (dafür aber wach) aus. Ich zog den einzigen Pulli an, den ich noch besaß und band meine triefenden Haare zusammen. Dann kuschelte ich mich in mein Bett. Ich schlug die Zeitung auf. Ich blätterte durch, bis ich die Stellenanzeigen gefunden hatte. Viele suchten Leute mit abgeschlossener Berufsausbildung. Die ich aber leider nicht hatte. Da fiel mein Blick auf eine Anzeige:

Hausangestellte gesucht! 40 h die Woche

Ich suche jemanden der die anfallenden Tätigkeiten in meinem Haus übernimmt.

Was sie mitbringen sollte: Sie sollte gepflegt, stilvoll und flexibel sein, außerdem sollte sie Basiswissen im Bereich der Haushaltsführung besitzen und Freude an täglich anfallenden Aufgaben wie Bügeln, Putzen, Kochen und Einkaufen haben.

Im Gegenzug wird ein angemessenes Honorar und ein gepflegtes Arbeitsumfeld geboten.

Darunter stand eine Handynummer. Ich las mir die Anzeige nochmal durch. 40 Stunden pro Woche waren für mich ziemlich viel. So viel hatte ich noch nie in meinem Leben gearbeitet. Haushaltstätigkeiten konnte ich sicher alles irgendwie lernen und einiges davon machte ich ja eh schon seit einigen Monaten für mich. Das sollte ich hinbekommen. Bestimmt. Flexibel bin ich. Stil nun ja, kommt auf den Stil an. Ich musste lachen als ich an mir heruntersah. Den ausgewaschenen grauen Oversizepulli würde ich jetzt nicht unbedingt als stilvoll bezeichnen. Aber daran kann ich arbeiten. Wenn ich an mein Zuhause denke, da wo ich herkommen, dann weiß ich wie es geht. Stilvoll zu sein. Joa Freude an der Arbeit war jetzt nicht so meins. Aber Hauptsache Arbeit.

Ich wählte die Nummer. Mal sehen, wie lange meine Eltern noch meinen Handyvertrag zahlen. Eine männliche Stimme meldete sich: "Constantin Wolf" nur mit seinem Namen. "Hallo hier ist Julie. Ähm Julie Paulsen." "Hallo Frau Paulsen, was kann ich für Sie tun?", fragte der Mann mit der dunklen Stimme höflich und routiniert. Seine tiefe Stimme machte mich total verlegen. "Sie hatten in der Zeitung inseriert. Ähm, einen Job. Also eine Stelle. Also suche ich. Also nee, die möchte ich haben." Er lachte und ich wurde rot. "Die Hausangestellte?", fragte er. "Ja." "Okay, cool. Sie sind tatsächlich die erste die sich dafür meldet. Kommen Sie doch heute Abend einfach bei mir vorbei, sagen wir" er machte eine Pause wahrscheinlich, um in seinem Kalender nachzusehen. "Um 8. Da habe ich eine Lücke. Da kommen Sie dann einfach zu mir und stellen sich vor und wir schauen mal." "Das klingt gut. Vielen Dank.", stotterte ich. "Gerne.", sagte er. "Ich schreibe Ihnen die Adresse schnell. Ich freu mich." Dann legte er auf. Heieie, kann ich das etwa wirklich durchziehen?

Ich verbrachte erstmal eine Stunde damit Panik zu schieben und dann rief ich Maja an. Sie ging nicht dran. Also rief ich nochmal an. Und nochmal. Beim dritten Mal ging sie dran. "Julie! ich habe dir dich gesagt, dass ich Vorlesungen habe! Was ist passiert Himmel noch mal?" "Ich habe ein Vorstellungsgespräch heute Abend. Und nichts zum Anziehen." "Wow, das freut mich. Ich komme heute nach der Uni zu dir und helfe dir ein Outfit zu finden. Ist das okay?" "Ja." "ich muss da wieder rein. Ist echt wichtig. ich bin stolz auf dich. Versuch trotzdem deinen Auszug vorzubereiten und weitere Jobs abzuchecken. Bis gleich." Sie legte wieder auf. Ich stöhnte. Viel würde ich auch bei diesem Auszug nicht haben. Einen Koffer voller Kleidung und persönlichen Gegenständen und vielleicht einen Karton mit Küchen - und Badsachen. Ich hatte die kleine Einzimmerwohnung schon halb möbliert bezogen. Ich hatte sofort reingekonnt und sie war theoretisch erschwinglich gewesen. Wenn ich einfach nur einen Job gehabt hätte. Ich stöhnte und zog die Kiste aus dem Schrank mit der ich damals ausgezogen war. Die Kiste und eine fette, glitzernde Reisetasche. Dann begann ich sie in die Küche zu zerren. Sie war aus Holz und ich hatte sie als Kind mit meinem Opa zusammen geschreinert. Ich musste grinsen als ich an die Zeiten dachte. Holz roch einfach nach zuhause. Viel besaß ich auch in der Küche nicht. Zwei Geschirrtücher. Einen Topf und eine Pfanne. Zwei Messer, zwei Gabeln und zwei Löffel. Ein paar zusammengesuchte Teller. Die meisten habe ich irgendwo kostenlos abstauben können. Würde ich jetzt auf der Straße wohnen? Konnte ich kurz zu Maja?

Ich räumte nichts ein. Ich war noch zu durcheinander von allem, als dass ich irgendwas Produktives hätte machen können. Also nahm ich die erste Seite der Zeitung und legte sie auf den Tisch. Dann nahm ich meine Farben aus dem Regal darüber. Ich hatte Glück, dass ich diese Farben hatte. Ich begann zu malen.

Irgendwann nachmittags kam Maja zu mir. Sie riss erstmal alle Fenster auf. "Du stinkst wie ein Iltis. Du gehst jetzt duschen!", befahl sie. "Gar nicht!", beschwerte ich mich. Sie schüttelte genervt den Kopf. "Wo willst du denn anfangen?", fragte sie mich. Ich zeigte auf den Tisch, wo die grob rausgerissene Anzeige neben meinem fast fertigen Portrait lag. "Du malst deine Mutter?", fragte mich Maja und drehte sich zu mir um. "Ja. Ich male meine Mutter.", bestätigte ich. Es abzustreiten wäre eh unnötig gewesen. Sie zog die Augenbrauen hoch. "Traumabewältigung oder so.", erläuterte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Du solltest zu ihnen zurückkehren." "Die Anzeige liegt daneben.", wechselte ich das Thema. "Hausmädchen? Ist das eine 90 Jahre alte Frau? Das wäre nämlich der einzige Fall in dem das zu entschuldigen wäre.", fragte mich Maja und lehnte sich an den Tisch. Bestimmt bestand ihr halber Rücken gleich aus Farbe. Ich musste grinsen. "Nee, ein Typ.", sagte ich. "Und?" "Was und?" Sie schüttelte den Kopf: "Lass dich einfach nicht schwängern." Ich verdrehte die Augen. "Wieso sollte ich?" "Naja..."

Maja riss meinen Schrank auf. "Ist irgendwas in der Wäsche?", fragte sie mich. "Ich besitze keine Waschmaschine und nein, alles grade da." Sie seufzte. "Die Shorts nehmen wir nicht. Was ist mit dem Rock?" "Der ist ziemlich kurz.", sagte ich. "Deine Jeans ist viel zu zerrissen. Was ist mit der schwarzen?" "Die hat auch Löcher." "Aber wenigstens nur an den Knien." Das war auch die einzige Möglichkeit, die ich noch besaß. Majas Sachen wären mir alle viel zu klein. Ich war nun mal nicht 1,55 und schlank wie eine Elfjährige. Wobei mir mittlerweile meine Sachen auch alle zu groß geworden waren. Sie sah meine Oberteile durch. "Eine Bluse und die ist nicht gebügelt.", stöhnte sie. "Der Rest ist unbrauchbar." Der Rest war auch nur ein Pulli und zwei Shirts. "Dann ziehe ich die trotzdem an.", sagte ich.

Sie nickte sah aber besorgt aus.

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