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Kapitel 5 - Die erste Nähe zueinander

Stundenlang saß Jarno in derselben Position da und starrte aufs Wasser, während er Anjuli fest in seinen Armen hielt. Das Mädchen hatte so lange geweint, bis sie aus Erschöpfung eingeschlafen war. Sanft um sie nicht zu wecken hatte der Erzengel in Menschengestalt sie auf seinen Schoß gezogen, um sie noch enger an sich zu drücken und zu wärmen. Ab und an steckte er eigenartige Blicke vorbeilaufender Passanten ein diese ihn jedoch kalt ließen. Natürlich ist es nichts Alltägliches ein Mädchen zu sehen das auf dem Schoß eines Mannes schlief und Jarno wusste das die Menschen wussten das er ein fremder war. Dieses Dorf war so klein, dass sich jeder untereinander kennen würde, doch niemand kannte Jarno.

Auch war es für ihn ein entspanntes Gefühl wie sich der kleine Körper gleichmäßig auf ihm hebt und senkt.

Wie die zarten Finger sich an seinem Pullover festkrallten und sie ihr Gesicht enger an seiner Brust vergrub. „Herr?“ Jarno spielte seit Stunden mit dem Gedanken sich dem allmächtigen zu zuwenden und ihn um Rat zu bitten. Er wollte wissen, was dieses Gefühl war, welches ihn nicht mehr loszulassen schien.

„Wie kann ich dir behilflich sein Jarno?“ Tief durchatmend überlegte der Engel wie er dieses Thema nun ansprechen sollte. Er hatte noch nie so gefühlt und irgendwie…er wollte dieses Gefühl auch nicht wieder verlieren. Erst redete Jarno sich ein, dass dies eine Nebenwirkung der Verwandlung in einen Menschen wäre, doch etwas sagte ihm das dies nicht der Wahrheit entsprach. „Was ist dieses Gefühl, das ich empfinde Gott? Es lässt mich seit dem Moment als ich dieses Mädchen sah nicht mehr los und ich möchte wissen was dies zu bedeuten hat. Bitte gebt mir eine Antwort.“

Jarno legte den Kopf in den Nacken während er auf eine Anwort wartete. Er spürte wie sein Herzschlag immer schneller wurde und seine Glieder begannen unkontrolliert zu zittern trotz das ihm nicht kalt war. „Ach Jarno das, was du seit diesem Moment empfindest, ist alles.“ Mit solch einer Antwort hatte der Engel nicht gerechnet. „Was soll das genau bedeuten Herr? Was meinen sie mit alles?“ Jarno hasste es, wenn Gott in Rätseln sprach, doch noch mehr hasste er es das er dagegen nichts tun konnte. „Es bedeutet was es bedeutet mein Sohn. Du musst nur herausfinden, was es für dich bedeutet“, und mit diesen letzten Worten ließ er Jarno sich selbst zurück. „Danke für nichts oh Herr“, schnauzte er vor sich hin den Blick in den Himmel gerichtet, wo sich die ersten Sterne begannen zu zeigen.

„Was hast du gesagt?“

Erschrocken blickte er nach unten als er die verschlafene Stimme von Anjuli vernahm. Er hatte dies anscheinend so laut gesagt das sie durch den Krach wach geworden war was den Engel etwas enttäuschte. Gerne wäre er die ganze Nacht so dagesessen und hätte mit seinen Fingern durch ihr weiches Haar gestrichen. Sich die Augen reiben stieß Anjuli sich ein Stück weit von seiner Brust ab und setzte sich auf. Noch etwas benebelt da sie gerade erst aufgewacht war streckte sie sich auf dem Schoß von Jarno und entließ ein leises Gähnen aus ihrem Mund.

Was sie jedoch nicht mitbekam, war das Jarno sich verspannte als sie sich auf seinem Schoß rekelte und dabei seinen Schritt streifte. Es war ein eigenartiges Gefühl welches Jarno für den Moment den Verstand raubte und er sich dabei erwischte das er sich wünschte sie würde das noch einmal machen. Ein kribbelnder Blitzschlag dieser durch seinen Körper pulsierte.

„Jarno geht es dir gut?“, fragte sie ihn. Sich schnell wieder fassend sah er nach unten in die wunderschönen karamellfarbenen Augen diese seinen entgegenblickten. Er hatte Angst vor diesen Gefühlen, die seinen Körper und seinen Verstand wie eine Welle fluteten. „Ja…ja mir geht es gut keine Sorge.“ Leicht schob er an ihrer Hüfte und half Anjuli sich auf die Beine zu stellen. Noch etwas wackelig setzte sie einen Fuß vor den anderen da ihre Beine durch die Stundenlang kauernde Position auf ihm eingeschlafen waren. Erst als er sich sicher war, dass sie wach genug war, ließ er ganz von ihr ab. Jarno musste sich zusammenreißen nicht dem drang nachzugeben ihre Hand zu ergreifen. Er verstand nicht was mit ihm los war und Gott war ihm in den dunkelsten Stunden seiner selbst auch keine Hilfe.

-

„Danke das du mich nachhause begleitet hast es war ein wunderschöner Tag.“ Schweigend blickte Jarno nach unten. Er sagte kein Wort. Zu verzaubert war er von Anjulis Erscheinung und dem klang ihrer Stimme. Es war wie eine unsichtbare Macht diese ihn steuerte. Ihn dazu brachte sich ein stück weit nach unten zu beugen, bis ihre Augen auf der gleichen höhe waren. „Ich fand auch dass es ein wunderschöner Tag war wunderschönes Wesen.“ Mit diesen Worten schloss Jarno seine Augen und legte seine Lippen auf die ihren. Er konnte spüren, wie der kleine Körper erzitterte, ehe er sich entspannte und sie den Kuss erwiderte. Genau in diesem Moment als Jarno spürte das Anjuli sich im hingab und er den Gegendruck an seinen Lippen vernahm verflüchtigte sich der Nebel in seinem Geist und er ließ von ihr ab.

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Geschockt starrte er auf sie hinab. Er wusste nicht, was in diesem Moment in ihn gefahren war. „Anjuli es…es tut mir so leid ich weiß nicht was über mich gekommen ist.“ Sie wollte gerade etwas erwidern als sich hinter ihr die Tür öffnete und ihr Vater über die schwelle trat. „Was um Himmels willen machen sie hier mit meiner Tochter?“, schrie er Jarno an. Der Geruch von Alkohol deutlich in seinem Atem wiederzuerkennen. „Papa er hat mich nur nachhause gebracht das ist alles.“ Anjuli wusste selbst nicht so recht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte und so verabschiedete sie sich schnell bei Jarno und lief in das Haus hinauf in ihr Zimmer. Kurz warf ihr Vater einen Blick über seine Schulter bevor er sich wieder dem Erzengel in Menschengestalt widmete.

„Wenn ich sie noch einmal in der Nähe meiner Tochter sehe, werde ich sie töten.“ Der Engel zuckte zusammen als ihm die alte Holztür vor der Nase zugeknallt wurde. Es war das erste Mal das er sich in einer Situation hilflos und überfordert fühlte. Eine geraume Zeit lang starrte er noch auf das morsche Holz ehe er sich dazu entschied in seine Unterkunft zurückzukehren, um sich auszuruhen.

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