Kapitel 4: Wiedergeburt
Ein stechender Schmerz durchfuhr Noras Unterleib.
Musste man selbst im Tod noch solchen Schmerz empfinden?
Waren sie und Emily nun beide in der Hölle?
Konnte sie ihren Vater hier wiedersehen?
Sie kämpfte darum, die Augen zu öffnen, doch ihre Lider waren bleischwer.
Stimmen drangen an ihr Ohr.
"Heute ist mein Geburtstag! Kommt heute Abend alle zu mir zum Essen!" Das war die durchdringende Stimme von Maxis Schwester, Karoline Sacher.
"Klasse! Noras Essen ist einfach unschlagbar - ich will Rindergulasch!"
"Schweinshaxe!"
"Apfelstrudel!"
Eine Mädchengruppe rief durcheinander ihre Wünsche in die Runde.
Da warf ein Mädchen neugierig ein: "Karoline, kann eure Köchin wirklich alle möglichen Gerichte?"
Gelächter brach aus.
"Was für eine Köchin? Das ist Karolines zukünftige Schwägerin!"
Das Mädchen schien erstaunt: "Deine zukünftige Schwägerin richtet dir deine ganze Geburtstagsfeier aus?"
"Haha, das begreifst du nicht. Nora ist der treue Hund meines Bruders. Die würde für ihn alles machen! Kochen ist doch da noch das Geringste!"
Karoline plusterte sich auf: "Mein Bruder ist erfolgreich und sieht gut aus. Nora hat nicht mal einen Job und lebt von seinem Geld. Da muss sie sich halt um mich und Mama kümmern, sonst heiratet er sie nie!"
...
Diese Stimmen... Nora riss jäh die Augen auf!
Sie fuhr im Bett hoch und starrte sich um. Das hier war... ihre alte Wohnung mit Maxi!
War sie etwa nicht tot?
Ihr Blick fiel auf die Wanduhr: 8. Juli 2015.
Nora erstarrte völlig.
Vor fünf Jahren - sie war tatsächlich fünf Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt!
Sie starrte auf ihr Handgelenk - die Narben der Pulsaderschnitte waren verschwunden, die Haut makellos glatt.
Wiedergeburt! Sie war tatsächlich wiedergeboren!
Wenn ihr das Schicksal eine zweite Chance gab, dann würde sie diesmal... Rache nehmen. An ihrem Vater. An Maxi. An Emily. Sie würden alle bluten!
Bumm! Bumm! Bumm!
Karoline hämmerte gegen die Tür.
Nora erinnerte sich: Der achte Juli. Der Todestag ihres Vaters - und ausgerechnet Karolines Geburtstag. In ihrem letzten Leben hatte sie Karoline bedient und die Gedenkfeier für ihren Vater versäumt. Emily hatte das geschickt ausgenutzt, und sie hatte bei ihren Onkeln every Glaubwürdigkeit verloren.
In diesem Leben würde sie das nie wieder zulassen!
Nicht nur wegen der späteren Unterstützung durch die Onkel, sondern vor allem, weil sie ihren Vater schmerzlich vermisste. Sie wollte um Vergebung flehen.
Nora schwang die Beine aus dem Bett, riss die Tür auf und musterte Karoline eisig: "Was willst du?"
Karoline schrak unter diesem Blick zusammen. Irgendetwas war heute anders in Noras Augen...
Doch sie schüttelte das Gefühl ab und befahl herablassend: "Nora, heute ist mein Geburtstag. Ich habe Gäste zum Essen eingeladen. Beeil dich und koch was Ordentliches!"
Dann sprach sie ins Handy: "Was wollt ihr essen? Sagt schon, sie soll's einkaufen!"
Am anderen Ende der Leitung riefen die Mädchen ihre Bestellungen.
Karoline warf Nora einen verächtlichen Blick zu: "Hast du alles verstanden? Wenn's nicht in deinen Kopf reingeht, hol dir Papier und schreib's auf!"
Nora lächelte spöttisch, ihre Augen blitzten kalt: "Wenn du Gäste einlädst, dann koch ihnen doch selbst was."
"Was hast du gerade gesagt?" Karoline traute ihren Ohren nicht.
"Bist du in deinen jungen Jahren schon schwerhörig?" Nora ließ jede Worte eisig fallen. "Ich sagte: Wenn du Gäste einlädst, koch selbst."
Karoline zitterte vor Wut: "Mein Bruder hat aber gesagt, dass du..."
Bumm!
Die Tür schlug ihr mit voller Wucht vor der Nase zu.
Karoline raste und trat gegen die Tür: "Nora! Sobald mein Bruder und Mama weg sind, benimmst du dich so? Ich ruf meinen Bruder an!"
Sie schrie ins Telefon: "Habt ihr das gehört? Zeigt sie ihr wahres Gesicht, sobald sie allein ist! Mein Bruder wird sie schon in die Schranken weisen!"
"Karoline, lass sie auf Knien um Verzeihung bitten!"
"Mach ein Video! Ich will sehen, wie sie vor Maxi kriecht!"
Die Mädchen hetzten sie auf.
Karoline grinste grimmig: "Gut! Wenn mein Bruder heimkommt, zeig ich euch, wie sie winselt!"
Hinter der Tür lachte Nora leise und kalt. Sie drehte sich um und ging unter die Dusche.
Später, in einem schlichten schwarzen Abendkleid, öffnete sie die Tür - und stand direkt Maxi gegenüber, der gerade nach Hause kam.
Er trug einen teuren Maßanzug, das Haar perfekt frisiert - das Bild des erfolgreichen Geschäftsmannes. Keine Spur mehr von der früheren Armut.
Maxi hatte stets Angst gehabt, als Gigolo zu gelten. Seit seine Firma florierte, legte er größten Wert auf sein Äußeres.
Als er Nora sah, verdüsterte sich sein Gesicht sofort.
Nora dagegen lächelte.
Die Rache begannt.
