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Kapitel 02

"Verschwinde Kylie!" fauchte meine Mutter. In ihrer Stimme hörte ich Wut aber vor allem Sorge. Sorge um mich. Wenn ich mich heute versuche daran zu erinnern wie ich von dem Stuhl, in den Geheimraum, der zum Schutz für uns eingerichtet wurde, gekommen bin und mich versteckt habe, blitzten nur noch einzelne Bilder vor meinem inneren Auge auf. Mein Vater, der den Mann dank seiner Kraft in einen Eisblock einfror und meine Mutter, die mir zu schrie ich solle mich solange verstecken, bis Jaymi zu mir kommt. Jaymi, mein persönlicher Wächter, hieß eigentlich Jaymaro Skorwatzki, da wir uns aber schon seit ich ein Kleinkind war kannten und ich früher seinen Namen nicht richtig aussprechen konnte, wurde er zu Jaymi. Ich erinnere mich noch gut, wie ich im dunklen gehockt habe, an der Wand zusammengesunken und bei jedem Schrei und dem dumpfen Geräusch eines auf den Boden aufprallenden Körpers zusammen gezuckt bin. Ich hätte Licht anschalten können, doch die Angst entdeckt zu werden war zu groß. Zudem fühlten sich meine Knochen wie Wackelpudding an und ich glaubte nicht aufstehen zu können.

Heute frage ich mich immer, warum meine Eltern mir nicht gefolgt sind. Diese Frage beschäftigte mich allerdings auch schon damals und ich fing an zu zittern. Dann ertönte ein lauter Schrei, welcher ohne Frage der meiner Mutter gewesen war. Kurz darauf durchriss wieder ein Schrei die Luft. Er war voller Wut und Trauer. Sekunden später ertönte Jubelgeschrei und ich hörte wie sich schnelle Schritte entfernten und irgendwelche Anweisungen gerufen wurden. Dann war alles still, so als wäre nie etwas geschehen. Ich versuchte mit zitternden Knien aufzustehen, ich wusste, ich hätte warten solle, aber ich musste wissen, was passiert war. Ganz tief in meinem Herzen kannte ich die Antwort bereits, trotzdem und mit der Angst was ich sehen könnte, verließ ich das Versteck.

Was ich sah, schockte mich so sehr, dass ich auf die Knie fiel und hemmungslos anfing zu weinen. Tränen verschleierten meine Sicht und trotzdem konnte ich noch die vielen leblosen Körper auf dem Boden sehen, der beißende Geruch von Blut lag in der Luft. Mehrere Wächter lagen auf dem Boden, so wie einige Männer in schwarzen Umhängen, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, kaputte Stühle waren im Raum verteilt und der große Tisch wurde umgekippt und in zwei Hälften verteilt. In dem Moment dachte ich nicht daran, dass man mich finden konnte, meine ganze Aufmerksamkeit galt den beiden Personen die in der Mitte des Raums, in einer großen Blutlache lagen. Die eigentlich blonden Haare meiner Mutter hatten sich an den Spitzen rot gefärbt und ihre Augen waren geschlossen, sie sah friedlich aus. Würde man das viele Blut ausblenden könnte man meinen, dass sie nur schliefe. Mein Vater hatte ebenfalls seine Augen geschlossen, doch sein Gesicht war verzerrt und ich konnte den Schmerz darin lesen. Ich presste die Hand vor meinem Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Ich musste stark sein, ich hätte mit kämpfen sollen. Natürlich wusste ich irgendwo in mir, dass ein Engel, der weder richtig mit einer Waffe umgehen konnte, noch seine magischen Kräfte besaß, keine große Hilfe war. Trotzdem fand ich es in dem Moment so ungerecht, dass sie Tod zu meinen Füßen lagen, während ich lebte. Nur mein Schluchzten unterbrach in unregelmäßigen Abständen die unheimliche Stille.

Dann wurde die große Eichentür ein weiteres Mal aufgestoßen. Sie waren zurückgekommen, das war mein erster Gedanke, mein zweiter war Scheiße. Nicht sehr intelligent, ich weiß. Ohne richtig darüber nachzudenken, richtete sich mein Körper wie monoton auf. Mein Blick glitt durch den Raum, wobei ich versuchte meinen, durch den Gestank des Blutes, der in der Luft lag, aufkommenden Brechreiz zu unterdrücken. Leicht wackelnd stand ich auf meinen Beinen, um, nachdem ich gesehen hatte, wer eilig und mit einem gehetzten Ausdruck in seinen, sonst so freundlichen bernsteinfarbenen Augen, in den Raum schritt, wieder mit einem erleichterten Seufzer auf den Boden zu gleiten.

Die Schritte näherten sich und eine Hand fasste mich an den Schultern "

Kylie" die Stimme, die meinen Namen flüsterte klang ungewohnt brüchig.

"Jaymi!", wisperte ich ebenfalls tonlos zurück. Immer wieder stammelte ich unabhängige Sätze, Schreie hallten wieder und wieder in meinen Kopf nach und die Tränen hinterließen einen salzigen Nachgeschmack auf meinen Lippen, bis sie mir endgültig die Sicht

verschleierten.

"Prinzessin ich werde sie in Sicherheit bringen, wir müssen uns beeilen, jetzt ist nicht die Zeit zu trauern!"

Wie konnte er so etwas sagen? So kalt reagieren? wütend schlug ich seine Hand weg. Plötzlich legte sich dicker Nebel über meine Gedanken und ein ruhiges Gefühl überkam mich, erst versuchte ich gegen die Geist Magie, welche Jaymi benutze anzukämpfen und meine Schutzwand aufrecht zu halten, doch wie auch zu vor in den vielen Unterrichtsstunden gelang mir das nur einige Sekunden. Zudem war Jaymi's Magie sehr stark, während ich total durcheinander war und schon noch einiger Zeit der Konzentration Kopfschmerzen bekam.

Wie in Trance richtete ich mich auf, schenkte meinen Eltern noch einen letzten traurigen Blick und drehte mich um. Im Gehen wischte ich mir über die Augen, neben mir rannte Jaymi schon fast und ich hatte Mühe mitzuhalten. Jetzt wo meine Gedanken nicht wie wild in einem Hurrikan durch meinen Kopf toben, fing ich an alles zu verarbeiten. Die Ruhe und Zufriedenheit in mir fühlte sich zwar falsch an, doch ich hatte keine Kraft um dagegen anzukommen, wenngleich es mir überhaupt nicht behagte nicht mehr Herr über meine Gefühle zu sein, musste ich dann doch zugeben, dass das in dieser Situation das Beste war. Wir verließen den Speisesaal und betraten einen langen Flur. Die Wände waren mit goldschimmernden Verzierungen geschmückt, alles wirkte so vertraut und dann doch so fremd. Nichts deutete auf das hin, was noch vor ein paar Minuten geschah und die Gewissheit, dass die Welt sich trotzdem weiter drehte, ohne einmal kurz innezuhalten und die Toten zu beklagen, nagte an meinem Herzen.

Wieder und wieder bogen wir ab und durchquerten im Laufschritt verschiedene Räume "Wer sind Sie und was wollen Sie!" fragte ich krächzend und in leichter Atemnot. Allerdings bekam ich statt einer hilfreichen Antwort nur einen strafenden Blick. Es wollte irgendwie nicht in meinen Kopf rein, dass ich die Gejagte in meinem eigenen Zu Hause war und ich blieb provozierend stehen.

"Bist du mir sagst, was das für Leute waren, die meine Eltern umgebracht haben, setzte ich keinen Fuß mehr vor den anderen!"

Jaymi's gehetzter Blick schweifte einmal durch den Raum, als er gerade zu einer Antwort ansetzen wollte (Ich glaube, er wusste, dass es keinen Sinn gemacht hätte zu protestieren, da seine magische Wirkung auf mich sowieso schon schwächer geworden war und ich verdammt stur sein konnte) hörten wir, wie sich von hinten schwere Schritte näherten.

Die rechte Hand meines Gegenübers glitt zu dem Schwert, welches an seiner Seite hing, während er die linke Hand zu seinen Lippen führte und mir gebot leise zu seien. Ich versuche meine aufkommende Panik zu unterdrücken und sah mich in Gedanken fluchend um. Der Raum war klein, mit allerlei altem Gerümpel vollgestopft und bot so gut wie keine Möglichkeit sich zu verstecken, nicht dass ich glaubte, dass Jaymi dies vorhatte. Seinem grimmigen Gesichtsausdruck nach zu urteilen war er ziemlich entschlossen zu kämpfen, sollte es erforderlich sein.

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