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Katalia

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Snowleopard074nit
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Zusammenfassung

Jeder Tag ist ein Überlebenskampf für Katalia und ihren besten Freund Martinus. Die Beiden gehören zu den ärmsten Bewohnern der Stadt Dun und führen miserable Existenzen. Für Katalia ist klar: Sie muss irgendwie genug Geld verdienen um es von den schmutzigen Gassen bis nach oben zu schaffen. Doch wie weit würde sie dafür gehen? Und kann ihre Freundschaft mit Martinus das überleben? Spätestens, als Katalia die geheimnisvolle Eiwie kennenlernt wird ihr klar, dass außerdem nicht alles Gold ist was glänzt...

MittelalterlichTragödieFreundschaftSpannungHistorischVerrat

Auf dem Marktplatz

Der heißeste Punkt des Tages war noch nicht einmal erreicht, doch die Sonne brannte jetzt schon unerträglich vom Himmel.

Katalia war als würde die Luft vor ihren Augen flimmern vor Hitze. Sie war niemand dem heiße Tage groß zu schaffen machten, eigentlich gefielen sie ihr sogar, doch auch sie hatte Grenzen. Leise die brennende Sonne verfluchend wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.

Nichtsdestotrotz war der Marktplatz den sie jetzt erreichte geschäftig.

Händler spazierten vor ihren Ständen auf und ab und priesen lautstark ihre Waren an. Männer, Frauen und Kinder tümmelten sich dazwischen. Vereinzelt waren Tücher aufgespannt worden, um ein wenig kühlenden Schatten zu spenden.

Die Menge bestand aus den unterschiedlichsten Gestalten. Alte, junge und mittelalte Männer. Frauen, Ehepaare, Familien mit Kindern, Sklaven, Bettler und freie Menschen. Alle in den bunten Gewändern der Dunja gekleidet.

Die schwere, trockene Luft roch nach dem Essen und den Gewürzen die die Händler anboten, dem Mist auf den Straßen und den Blüten der Jahreszeit. Die Gerüche änderten sich mit jedem Schritt den Katalia machte. Sie waren so stark, dass sie wie benebelnd wirkten.

Nun am Marktplatz angekommen, verlangsamte das Mädchen ihren Schritt. Mit wachsamen Augen schlenderte sie von Stand zu Stand, ließ sich von der Menge treiben und erfasste ihre Umgebung. Sie war aus einem Grund hier.

Eine Gruppe junger Mädchen, nur etwas älter als Katalia, begeisterten sich über die Kostbarkeiten an einem Schmuckstand, während ihnen der Verkäufer um die Beine strich. Ein Liebespaar teilte sich ein Stück Honigkuchen, eine ältere Frau feilschte lautstark mit einem Gemüsehändler. Bettler lungerten herum und fragten kläglich nach Almosen.

Katalia drehte sich einmal um die eigene Achse und tat so als würde sie nach jemandem Ausschau halten, in Wirklichkeit betrachtete sie die Stände. Meistens war es sowohl einfacher als auch unauffälliger einen Händler zu bestehlen, anstatt sein Glück bei Passanten zu versuchen.

Ein Stand der buntes Tuch und "Numbii", verzierte Tücher die man in Dunja traditionell zu Festen trug, verkaufte, stach ihr ins Auge. Er war am Rande des Marktes, direkt neben dem Eingang einer Gasse die Katalia in und auswendig kannte. Der Verkäufer, ein älterer Mann, war ins Gespräch mit einer Kundin vertieft. Perfekt!

Katalia änderte ihre Richtung und steuerte den Stand mit den Tuchwaren an. Als sie an einem Obst- und Gemüsestand vorbeiging knurrte ihr Magen und erinnerte sie daran, dass sie heute noch nichts gegessen hatte. Unauffällig griff sie im vorbeigehen nach einem Apfel und ließ ihn in ihrer Rocktasche verschwinden.

Je näher sie dem Tuchstand kam, desto mehr zitterten ihre Hände. Ihr Hunger und die Hitze waren vergessen, es zählte nur noch die Auswahl an bunten Tüchern vor denen sie jetzt stand.

Katalina ließ sich nicht anmerken wie nervös sie war, sondern betrachtete betont entspannt die Ware. In ihren Inneren rumorte es. Würde sie sich jemals hieran gewöhnen?

,,Fragen sie mich ruhig, wenn sie Hilfe benötigen, Mädchen."

Der Verkäufer grüßte sie mit einem freundlichen Nicken, dabei fiel sein Blick auf ihre bloßen Füße und ihre abgewetzte Kleidung.

Das Oberteil war aus einem Kartoffelsack hergestellt worden. Katalina hatte erst gestern versucht es mit Nadel und Faden irgendwie schöner aussehen zu lassen, doch der spröde Stoff war ihr fast unter der Nadel zerfallen. So hatte sie nur ein wenig daran herumgeschnitten um es praktischer für die kommenden heißen Sommerwochen zu machen. Dazu trug sie einen gewickelten, roten Rock, der einst knöchellang gewesen war, aber jetzt kaum noch ihre Knie verdeckte.

Sie hatte sich heute Morgen zwar gründlich am Brunnen gewaschen, um wenigstens nicht schmutzig zu sein, doch trotzdem war ihre Armut für jeden offensichtlich. Alte, abgewetzte Kleidung, bloße Füße, knochige Arme und Beine. Kein Schmuck, bis auf zwei winzige, schmale Kupfer Ohrringe. Jeder konnte erkennen, dass sie arm war.

Ob die Leute auch ahnen konnten wie arm sie war?

Arm genug um einen alten Mann zu bestehlen der sie trotz ihrer Erscheinung wie eine normale Kundin behandelte. Arm genug um zu warten bis er sich wieder dem Gespräch mit der Frau zugewandt hatte, die er zu kennen schien. Arm genug um nach einen der reichlich verzierten "Numbii" zu greifen und diesen blitzschnell unter ihr Oberteil zu stopfen. Arm genug um in schnellem Tempo auf den Eingang der Gasse zuzugehen.

,HEY!" Die Stimme des Mannes war überraschend laut und kräftig.

,,Haltet sie! Sie hat etwas gestohlen!"

Katalina hörte die Frau, mit der er geredet hatte erschrocken aufkreischen. Dann rannte sie.

In die Gasse hinein, einem leeren Karren ausweichend, rannte sie so schnell ihre Füße sie trugen. In langen Schritten flog sie geradezu an den steinernen Häusern vorbei.

Da sie sich in einem Viertel befand was eher am Rande der Stadt lag, war der Boden nicht geflastert und ihre bloßen Füße wirbelten Staub auf der an ihrer verschwitzten Haut haften blieb.

Die schmale Gasse schlängelte sich zwischen den Häusern hindurch und endete schließlich in einer größeren Straße. Ohne anzuhalten rannte Katalia weiter und bog in eine der Seitenstraßen ab.

Eine Weile rannte sie ziellos durch verschiedene Gassen und versuchte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und den Marktplatz zu bringen. Erst als sie sich ganz sicher war, dass niemand hinter ihr her war blieb sie heftig keuchend stehen und holte den Apfel aus ihrer Rocktasche hervor.

Hungrig kauend machte sie sich in gemächlichem Tempo auf den Weg zu dem großen Park, der den Mittelpunkt der Stadt Dun bildete. Dort würde sie Martinus treffen.

Er stand schon unter dem Magnolien baum und wartete auf sie. Sein gewickeltes Gewand war dunkelgrün mit rot - weißer Musterung. Wie Katalia hatte er wild gewellte schwarze Haare, die ihm in die Stirn hingen. Seine dunklen Augen blickten ernst und er lächelte kaum als er sie sah.

Ihr Herz sank. Sie wusste was das bedeutete.

,,Hast du heute Glück gehabt, Martinus?"

Er schüttelte wortlos den Kopf.

Martinus war ihr bester Freund seit Kindertagen. Sie wurden oft für Bruder und Schwester gehalten und waren auch tatsächlich wie Geschwister aufgewachsen.

Die verschiedenen Ausdrücke auf seinem Gesicht waren eine Sprache die sie besser verstand als Worte und jetzt grade teilte sein Gesicht ihr mit, dass er heute erneut keine Arbeit gefunden hatte.

,,Es ist wie verflucht!"

Stieß er frustriert aus.

,,Vor ein paar Wochen habe ich es immerhin noch geschafft mich als Tagelöhner zu verdienen, aber selbst der Bedarf für Tagelöhner scheint jetzt gedeckt zu sein. Seit der Eroberung der Schault Region, kann sich auf einmal jeder Esel einen Sklaven leisten! Von den langfristigen Berufen möchte ich gar nicht erst reden. Ich habe heute bei mindestens zwölf Läden an die Türe geklopft, aber wurde immer wieder abgewiesen."

Katalia sah ihn mitleidig an.

,,Entschuldigt, junger Mann, aber wir brauchen jemanden der in der Lage ist zu lesen und zu schreiben." Äffte er den hochnäsigen Ton eines Ladenbesitzers nach.

,,Bei der Sonne und den Sternen! Warum sollte jemand in der Lage sein müssen zu lesen und zu schreiben, um Teppiche zu verkaufen?!"

,,Nun, vermutlich um Buch über die Verkäufe zu führen." Antwortete Katalia ehrlich.

Martinus stöhnte nur zur Antwort.

,,Hast du wenigstens Glück gehabt, Katze?"

Schon als sie klein gewesen waren, hatte er es geliebt ihr Spitznamen zu geben. Aus "Katalia" wurde "Kata", aus "Kata'' wurde "Kat", aus "Kat" wurde schließlich "Katze". Manchmal auch "Kätzchen".

Es passte gut zu ihr, sagte er immer. Denn sie wäre flink und geschmeidig wie eine Katze.

Leicht lächelnd zog Katalia den "Numbii" hervor.

,,Ich wurde vom Verkäufer erwischt, als ich ihn gestohlen habe, deswegen warte mit dem Verkauf mindestens bis morgen." Wies sie Martinus an.

,,Du kannst die Kette von gestern heute verkaufen. Versuche es bei dem einen Laden östlich von hier. Den mit dem Besitzer der aussieht wie eine Ratte. Ihn scheint es nie groß zu kümmern, von wo seine Waren herkommen."

Es war eine Sicherheitsmaßnahme, dass sie sich mit dem verkaufen von Katalias Diebesgut abwechselten und immer mindestens einen Tag zwischen stehlen und verkaufen verstreichen ließen.

Egal wie weit entfernt die Stände und Läden, denen sie das Diebesgut vorführten, von den Plätzen wo sie es gestohlen hatte, waren; man konnte sich nie sicher sein, dass die verschiedenen Verkäufer sich nicht kannten. Manchmal hatte das riesige Dun etwas von einem Dorf.

Martinus nickte und nahm ihr den "Numbii" ab.

,,Ich vermute du musst jetzt wieder nach Hause zu deiner Mutter?" Fragte er.

Sie nickte. ,,Richtig, ich beeile mich besser. Treffen wir uns bei Sonnenuntergang erneut hier?"

,,Ja. Dann gehe ich jetzt herausfinden wie viel der alte Rattenmann bereit ist für die Kette herauszurücken. Und dann versuch ich es weiter."

Er seufzte tief, strich sein Gewand glatt und wandte sich zum gehen. Katalia machte sich ebenfalls auf den Weg. Sie hatte ihre Mutter schon zu lange allein gelassen.