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2. Kapitel

Ana lächelte Momo dankbar an. Ein neues Leben. Das klang einerseits spannend, aber andererseits fragte Ana sich, warum ausgerechnet die ausgewählt worden war. Sie blickte sich in dem Speisesaal um. Warum war sie hier? Ganz allein unter Fremden.Wann würde sie ihre Eltern wieder sehen? Warum hatten diese sie hierher geschickt? Weshalb hatte die ihr zu Hause verlassen müssen? Ana erinnerte sich an den Tag, als wenn es gestern gewesen war. Am Morgen, nachdem ihre Eltern ihr eröffnet hatten, dass sie die Schule wechseln musste, war ihre Mutter mit ihr shoppen gefahren. Auf Anas Fragen hatte sie nicht reagiert. Warum hatte die Mutter geweint, als der Brief kam? Und jetzt tat sie so, als wenn es ganz normal war, dass Ana auf dieses Internat gehen sollte.

Schon drei Tage, nachdem Ana von der Acedemy of Power erfahren hatte, brachten ihre Eltern sie dort hin. Sas erste, was sie von der Schule sah, waren die künstlich angelegten Wasserwege, die das Schulgelände umschlossen. An mehreren Stellen gab es Brücken, die auf die große Insel führten, auf denen die unterschiedlichen Gebäude angeordnet waren. Das Herz des Geländes bildete ein großes U- förmige Gebäude, was in seinem Aussehen ein wenig an das Märchenschloss erinnerte, das Ana in alten Büchern bei ihrer Oma entdeckt hatte. Darum herum ordneten sich die anderen Gebäude kreisförmig an. Diese Gebäude passten im Stil oberflächlich zu den anderen. Alle Gebäude waren mit Stuck verziert, dass ihnen einen leicht altmodischen Look verpassen sollte. Doch große Glasfenster und schlichte Marmorsäulen zeigten davon, dass die Gebäude neueren Datums entstanden waren. Mit klopfendem Herzen und trockenen Lippen betrat Ana zum ersten Mal das Internatsgelände.

Zwischen den einzelnen Gebäuden waren Beete mit wunderschönen Blumen und Gemüsebeete mit Pflanzen und Früchten, von denen Ana zum Teil noch nicht einmal gehört hatte. Zwischen den Beeten sah sie grün gekleidete Arbeiter, die die Pflanzen wässerten.

Ana blickte fasziniert auf die Vielfalt. Sie erkannte nur einen Teil der Pflanzen von den Besuchen bei ihrer Großmutter, die noch einen Garten bewirtschaftete. In der Stadt, in der sie mit ihren Eltern lebte,wurden die Lebensmittel tiefgefroren in riesigen Supermärkten bestellt. Jede Wohnung besaß eine Gefrierraum, in dem die Einkäufe lagerten. Jeder dieser Gefrierräume war mit dem Wohncomputer der Familie verbunden, die dort lebte. Der Computer enthielt das sogenannte Ernährungsprogramm. Bestimmte Vorlieben der einzelnen Familienmitglieder wurden eingegeben und so erstellte der Computer dann Ernährungspläne für die ganze Woche. Das Gerät bestellte dann die Waren automatisch im Supermarkt. Nur wenn die Familie einmal Lust auf etwas besonderes hatte, ging die Mutter in den Supermarkt. Dazu besaß die Familie eine Kühlbox, in der die Einkäufe tiefgekühlt blieben, bis sie zu Hause die Aufnahmekontrolle durch den Gefrierraum überstanden hatten. Der Computer überprüfte alle Lebensmittel auf Frische. Wenn der Computer ein Lebensmittel nicht akzeptierte, blieb seine Tür auch für die übrigen verschlossen.

Dies war wichtig, weil seit dem GAU, der die Welt verändert hatte, die Qualität der Lebensmittel strengen Kontrollen unterlag. Die Behörde verlangte, dass auch Privatleute ständig die Restradioaktivität prüften, die die Lebensmittel enthielten. Die Menschen waren zwar inzwischen in soweit immun gegen die Strahlung, dass sie verstrahlten Lebensmittel zu sich nehmen konnten und daran nicht starben. Doch war ein übermäßiger Genuss von radioaktiven Lebensmitteln nicht zu empfehlen, weil diese zu Magenverstimmungen und schwerem Durchfall führten. Gerade bei kleinen Kindern war dies oft zu beobachten. Die Behörde empfahl daher Eltern, ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr mit Nahrungskapseln zu versorgen. Erst ab vier Jahren konnte der Körper der Kinder langsam an die Radioaktivität gewöhnt werden.

Anas Blick streifte durch den Speisesaal. Es war ein modern eingerichteter, rechteckiger Raum mit hohen Fenstern an beiden Seiten. Durch diese fiel die Abendsonne auf die Einrichtung. An den Wänden hingen Gemälde.

Ana sah Personen, Männer, Frauen und Kinder,in altmodischer Kleifung, die in Gruppen beisammen standen. Ein Bild stellte unzweifelhaft ein Dorf dar. Erstaunlich viele kleine Häuschen waren zu erkennen. Vor jedem dieser Häuschen war ein Garten mit Bäumen und Sträuchern abgebildet. Auf einigen Bildern blühten sogar Blumen. Jedes Haus hatte seine eigene Rasenfläche. Ein Mann stand vor der Eingangstür seines Hauses. Hinter ihm stand ein - ja das musste ein Hund sein. Jedenfalls hatte Ana davon gehört, dass die Menschen früher Hunde an Leinen spazieren geführt hatten. Ana nahm ihre Brille ab und rieb sich die Augen. Die Kontaktlinsen lagen in ihrem Zimmer. Ihre Finger hatten heute morgen zu sehr gezittert, um sie einsetzen zu können.

Ana erinnerte sich daran, dass ihre Mutter ihr einmal davon erzählt hatte, wie bunt und vielfältig die Welt früher gewesen sein sollte. So viele Farben. Sie konnte sich dies kaum vorstellen. Das war etwas völlig anderes, als die modernen Wohnsiedlungen, in denen die Menschen heutzutage lebten.

Dort überwog der graue Beton. Und nur die fünf unterschiedlichen Farben, in denen die Häuser gestrichen waren, brachte ein wenig Leben in die Siedlungen. Alle Häuser waren von hohen Zäunen umgeben. Wachdienste sorgten dafür, dass die geltenden Gesetze eingehalten wurden. Es gab festgelegte Zeiten, zu denen Lebensmittel angeliefert wurden. Die Ausgangszeiten wurden in den Städten streng reglementiert. Wachleute waren dafür abgestellt, die Siedlungen zu bewachen.

Ihre Oma lebte in einer der letzten Bereiche, in der noch Reste der damaligen Gartenanlagen erhalten waren. Oma selbst besaß ein kleines Stück Land, auf dem sie versuchte, Gemüse anzubauen. Ana seufzte leise, als sie an ihre geliebte Großmutter dachte.

Ihr Blick fiel auf die langen Reihen von Tischen in der Mitte des Raumes mit bunten Tischdecken und farblich dazu passenden Sitzbänken. Überall saßen Schüler saßen und unterhielten sich lebhaft. Der Geruch von gebratenem Speck zog Ana verführerisch in die Nase. Die Tische bogen sich unter den aufgetragenen Speisen. Ana wußte gar nicht, was sie zuerst probieren sollte. Alles sah so lecker aus. Da gab es Platten, auf denen sich Bratwürste türmten. Schüsseln mit allen Salatsorten, die sie je gesehen hatte. Große Obstschalen mit den unterschiedlichsten Früchten. Bratkartoffeln. Salzkartoffeln. Reis. Alle möglichen Nudelsorten standen in großen Schalen auf einem zusätzlichen Tisch im Hintergrund des Raumes.Es war einfach alles da, was sie sich vorstellen konnte.

Ana sah sich weiter im Raum um. Alle Schüler waren so mit dem Essen beschäftigt, dass sie niemand beachtete. Trotz der großen Auswahl wußte Ana nicht, was sie nehmen sollte. Die Situation zwischen all den fremden Schülern gefiel ihr gar nicht. Ana merkte, wie sich ihr Rücken verspannte. Sie hatte das Gefühl, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. Am liebsten hätte sie sich irgendwo in ein Mauseloch verkrochen.

Würde sie hier Freunde finden? Sie wollte auf gar keinen Fall wieder an den Rand gedrängt werden. Sie hasste es, neu in eine Gruppe zu kommen. Denn sie war kein Anführer- Typ, sondern hielt sich oft eher im Hintergrund. In ihrer alten Schule war sie immer eine Außenseiterin gewesen. Sie beherrschte einfach diesen smalltalk nicht, den andere Jugendliche scheinbar mühelos benutzten. Außerdem interessierte sie sich weder für Schuhe, noch für Klamotten. Sie zog sich zwar gern geschmackvoll an und wußte auch, was zu ihrem Typ passte. Jedoch verstand sie nicht, warum sich die anderen stundenlang über die neueste Schuhmode unterhalten konnten. Aber sie war einfach kein Schicki-Micki - Girl. In den angesagten Cliquen waren immer die anderen. Schon immer hatte sie es gehasst, vor anderen sprechen zu müssen. Ana wußte nicht, wie sie sich beliebt machen sollte. Sie wollte doch unbedingt dazu gehören und keine Außenseiterin sein. Ana seufzte leise. Sie bot einfach nichts, was dazu führte, dass andere mit ihr befreundet sein wollten.

"Ana?" Ana blickte erstaunt auf. Sie hatte nichts von dem Gespräch der anderen an ihrem Tisch mitbekommen. So sehr war sie in ihre trüben Gedanken vertieft. Ein gut aussehender Junge sah sie fragend an. "Ich hatte gefragt, wie du das Essen findest?" wiederholte er. "Grandios," Anas Mine hellte sich auf. "Hier gibt es einfach alles, was mir schmeckt. Und diese Mengen..Die können doch unmöglich jeden Tag solche Mengen auftischen." "Doch, können sie. Wenn wir mit unseren Kräften arbeiten, brauchen wir viel Essen. Das ist das Wichtigste. Iss immer gut und reichlich. Dann haben die bösen Kräfte keine Chance in deine Gedanken einzudringen." "Böse Kräfte?" Ana drehte sich jetzt ganz zu dem Jungen um. "Das wirst du alles in den nächsten Wochen erfahren. Übrigens, mein Name ist Jack," Er lächelte ihr zu. " Ana " stellte sie sich vor. " Nur eines. Essen ist wichtig. Wenn du satt bist, kann das Böse dich nicht angreifen. Deshalb können wir auch jederzeit in die Küche gehen und uns an den Kühlschränken bedienen. Da findet jeder immer das, was er mag. Keiner weiß, wie sie das schaffen," erklärte Jack.

Einige Minuten war nichts anderes zu hören, als das Klappern des Besteckes. Doch nach und nach legte einer nach dem anderen Messer und Gabel auf den Teller zurück. Ana streckte sich. Sie war pappsatt.

Als der letzte Schüler mit dem Essen fertig war, hörte sie, dass jemand mit einer Gabel an ein Glas stieß. Ana sah eine große, streng aussehende Frau, die eine Brille mit dicken Gläsern auf der Nase trug, jedoch über deren Rand die an den Tischen sitzenden Schüler aufmerksam musterte. "Das ist Mrs. Mabel Eva Adams, die Direktorin," flüsterte ihre Tischnachbarin, die sich ihr als Betty vorgestellt hatte. Alle Schüler erhoben sich von ihren Plätzen und hoben ihre Arme. "Arme nach vorn strecken, Handflächen nach oben," flüsterte Betty. "Guten Abend, liebe Schüler. Willkommen zu einer neuen Schulwoche an der Acedemy of Powers. Gegrüßt seinen die Götter." Alle Schüler wiederholten im Chor: " Gegrüßt seien die Götter."

"Ich begrüße euch und wünsche euch für die Woche und das aktuelle Schuljahr an der Acedemy of Powers viele neue Erfahrungen." Sie blickte die Schüler direkt an.

Ana sah, wie strahlend blau ihre Augen waren. Die Augen hatten etwas Magisches. Nachdem sie der Direktorin einmal kurz direkt in die Augen gesehen hatte, konnte sie den Blick nicht mehr abwenden. Es war, als wären ihre Augen in der Position, die sie gerade einnahmen, eingefroren.

" Wir haben eine neue Schülerin," sie nickte Ana zu, " Ana ist gerade erst angekommen. Sie wird das Zimmer mit Rina teilen," sie zeigte auf eine kleine, etwas pummelige Schülerin, die am oberen Ende der Tafel, in der Nähe des Lehrertisches saß. " Nach dem Essen zeigt ihr Ana bitte die Schlafsäle." Sie nickte den Schülern, die in ihrer Nähe saßen, auffordernd zu.

" Morgen um 8.00 Uhr beginnt der Unterricht, eure Stundenpläne findet ihr wie immer auf euren Betten. Und jetzt wünsche ich euch eine gesegnete Nachtruhe." Sie faltete ihre Hände und sprach ein Dankgebet für die vergangene Mahlzeit. Dann drehte sie sich um zu der großen Doppelflügeltür, die in die Eingangshalle der Akademie führte. Die Türen schwangen wie von Geisterhand auf. Die Direktorin schritt mit hoch erhobenem Kopf hinaus.

Die Schüler stellten ihre Teller und Gläser auf bereit stehende Geschirrwagen und strömten aus dem Saal. Ana sah, dass Betty mit dem Mädchen, das die Direktorin angesprochen hatte, auf sie zukam.

" Das ist Rina, deine Zimmerkollegin," Betty zeigte auf das Mädchen. Rina strahlte. " Herzlich Willkommen," und griff nach Anas Hand. " Ich freue mich, dass ich endlich eine Mitbewohnerin habe. Wir werden sicher viel Spaß zusammen haben. " Ana lächelte ihr zu. "Danke, das hoffe ich auch." "Jetzt zeige ich dir unser Zimmer. Komm mit."

Der Saal war inzwischen leer bis auf die beiden Mädchen, die noch am Geschirrwagen standen. Die anderen Schüler hatten den Raum zügig verlassen. Ana folgte Rina, froh, jemand zu haben, die ihr den Weg zeigen konnte.

Rina führte sie durch einen langen Flur, der von Fackeln erleuchtet war. Die Wände waren aus grauem Backstein. Der Fußboden aus schwarzem Marmor war so blank gebohrt worden, dass die Fackeln sich darin spiegelten. An den Wänden hingen große Portraits. Sie zeigten.... Ana überlegte, waren das nicht Bilder von griechischen Göttern. Eine Erinnerung blitzte vor ihren Augen auf. Ihre letzte Schule, der Geschichtslehrer mit dem langen Zeigestock vor der Tafel... Was mochten die Portraits hier an den Wänden bedeuten? Sie wollte Rina gerade fragen, als diese in einen weiteren der vielen verwinkelten Flure abbog.

Wie sollte sie sich hier jemals zurechtfinden? Als hätte Rina ihre Gedanken gelesen, blieb sie plötzlich stehen und drehte sich zu Ana um. "Ja, es ist hier sehr verwinkelt und beim ersten Mal wirkt es so, als würdest du nie den Weg zu den Schlafräumen oder in den Unterrichttrakt finden. Aber morgen erhältst du einen Plan, der den Weg ganz einfach erklärt. Mach dir keine Sorgen." Sie lächelte Ana aufmunternd zu. " Komm, es ist nicht mehr weit bis zu unserem Zimmer." Sie zog Ana weiter. Noch einmal rechts abgebogen und wieder links. Dann standen die Mädchen vor einer Zimmertür. Rina zog eine Kette mit zwei Schlüsseln aus ihrem Dekolte. Sie schloss die Tür auf. "Willkommen in deinem neuen Zuhause, Ana."

Ana trat ein und sah sich in dem kleinen Raum um. Sie stand in einem Zimmer mit zwei gemütlich aussehenden, einander gegenüberstehenden Betten. Über den Betten hing jeweils dasselbe Bild. Ana erkannte die Darstellungen. Dort waren dieselben Götter abgebildet, wie in den Fluren. Nur waren sie im Zimmer alle auf einem Bild dargestellt.

Rina sah, das Ana die Götterbilder betrachtete. " Das sind unsere Götter, die die Kräfte kontrollieren. Die Götter sind die Kräfte. Schau, dort auf deinem Bett liegt dein Stundenplan. Sie wies auf eine blaue Mappe, auf der ihr Name stand. Nur Ana. Kein Nachname. Ana griff nach der Mappe und schlug sie auf. Rina blickte Ana über die Schulter und las mit. Götterkunde. Substanzkunde. Das Böse. Schutzrituale. Die neue Natur. People of Power. Der Super- Gau und die Zeit danach. Ana blickte auf. Sie hatte normale Schulfächer, wie Mathematik, Physik und Chemie erwartet. Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, erklärte Rina: "Die Acedemy of Power ist eine besondere Schule. Eine besondere Schule mit besonderen Schülern. Jede Schülerin und jeder Schüler, den du eben beim Essen gesehen hast, hat besondere Gaben. Wir nennen es hier Kräfte.

Diese Kräfte kommen von unseren Göttern. Es gibt fünf Götter, die die fünf Hauptkräfte beherrschen. Die Hauptgötter sind Laola und Malus. Alle anderen sind Nebengötter. Jeder Gott steht für eine Kraft. Sie heißen wie die Kräfte. Und unsere Hände symbolisieren die Götter. Zwei Haupt- und drei Nebengötter. Die linke Hand steht für die fünf Götter, weil sie die dem Herzen nähere Hand ist. Die rechte Hand steht für die Kräfte der Götter. Was es damit auf sich hat, lernen wir in Götterkunde. In Schutzrituale erlernen wir, wie wir die Kräfte der Götter nutzen können. Jeder Gott bringt positive und negative Aspekte ins Leben ein." Ana blickte auf die Unterlagen in ihrer Hand. Im Moment verstand sie nur Bahnhof. Wo war sie nur hingeraten?

Neben ihrem Bett stand ihr Koffer und die kleine Reisetasche, die ihre Mutter ihr extra gekauft hatte nachdem Ana festgestellt hatte, dass sie ihre Sachen niemals alle in den Koffer verpackt bekommen hätte. Nachdem Rina ihr gezeigt hatte, welches ihre Schränke waren, räumte Ana seufzend ihren gesamten Besitz in die viel zu schmalen Fächer. Fluchend drückte sie die Tür des Schrankes zu und stöhnte. Ana ahnte, dass sie mit diesen Winzling-Schränken nur klar kommen würde, wenn sie peinlich genau auf Ordnung achtete. Das hätte ihrer Mutter gefallen. Sie hielt doch so viel von exakt aufgeräumten Schränken. Ana erinnerte sich wehmütig an die vielen Diskussionen mit ihrer Mutter. Immer war es ums Aufräumen gegangen.

Als sie eine halbe Stunde später im Bett lag, das genauso bequem war, wie es aussah, dauerte es nicht lange und sie war eingeschlafen.

Der Traum begann ganz harmlos. Sie stand am Ufer eines kleinen Baches, der sich durch einen dunklen Wald schlängelte. Die Bäume standen eng beieinander, so dass das Mondlicht nicht durch die Blattkronen dringen konnte. Obwohl es stockdunkel war, fürchtete sich Ana nicht. Sie balancierte über mehrere Steine und überquerte so den Bach. Die Dunkelheit machte ihr überhaupt nichts aus. Sie konnte alles sehen. Auf einmal ertönte eine mütterlich klingende Stimme: "Ana," flüsterte diese. "Ana, finde deinen Weg. Widerstehe dem Reiz des Chaos. Nutze deine Kraft." Dann herrschte Stille. Mit klopfendem Herzen erwachte Ana. Sie setzte sich in ihrem Bett auf. Was für ein merkwürdiger Traum. Sie hatte sich seltsam geborgen gefühlt.

Als Ana am nächsten Morgen erwachte, schien die Sonne in das gemütliche Zimmer. Rina stand an ihrem Bett und rüttelte sie am Arm. " Guten Morgen, Langschläferin. Ich bin schon frisch geduscht. In einer halben Stunde beginnt das Frühstück. Und danach ist Unterricht."

" Frühstück klingt gut. Ich habe einen Bärenhunger." Mit diesen Worten sprang sie aus dem Bett. Als die beiden Mädchen den Speisesaal betraten, herrschte dort schon reger Betrieb. Wieder faszinierte Ana die große Auswahl an Speisen. Ana bediente sich begeistert bei den verschiedenen Müslisorten. Sie liebte Müsli. Seit sie sich erinnern konnte, aß sie morgens Müsli. Möglich crunchy musste es sein. Das Geräusch, welches Müsli machte, wenn sie es zerkaute , war eines von Anas Lieblingsgeräuschen überhaupt.

" Beeile dich, in 10 Minuten beginnt Götterkunde." Ana ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie stürzte sich auf das Müsli, als wenn sie tagelang nichts gegessen hätte. Solch einen Hunger hatte sie morgens sonst nie verspürt. Obwohl sie sehr nervös war und sich fragte, was sie im Unterricht wohl erwartete, schmeckte das Müsli ganz hervorragend.

Gerade noch rechtzeitig erreichten Ana und Rina das Klassenzimmer. Ana hatte sich gerade in die hinterste Ecke verkrochen, als die Tür auch schon aufschwang und ein in Anas Augen uralter Mann den Raum betrat. Alle Schüler erhoben sich. Wie Ana es am Abend zuvor schon gesehen hatte, streckten wieder alle ihre Arme nach vorn.

Der Mann streckte seine Arme auch nach vorn, allerdings mit den Handflächen nach unten. Und wieder folgte der Gruß an die Götter. "Gegrüßt seien die Götter." Er sah sich im Klassenraum um. Als er Ana erblickte, winkte er sie zu sich. "Du bist also die Neue, lass dich anschauen. Komm zu mir nach vorn." Ana schluckte. Vor der ganzen Klasse nach vorn gerufen werden, war für sie eine Höchststrafe. Sie spürte, wie ihr Gesicht knallrot anlief, als sie auf den Alten zutrat. " Na,komm schon, hab keine Angst. Ich reisse dir nicht den Kopf ab, will dich nur kennen lernen." Der Mann legte Ana die Hände an die Schläfen und schloss die Augen. Im Klassenraum herrschte atemlose Stille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Niemand tuschelte. Kein Rascheln von Papier war zu hören.

"Du bist stark", sagte er, "mächtiger, als zu erwarten wäre. Geh weise mit den Fähigkeiten um, die dir gegeben sind. Aber nutze deine Kraft." Ana japste nach Luft. Es war, als habe der Mann jegliche Energie aus ihrem Körper gezogen. Sie schwankte, als sie sich wieder auf ihren Platz setzte.

Von der nachfolgenden Unterrichtsstunde blieb Ana wenig im Gedächtnis. Ihr Kopf war wie leer. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Nicht nur ihr Kopf fühlte sich wie leer an, auch Arme und Beine waren schlapp. Sie war so erschöpft, dass sie fast eingeschlafen wäre. Was hatte der Lehrer mit ihr gemacht? So eine komplette Erschöpfung hatte sie noch nie gespürt. Es war, als wenn er alle Energie aus ihrem Körper herausgezogen hätte. Und was hatte er damit gemeint, dass sie stark sei? Ana fühlte sich eher klein und schwach. Allein in einer Umgebung, die sie sehr einschüchterte, hatte sie nicht das Gefühl, besonders mächtig zu sein.

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Hier kommt der zweite Teil von Fighting Powers. Was bedeutet wohl der Traum von Ana? Von welcher Macht spricht der alte Mann? Mir tut Ana ein bisschen leid, allein unter so vielen anderen Schülern, von denen sie niemand kennt. Und dann ist sie auch noch schüchtern und von all dem Neuen was auf sie einströmt, total überwältigt. Hoffentlich gewöhnt sie sich bald ein. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

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