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Kapitel 2 - Die Frau aus dem Gemälde

Als Emil wieder zu sich kam, war er in einem Zimmer. Es war hell, was komisch war, da es kein einziges Fenster hatte. In diesem Zimmer gab es nur ein Bett und eine Tür, die wahrscheinlich nach draußen führte. Er war sich nicht sicher, denn er hatte keine Zeit seine Gedanken zu sortieren, schon schwang die Tür auf, und zwar mit einer solchen Kraft, dass Emil zusammen zuckte. Da stand eine Frau mit langen schwarzen Haaren und sie trug ein langes altmodisches Gewand.

«Du bist wach, wie schön.»

Sie lief direkt auf Emil zu und platzierte sich einfach neben ihn auf das Bett.

«Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe, dich endlich richtig kennenzulernen.»

Jetzt verstand Emil rein gar nichts mehr. Wer war diese Frau? Wieso sprach sie mit ihm, als kannte sie ihn? Wo war er? Was ist mit Xiphos? Die Frau schaute ihn besorgt an.

«Ganz ruhig, ich werde alles beantworten, mach dir keine Sorgen.»

Konnte sie Gedanken lesen?

«Ja und nein. Ich kann nur deine Gedanken lesen, weil wir miteinander verbunden sind.» Emils Haare standen ihm zu bergen. «Möchtest du etwas trinken?» Emil schüttelte den Kopf. Er musste sich zusammenreißen. Er befand sich in einem ihm unbekannten Zimmer mit einer ihm unbekannten Frau, die eine verrückte Psychopathin sein könnte, die ihn entführt hatte. Eigentlich wurde er für solche Momente trainiert, daher wusste er, dass er ruhig bleiben musste und abwarten bis Verstärkung kommt.

Der Gesichtsausdruck der Frau verdüsterte sich plötzlich. «Wie bitte?» Sie funkelte ihn böse an. «Wie hast du mich gerade genannt?» sagte sie zornig. «Ich habe dich hierher gebracht, Ich habe mich dir offenbart, dich in mein Versteck untergebracht, in meinem Zuhause, und du wagst es solche Gedanken über mich zu haben?! Eine Psychopathin soll ich sein?!» sie stand wütend auf: «wenn ich dir etwas antun wollte, dann hätte ich dich bei deiner Geburt schon umgebracht!»

Emil saß da, ohne sich zu bewegen. Die Frau schaute ihn immer noch wütend an. «Weißt du, es ist nicht nett jemanden zu verurteilen nur, weil du sie nicht kennst. Du magst es auch nicht, wenn Leute dich als armer Junge sehen nur, weil du stumm bist, oder?» Da musste ihr Emil recht geben, trotzdem machte sie ihm Angst.

Sie schien sich zu beruhigen und sagte mit einem Seufzer: «Tut mir leid, ich hätte dich nicht anschreien sollen.» Sie setzte sich wieder hin und sah ihn mit einem sanften Lächeln an. «Ich werde jetzt alle Fragen, die du für mich hast, beantworten.» Was? Einfach so? «Ja, einfach so.»

Er hatte so viele Fragen.

«Lass dir ruhig Zeit.» Die erste Frage die ihm in deinen Sinn kam war: wieso kennst du den Namen meiner Mutter?

«Das ist eine lange Geschichte.» Sie überlegte kurz und sagte dann: «Sagen wir einfach, dass ich sie schon seit einer langen Zeit kenne.» Dann bemerkte Emil wie sie anfing schelmisch zu grinsen «Frag sie doch einfach. Sag ihr, dass Euterpe wissen möchte, ob der Thron bequem ist.»

Emil spürte ein leichtes Unwohlsein, als er sie so gemein lächeln sah.

«Nächste Frage!» Bevor er etwas anderes fragen konnte, fing das ganze Zimmer an zu rütteln. Emil hielt sich fest an Euterpes Arm, die kein bisschen überrascht aussah.

«Sie haben wohl angefangen, nach dir zu suchen.» Sie nahm Emils Hände in ihre und sah ihn ganz tief in die Augen. «Leider haben wir keine Zeit mehr, aber nimm das.» Sie drückte ihm ein goldenes Medaillon in die Hand, in dem eine Flöte eingraviert war. «Wenn du dieses Medaillon ganz fest drückst und an mich denkst, werde ich zu dir kommen.»

Das Zimmer fing an so heftig zu rütteln, dass Emil sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Euterpe stand felsenfest da und sah zur Decke hoch, die anfing, Risse zu bekommen. «Ich muss dich wohl gehen lassen, bevor sie mir noch mein Haus zerstören.» Sie ging auf die Knie und küsste Emil auf die Stirn, der schaute sie nur überrascht an.

«Bis zum nächsten Mal, kleiner Prinz» Das Zimmer fing langsam an sich aufzulösen, genauso wie Euterpe, die ihn noch ein letztes Mal anlächelte und sagte: «Noch etwas: Luft anhalten» Als sie die letzten Worte aussprach, verschwanden sie und das Zimmer, und Emil war umgeben von Wasser. Er fing an nach oben zu schwimmen, zumindest hoffte er, dass es oben war.

Xiphos war so schnell wie er konnte zum König gerannt, der sich immer noch in seinem Büro befand. Er hatte versucht, dem König alles zu erklären, aber er weinte so stark, dass das einzige, was er stottern konnte, war: «Emil... Wasser... ich-ich war nicht schnell genug, ich konnte nicht....» Der König verlor keine Zeit. Er rannte mit einem weinenden Xiphos an der Hand in den Garten und befahl, jeder Wache, an der er vorbeilief, mitzukommen. Als sie ankamen, fing der König an, den Wachen Befehle zu erteilen, den ganzen Teich und die Umgebung zu durchsuchen. Emils Vater hielt Xiphos immer noch an der Hand, der schluchzend da stand: «Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid...»

Der König beugte sich zu ihm runter, packte ihn an den Schultern und sagte: «Du musst dich für nichts entschuldigen! Du hast hervorragend reagiert, bist sofort zu mir gekommen, wie ich es euch schon immer gesagt habe.»

Xiphos schluchzen wurde leiser. «Emil hat Glück, so einen toller Ritter als Beschützer zu haben.» Er wischte ihm die Tränen von der Wange. «Und jetzt geh und sag der Königin Bescheid.» Xiphos nickte und rannte los. Als er mit der Königin zurückkam, hatten sie Emil schon längst gefunden. Er ist einfach aus dem Nichts im Wasser aufgetaucht.

«Emil! Mein Schatz!» Seine Mutter umschlang den nassen Emil in einer festen Umarmung, als würde sie ihn nie wieder loslassen wollen. Als sie endlich doch losließ, wurde er plötzlich von zwei starken Händen aufgehoben und die Arme genommen: «Du hast uns solch einen Schreck eingejagt, mein Junge.» Der einzige, der nichts sagte, war Xiphos, der einfach nur da stand. Der König setzte Emil ab, der zum kleinen Ritter rüber sah. Die Tränen rollten über Xiphos Gesicht: «Ich werde dich nie wieder Goldfisch nennen, versprochen!» Als er das sagte, nahm er den überraschten Prinzen fest in die Arme, der nichts anderes tun konnte, als den schluchzenden Ritter ganz fest zu drücken.

Als sie wieder im Palast waren, hatte die Königin den kleinen Prinzen bis in sein Zimmer begleitet. Emil bemerkte, dass seine Mutter sein Medaillon die ganze Zeit lang anstarrte. Plötzlich nahm sie ihn zur Seite und fragte ihn: «Sag mal, wo hast du denn diesen Medaillon her?» Sie sagte es mit einem sanften Lächeln, aber ihre Augen waren kalt. Emil hatte nach dem Gespräch mit Euterpe gemerkt, dass das Verhältnis zwischen ihr und seiner Mutter nicht gut gewesen sein musste, daher entschied er sich fürs Erste, seiner Mutter nichts zu sagen.

Mit einer schnellen Bewegung hatte Emil das Medaillon unter seinem Hemd versteckt und schaute seine Mutter mit unschuldigen Augen an.

«Junger Mann!» Seine Mutter schien etwas genervt. «Zeig mir das Medaillon.» Sie streckte ihre Hand aus. Emil war hin- und hergerissen. Soll er es wagen und es ihr zeigen?

Er zog das Medaillon langsam aus seinem Hemd raus und zeigte es ihr, ohne es ihr zu geben. Sie beugte sich vor und nahm es gut unter die Lupe. Ihr Gesicht wurde ganz bleich und mit einer zitternden Stimme sagte sie ihm: «Wer hat dir das gegeben?» Sie sah fast verängstigt aus. Anscheinend war die Beziehung zwischen der Königin und Euterpe schlimmer als erwartet. Er versteckte das Medaillon wieder im Hemd.

«Emil, sag mir sofort, wer dir das gegeben hat.» Emil schüttelte aber nur stur den Kopf. Er wusste nicht, was passieren konnte, im Falle, dass seine Mutter es erfahren würde und er wollte es auch nicht herausfinden. «Na schön.» Sie lief zur Tür. «Du wirst in deinem Zimmer bleiben, bist du es mir sagst.» Sie öffnete die Tür und bevor sie sie hinter sich schloss, sagte sie: «Und wenn du es mir bis heute Abend nicht gesagt hast, wirst du Xiphos eine Woche lang nicht sehen, weil du hier drinnen bleiben wirst.» Und damit schloss sie die Tür.

Emil war fest entschlossen, es ihr nicht zu sagen, wenn sie nur beim Anblick des Medaillons so reagierte, wollte er nicht wissen, wie sie ausrasten würde, wenn sie erstmals erfuhr, wer es ihm gegeben hat.

Er sah aus dem Fenster und sah, dass es noch recht hell war. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, es regnete Steine. Warte mal. Steine?

Emil stand vom Bett auf und lief zum Fenster, als plötzlich wieder ein Stein auf das Fenster aufprallte. Er öffnete es und sah runter. Da stand Xiphos, der voller Freude winkte.

«Hallöchen!» Er schrie so laut, dass Emil Angst hatte, dass seine Mutter ihn hören würde. Er fing an, wie verrückt mit den Händen zu wedeln.

«Was ist?»

Der Prinz machte eine Handbewegung, um dem Ritter zu sagen, dass er leiser sein sollte. Xiphos nickte und sagte so leise wie er konnte. «Komm runter.»

Er kreuzte seine Arme und formte eine X, um Xiphos zu sagen, dass er nicht konnte.

«Dann komme ich halt zu dir, schmeiß mir das Seil.» Emil nickte und lief zum Schrank. Da Xiphos ihn öfters heimlich besuchte, hatten die beiden Jungs entschieden, ein Seil im Zimmer des Prinzen zu verstecken, damit der kleine Ritter kommen konnte, wann immer er wollte. Nachdem Emil Xiphos krampfhaft hochgezogen hatte, hatte es sich der kleine Ritter auf dem Bett bequem gemacht und schaute Emil fragend an. «Wie geht es dir?» er sah wirklich besorgt aus. Emil nickte nur und setzte sich neben ihn.

«Du hast mich wirklich überrascht. Was ist eigentlich passiert?» Stimmt, Emil hatte vergessen, Xiphos alles zu erzählen. Er nahm sein Schreibbrett und fing an, eine lange Erklärung aufzuschreiben und möglichst keine Details auszulassen.

«Heilige Scheiße», das war das einzige, das der verblüffte Xiphos sagen konnte. Emil kicherte nur. Er hätte es nicht genauer ausdrücken können.

Er nahm das Medaillon und stellte es zwischen sich und Xiphos auf das Bett. Die beiden Jungs starrten es minuten lang an, ohne wirklich zu wissen, wieso. Plötzlich wurde die Stille unterbrochen, «Probieren wir es aus.» Emil schaute ihn mit großen Augen an. «Du weißt schon, sie hierher zu rufen. Dann sehen wir, ob sie dich angelogen hat oder nicht.»

Emil nahm das Medaillon und drückte es fest an sich. Er wiederholte ihren Namen so oft es ging in seinem Kopf. Plötzlich erklang eine Melodie, eine liebliche Melodie. Sie wurde immer lauter und wie aus dem Nichts stand sie in Emils Zimmer.

Xiphos fing an zu schreien, was Euterpe schreien ließ.

«Nicht so laut!» Sie verdeckte sich die Ohren und sah Xiphos an. «Begrüßt man so heutzutage andere Leute?» Sie stand da, in ihrem langen Gewand, und ihre Haare waren ganz zerzaust. Und sie war barfuß. Xiphos saß nur stumm da.

«Jetzt kann ich verstehen, wieso du gedacht hast, dass sie eine Psychopathin sein könnte.» Emil glaubte langsam, dass Xiphos keine Angst kannte.

«Nicht so gemein, Xiphos.»

Von seinem Gesichtsausdruck aus war der kleine Ritter genauso überrascht wie Emil, dass sie ihn kannte. Er drehte sich zu Emil um, der nur mit den Schultern zuckte, er hatte ihr nämlich nichts von ihm erzählt. Dann erinnerte er sich daran, dass sie ihm gesagt hatte, dass sie verbunden waren. Er drehte sich zu ihr und schaute ihr fest in die Augen. Kann sie immer noch meine Gedanken lesen? «Ja,das kann ich.» Sie lächelte ihn an. «Wieso hast du mich denn gerufen?» Er hatte sie gerufen, weil er sie Xiphos vorstellen wollte, der die Hand hob, als würde er etwas sagen wollen. «Bin ich der einzige, der es beängstigend findet, dass sie aus dem Nichts aufgetaucht ist?» Sie fing an zu kichern und setzte sich einfach auf den Boden. «Manchmal vergesse ich, dass ihr noch Kinder seid.»

Xiphos schaute sie genervt an. «Nur damit Ihr es wisst, Madam, ich bin vierzehn, also schon im Alter ein Schwert schwingen zu können.» Sie nickte ihn neckisch zu, dann klatschte sie in die Hände. «Nun gut, wollt ihr wissen, wer ich bin?» Beide Jungs nickten und setzten sich vor ihr auf den Boden. «Dann macht es euch bequem, weil ich euch eine lange Geschichte erzählen werde. Meine Geschichte.»

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