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Es war wie Musik in meinen Ohren

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Selena Pergola
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Kapitel
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Zusammenfassung

Das Königreich Mousiki, eins der neun Königreiche, feiert den zwölften Geburtstag des kleinen Prinzen Emil. Die Freude vergeht ihm jedoch schnell, als er erfur das seine Eltern ihm seit seiner Geburt etwas verschweigen. Oder jemand?

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Kapitel 1 - Es war wie Musik in seinen Ohren

Es war ein fröhlicher Tag im Königreich Mousiki, die Straßen waren geschmückt und die Leute strahlten vor Freude, denn es war der Geburtstag des kleinen Prinzen Emil. Jedermann liebte den kleinen Prinzen, er war der Schatz des Königreiches, trotzdem gab es Leute, die ihn bemitleideten, weil sie wussten, dass er ein sehr schwieriges Leben führen würde, da er seit der Geburt stumm war.

Niemand wusste, wie es dazu kam, da er ein sehr gesundes Baby war. Es gab Gerüchte, dunkle Gerüchte, dass ihm die Stimme gestohlen wurde, aber mehr wusste man nicht.

Nichtsdestotrotz war Emil ein glücklicher Junge, heute ist er sogar früher aufgestanden, um sich auf sein Fest vorbereiten zu können. Er wurde von den Dienstmädchen angezogen, aber beschloss darauf, seine Haare selbst zu bürsten und zurecht zu kämmen. Nun stand er vor dem Spiegel, seine roten Locken standen ihm wegen seiner unruhigen Nacht zu Berge und er wusste nicht, wie er sie zähmen sollte, deswegen ließ er es einfach sein. Er packte sich sein Schreibbrett und machte sich auf den Weg zum Speisesaal.

Dort warteten seine Eltern, die an der Spitze eines riesigen Tisches saßen, der bedeckt mit Emil Lieblingsessen war. Emil bemerkte, dass der Tisch mit vier anstatt drei Teller gedeckt war, was an jedem einzelnen seiner Geburtstage geschah. Er war fest entschlossen, seine Eltern endlich zu fragen. Er nahm sein Schreibbrett und versuchte seine Frage auf möglichst sanfte Art zu stellen, denn er kannte seine Eltern, sobald sie auf ein Problem stießen, dass sie nicht lösen konnten oder wollten, erhob sich eine eisige Wand zwischen ihnen.

«Erwarten wir Besuch?» schrieb er auf sein Schreibbrett, seine Eltern sahen sich verdutzt an.

«Wie kommst du darauf, mein Schatz?», fragte ihn seine Mutter.

«Es sind vier Teller auf dem Tisch, aber wir sind nur drei.» Seine Eltern schauten auf den zusätzlichen Teller und dann sahen sie sich an. Sie schienen sich mit den Blicken etwas zu sagen, bis sie plötzlich aufstanden.

«Es tut mir leid, mein Sohn, aber wir haben heute viel zu tun. Wie du ja weißt, feiern wir heute Abend deinen Geburtstag und jemand muss es ja organisieren», sagte sein Vater.

«Du hast heute keine Schule, also kannst du ja Xiphos suchen gehen. Er würde sich sicher freuen, mit dir zu spielen.» Seine Mutter küsste ihn hastig auf die Stirn und bevor Emil mit den Wimpern zucken konnte, waren sie weg.

Emil wanderte ein wenig im Garten umher, er hatte nicht wirklich Lust, mit Xiphos zu spielen, er wollte einfach ein bisschen Ruhe, bevor er am Abend von Menschen, die ihn gratulierten, umgeben sein würde. Aber wie es aussah, war es nicht Emils Glückstag.

«Emil, da steckst du ja. Ich habe dich überall gesucht!»

Dieser lauter, rennender Junge war Xiphos. Er war zwei Jahre älter als Emil, benahm sich aber manchmal wie ein Kleinkind. Er hatte schwarze Haare, die ihm die Ohren bedeckten und Augen so dunkel wie die Nacht: «Glückwunsch zum Geburtstag, kleiner Goldfisch!» Emil hasste diesen Spitznamen.

«Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du mich so nennst, oder? Du würdest es auch nicht mögen, wenn ich dich jetzt plötzlich Teer Kopf nenne würde» Je weiter Xiphos las desto breiter grinste er.

« Ach, wie süß! Du hast dir für mich einen Spitznamen ausgedacht? Ich bin richtig gerührt!» Emil schlug ihm mit seinem Schreibbrett auf den Arm «Aua! Pass auf! Wenn das kaputt geht, werde ich bestraft!» Xiphos rieb sich den Arm und schmollte.

Wann immer er mit Xiphos rumhing, verbrauchte er zu viel Energie, daher setzte er sich unter einen Baum und Xiphos tat es ihm gleich.

«Und, was machen wir jetzt? Ich habe dank eines gewissen Prinzen, der heute zwölf wird, frei. Also können wir den ganzen Tag lang etwas zusammen unternehmen.»

Xiphos war ein sehr arbeitsfreudiges Kind, aber wenn er mal blau machen konnte, da ließ er es sich nicht zweimal sagen. «Ich habe keine große Lust etwas zu machen, außerdem bin ich zu unruhig, weil meine Eltern mir eindeutig etwas verschweigen.» Xiphos sah ihn verwundert an. «Sie verschweigen dir etwas?» Er sah nachdenklich aus, doch dann sprang er plötzlich auf und sah Emil mit riesigen Augen an.

«Da haben wir es! Ich weiß, was wir machen! Wir finden heraus, was deine Eltern dir verschweigen!» Emil sah Xiphos mit verängstigter Miene an. «Das kannst du vergessen! Wenn sie uns erwischen, werden sie wütend, nein, schlimmer als wütend, sie werden enttäuscht sein und sich betrogen fühlen.» Das wollte er nicht. Er liebte seine Eltern und er würde alles tun, um sie nicht zu enttäuschen.

«Nur wenn sie uns erwischen.» Xiphos sah sehr überzeugt aus, was Emil etwas sicherer fühlen ließ, trotzdem wollte er es nicht wagen. Er schüttelte energisch den Kopf.

«Ach komm schon! Mir ist langweilig und dir sicher auch, wir werden nur Fragen stellen und nichts anderes. Gib dir einen Ruck, Emil. Tu es für mich, deinen Teer Kopf» und jetzt schmollte er wieder « Na gut, aber sobald es brenzlig wird bin ich weg.» Emil konnte vielleicht nicht reden, aber er konnte sehr schnell rennen, das gelang ihm.

«Wunderbar! Goldfisch und Teer Kopf machen sich auf den Weg!» Emil konnte nicht anders als zu lächeln, vielleicht wird es wohl doch nicht so ein stressiger Tag. Nach einer langen Erklärung schlug Xiphos vor, als Erstes die Dienstmädchen zu fragen, ob sie etwas wussten.

«Junger Herr, was machen Sie denn hier?» Emil und Xiphos befanden sich gerade bei den Schlafräumen der Angestellten des Königlichen Palastes, um die Dienstmädchen zu befragen. Die Schlafräume waren im Gegenzug zum Palast sehr simpel, es war ein langer Gang gefüllt mit Türen, die zu Zimmern führten, die den Angestellten gehörten, deren Name auf dem Namensschild, der auf der Tür befestigt war, stand. «Wir sind hier, um ein paar Fragen zu stellen.» Vor Xiphos standen drei Dienstmädchen, die die beiden Jungs amüsiert ansahen. Sie waren alle drei ungefähr mittleren Alters und arbeiteten länger im Palast als andere. «Ach ja? Wie können wir Euch weiterhelfen?»

Xiphos tippte Emil mit dem Rücken seines Zeigefingers auf die Brust und mit einer Kopfbewegung deutete er auf die drei Dienstmädchen. Emil verstand zuerst nicht, was er von ihm wollte, doch dann holte er sein Schreibbrett raus und fing an zu schreiben.

«Wisst ihr, wieso an allen meinen Geburtstagen der Tisch für vier Personen gedeckt wird?» Sobald sie es fertig gelesen hatten, verdüsterten sich ihre Gesichter und sie fingen an, sich nervös umzusehen. «Junger Herr, sie müssen sich darüber keine Sorgen machen.»

Sie machten einige Schritte nach hinten.

«Es ist schön, dass Ihr uns besuchen kommt, aber wir haben alle Hände voll zu tun.» Xiphos versuchte zu protestieren, aber sie waren schon weg.

«Das lief ja schlimmer, als ich mir vorgestellt hatte.»

Da stimmte Emil ihm zu. Er hatte nicht viel erwartet, aber sowas nun auch wieder nicht. «Gehen wir als Nächstes zum Koch.» Xiphos nickte ihm zu und sie liefen los.

Das war eine dumme Idee, denn Emil hatte ganz vergessen, dass heute Abend seine Geburtstagsfeier war, was bedeutete, dass die Küche aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Leute schrien, Rauch war überall, Emil glaubte verbranntes zu riechen. Ja, das war eine schreckliche Idee.

Er zog an Xiphos Hemd, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, bemerkte aber nicht, wie der Chefkoch stampfend auf sie zulief.

«Was macht ihr hier?! Ich habe Besuch ausdrücklich verboten!»

Der Koch war ein älterer Mann, der breiter war als hoch. Er sah immer zornig aus, aber heute war es schlimm: «Ich habe schon genug zu tun, ich kann mir nicht erlauben, wegen einem Rotzlöffel wie dich Zeit zu verschwenden!» Als er das sagte, zeigte er mit einem Kochlöffel auf Xiphos, der ihn nur mit einem breiten Grinsen anschaute.

«Du scheinst ein wenig zu oft dein Essen probiert zu haben.»

Das Gesicht des Kochs wurde so rot, dass man meinen konnte, dass der Rauch aus ihm herauskam. «Du kleiner-» Er hatte den Satz kaum zu Ende gesagt, schon packte Emil Xiphos beim Arm und rannte los. Er hatte den Koch noch nie so wütend gesehen!

Xiphos dagegen lachte so laut, dass sie ihn bis zu den Ställen hören konnten. Sie liefen einen langen Gang hinunter, der bedeckt war mit Gemälden der früheren Königspaare und Porträts von Emils Familie. Plötzlich hielt Emil an.

Xiphos rannte fast an ihm vorbei, als er bemerkte, dass Emil nicht weiter rannte. «Was ist los?» Emil stand vor einem großen Porträt, so groß wie die Fenster an den Wänden des Ganges. Dieses war anders als die anderen, denn dieses wurde mit einem großen Tuch bedeckt.

«War es schon immer bedeckt? Was ist das für ein Bild?».

Emil hatte noch nie großes Interesse an Kunst gehabt, aber er hatte sich im Laufe der Jahre jedes einzelne Gemälde gemerkt, das in diesem Gang hing, und doch wusste er nicht, was sich hinter dem Tuch verbarg. Xiphos schaute es sich nachdenklich an und dann sagte er mit einem überzeugten Ton: «Keine Ahnung und deswegen werden wir jetzt nachsehen.» Er packte sich eine Ecke des Tuches und mit einem heftigen Ruck zog er es zu Boden. Dahinter versteckte sich ein Porträt einer wunderschönen Frau mit langen schwarzen Haaren, sie trug ein langes Gewand und je länger Emil sie ansah, je mehr dachte er, dass sie ihn direkt anschaute, er war wie in Trance.

«Die kenne ich doch von irgendwo...» Emil wurde von Xiphos Worten wieder in die Realität zurückgebracht. Er hatte recht, sie kam auch Emil bekannt vor, aber sie war keine der vorherigen Königinnen oder Prinzessinnen. Wer war sie?

Bevor sie sich versahen, näherte sich eine Wache, die sie nicht sehr freundlich ansah.

«Wer hat euch erlaubt, das Bild aufzudecken?»

Toll, heute schien wirklich nichts gut zu laufen.

«Wer hat gesagt, dass wir das waren?» Das mochte Emil so sehr an Xiphos, er strahlte förmlich vor Selbstsicherheit, etwas, was Emil fehlte. Manchmal erwischte Emil sich, wie er neidisch auf den schwarzhaarigen Jungen war.

«Ihr wisst schon, dass ihr gerade den Prinzen beschuldigt habt, ein armer Junge, der sich nicht einmal verteidigen kann.» Das Gesicht der Wache wurde blass, er fiel vor Emil auf die Knie und fing an, sich zu entschuldigen. «Ich bitte um Verzeihung, junger Herr. Ich habe nicht bemerkt, dass Ihr es seid! Es war nicht meine Absicht, Euch zu beschuldigen!» Emil zog sein Schreibbrett raus und schrieb: «ist schon gut, Ihr habt nur getan, was Euch gesagt wurde»

Die Wache sah erleichtert aus.

«jedoch bin ich der Prinz, also müsst Ihr auch meine Befehle befolgen und wenn ich ein Bild in meinem Palast aufdecken will, dann tu ich das auch, verstanden?»

Xiphos flüsterte Emil ins Ohr: «Nicht schlecht, du lässt deine Macht raushängen, das solltest du öfter tun.» Emil beachtete ihn nicht und konzentrierte sich weiterhin auf die Wache. «Steh auf und geh zurück auf deinen Posten.» Die Wache stand schnell auf.

«Jawohl, Sir!»

Xiphos pfiff und stieß Emil mit den Ellbogen in die Seite. «Du hast mich richtig überrascht, wieso spielst du nicht die Prinz-Karte aus, wenn man mich wegen etwas beschuldigt?» Emil drehte sich zu ihm um und mit ernstem Gesichtsausdruck schrieb er: «Weil du es womöglich verdienst, beschuldigt zu werden.» Und lief dann mit gehobenem Kopf davon, während er breit grinsend die protestierenden Worte von Xiphos ignorierte.

Nachdem er sich von Xiphos verabschiedet hatte, bemerkte er, dass es schon Abend war, was bedeutete, dass es Zeit für seine Geburtstagsfeier war.

Wenn Emil sagen würde, dass er sich freute, dann wäre das eine fette Lüge, weil es nichts auf der Welt gab, was er mehr hasste als inmitten von Menschen zu sein. Noch dazu bekam er das Bild dieser Frau nicht aus dem Kopf.

Er öffnete mit einem Seufzer die große Tür, die zum Festsaal führte und wurde von einer lauten Menge begrüßt. Die einzige Chance, die er hatte, heute Abend zu überleben, war es, sich an den Rock seiner Mutter zu heften und einfach zu hoffen, dass der Abend schnell vorbeiging. Plötzlich fühlte er ein Tippen auf seiner Schulter und hoffte, dass es Xiphos war, stattdessen wurde er vom strahlenden Gesicht der dritten Prinzessin des Königreiches Agapi begrüßt, Erasits.

«Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Emil! Das ist für dich!» Sie gab ihm ein Geschenk und sagte: «Ich hoffe, es wird dir gefallen, ich habe es nämlich selber ausgesucht.»

Emil kannte Erasits seit er fünf war, denn die zwei Königreiche waren sehr gut befreundet. Sie war ein wunderhübsches Mädchen, sie hatte blonde Locken und smaragdgrüne Augen. Sie trug ihre Haare immer offen, was sie wie ein Püppchen aussehen ließ. Er verbrachte gerne Zeit mit ihr, weil sie im Gegensatz zu anderen sehr geduldig war, wann immer Emil seine Antwort schrieb und deshalb entschloss Emil sich dafür, den Abend mit ihr zu verbringen.

Die Zeit verging und es wurde endlich Feierabend, alle verabschieden sich und Emil genoss die Stille, die den gerade noch von Menschen gefüllten Festsaal umhüllte. Er schaute zu, wie seine Eltern sich noch bei den letzten Gästen verabschieden und entschied sich, sich davonzuschleichen. Sie würden es nicht bemerken und wenn doch, dann würden sie nur denken, dass er ins Bett gegangen war. Das ist eine der guten Sachen, die es mit sich brachte ein guter Junge zu sein, die eigenen Eltern sorgten sich nie darum, dass man irgendetwas anstellte.

Mit leisen aber schnellen Schritten ging er den langen Gang entlang, bis er sein Ziel erreicht hatte. Das Bild. Er musste wissen, wer sie war, es würde ihn nicht schlafen lassen. Ganz sachte enthüllte er das Bild der mysteriösen Frau. Etwas bemerkte er, was er an diesem Nachmittag wohl übersehen hatte: ein Namensschild. Er strich mit seinen Fingern über den Namen, Euterpe. Plötzlich wich er zurück.

Emil? Emil.

Eine weibliche Stimme rief nach ihm, er schaute sich um, aber außer ihm war niemand da.

Du bist endlich neugierig geworden, was?

Emil nickte energisch.

Es ist schön, dass du doch noch Interesse gezeigt hast, ich hatte schon Angst. Du willst mich treffen oder?

Emil nickte überzeugt.

Es gibt leider einen kleinen Haken, du musst mich suchen.

Suchen? Wieso sollte er sie suchen? Könnte sie nicht einfach zu ihm kommen?

So leicht kann ich es dir auch nicht machen, Emil. Magst du Rätsel?

Emil dachte kurz nach. Sein Vater mochte Rätsel sehr und gab Emil öfters ein paar zum Lösen, aber sie mögen? Emil war sich unentschlossen, nickte aber trotzdem.

Gut, denn um zu mir zu kommen, musst du ein Rätsel lösen.

Dank seines Vaters war Emil überzeugt, dass er es im Nu lösen konnte.

Bereit?

Bereit!

Gut, hier ist es: Ich wohne in einem Spiegel, viele Leute mögen es, sich darin zu spiegeln, aber niemand darf ihn mitnehmen. Wo bin ich?

Das war schwieriger als er gedacht hatte, deshalb schrieb er es sich schnell auf, um es nicht zu vergessen.

Es war schön dich mal getroffen zu haben, aber jetzt musst du ins Bett, sonst wird Elvira noch wütend. Emil stutzte. Woher kannte die mysteriöse Frau den Namen seiner Mutter? Je länger er nachdachte, desto mehr Fragen kamen ihm in den Sinn, die er der mysteriösen Frau stellen wollte. Aber jetzt hieß es ab ins Bett.

Er hatte verschlafen. Er hatte das Frühstück mit seinen Eltern verpasst, was den kleinen Prinzen nicht groß störte, denn er hatte heute viel zu tun. Sobald er angezogen war, machte er sich auf den Weg zum Trainingsfeld, denn da würde er sicherlich Xiphos finden. Als er ankam, war er überrascht zu sehen, dass Xiphos nicht auf dem Feld war, stattdessen waren ein paar Ritter am Duellieren, andere schauten zu oder trainierten allein, aber keine Spur von Xiphos.

Emil näherte sich einem der Ritter, der sich verbeugte, sobald er bemerkt hatte, wer auf ihn zukam.

«Guten Morgen, junger Herr, wie kommt es, dass Sie uns besuchen kommen?»

Emil war selten auf dem Trainingsfeld, deswegen kannte er die Ritter kaum. Auch weil der einzige Grund, wieso er hierherkommen würde, Xiphos war, und der kam ihn meistens suchen, ohne dass Emil in die Nähe des Trainings Felds kommen musste.

«Guten Morgen, ich werde euch nicht länger stören, ich möchte gerne mit Xiphos reden. Ist er hier?» Der Ritter lachte kurze auf.

« Xiphos, der kleine Teufel! Er muss heute den Stall putzen, weil er sich gestern erlaubt hat den ganzen Tag frei zu nehmen, der Boss war stinksauer!» Der Ritter sah Emil lächelnd an und sagte dann mit einem verständnisvollen Seufzer: «Sie können ruhig zu ihm, er würde sich sicher über Euren Besuch freuen, ich werde dem Boss auch nichts verraten.» Emil nickte ihm dankend zu und lief zum Stall.

Xiphos war gerade bei einem der Pferde und schaufelte gerade Heu, während er wütend vor sich hin brummte. Es war witzig ihn so zu sehen, deshalb stand Emil einfach nur da und beobachtete den mürrischen Xiphos bei der Arbeit, bis der sich abrupt umdrehte.

«Emil? Seit wann stehst du denn hier?» Emil grinste nur vor sich hin.

«Deinetwegen muss ich Scheiße schaufeln» er legte die Schaufel zur Seite.

«Der Boss meinte, dass es nur eine Ausrede war, dass ich bei dir war, du solltest mal ein Wörtchen mit ihm reden». Da hatte er vielleicht recht. «das tut mir leid, aber es hat mich gefreut zu hören, dass du meinetwegen Befehle missachtet hast» Xiphos hatte so eine Antwort wohl nicht erwartet, denn er wurde rot.

«Ja, das hoffe ich auch! Ich habe das nur gemacht, weil ich wusste, dass du sonst den ganzen Tag lang allein gewesen wärst, und ich kann doch nicht den Prinzen an seinem Geburtstag allein lassen, oder?» Emil schüttelte amüsiert den Kopf. «Ich wollte dich um Rat bitten, aber wie ich sehe bist du beschäftigt, also gehe ich wohl besser.»

Xiphos sah erschüttert aus. «Nein, nein, nein! Bitte geh nicht! Du bist der erste Mensch, den ich heute gesehen habe! Du weißt gar nicht, was den ganzen Tag lang nur Pferde als Gesprächspartner zu haben, mit dem Verstand eines Menschen anrichtet! Ich drehe hier noch durch!»

Das hatte Emil nicht erwartet. Das war das erste Mal, dass er Xiphos so verzweifelt gesehen hatte.

«Kannst du mir also helfen?», die Worte schossen geradezu aus dem kleinen Ritter heraus: «Ja! Ja! Ich kann dir helfen, ich kann dir bei allem helfen, was du willst, bring mich einfach weg von hier!» Emil fand, dass das ein bisschen übertrieben war. So schlimm konnte das ja nicht sein, immerhin durfte er bei den Pferden sein, was Emil nur erlaubt war, wenn jemand dabei war. Das galt nicht nur für Pferde, sondern für alles, was nicht von seinen Eltern zuerst begutachtet worden war. Deswegen hatte der Prinz nur Hasen oder andere kleine Nagetiere zu Gesicht bekommen.

«Kennst du dich mit Rätsel aus?»

Xiphos sah ihn stirnrunzelnd an.

«Du bist bis hierher gekommen, um mir ein Rätsel zu stellen?» Er sah ein wenig wütend aus. Er mochte Denkspiele noch nie, das hatte er Emil oft gesagt. Er meint, dass sie ihm nur Kopfschmerzen verursachten und er sie sowieso nie verstand. Emil musste es irgendwie schaffen, Xiphos zu überzeugen, ihm zu helfen.

«Ich habe gedacht, dass du etwas Interessantes für mich hast, kleiner Goldfisch.»

«Es ist ein ganz einfaches, wirklich! Und wenn du mir hilfst, werde ich dafür sorgen, dass du nie wieder eine Schaufel in die Hand nehmen musst!»

Der Prinz kannte Xiphos gut genug, um zu wissen, dass er körperliche Arbeit nur mochte, wenn es ums Trainieren ging.

«Überredet, zeig mir dieses Rätsel.»

Das ging schneller, als er sich hätte vorstellen können. Er zeigte ihm das Rätsel und hoffte irgendwie, dass Xiphos weiter wusste. Der schwarzhaarige Junge schaute es sich an und stand dann nachdenklich da.

«Wie viele Spiegel gibt es im Palast?» Mehr, als Emil zählen konnte. In jedem Bad hatte es einen, in seinem und im Schlafzimmer seiner Eltern und in jedem Gästezimmer.

«Viele.» schrieb er nur, er hatte keine Lust, jetzt alle aufzuzählen.

« Ein wenig genauer wäre nett.», sagte Xiphos bissig. «Wie groß sind sie, weißt du das wenigstens? Du hast keine Stimme, nicht Gedächtnisverlust.» Emil sah ihn böse an. Manchmal kann er richtig gemein sein.

«Der größte ist im begehbaren Kleiderschrank meiner Mutter»

Xiphos sah ihn mit großen Augen an.

«Die Königin hat einen begehbaren Kleiderschrank?! Muss nett sein, reich zu sein, wenn schon deine Kleider ein eigenes Zimmer bekommen.» sagte er mit scharfem Ton. «Meine Kleider müssen sich einen Schrank mit anderen Kleidern teilen.»

Emil wechselte schnell das Thema. «Sollen wir ihn uns ansehen?» Xiphos sah sich kurz um, und sagte dann mit einem Grinsen im Gesicht: «Gehen wir die Kleider deiner Mutter besuchen!» Er sah rüber zu Emil, der ihm nur böse anfunkelte. «Ich meinte natürlich, den Spiegel ansehen.»

Vielleicht hatte Xiphos wirklich recht, denn dieser Kleiderschrank war größer als Emil in Erinnerung hatte. An den Seiten hingen alle Kleider der Königin, einige, die Emil noch nie gesehen hatte. Es gab für jedes Kleid passende Schuhe und Halsketten. Am Boden war ein brauner Teppich mit einer goldenen Zeichnung, die das Wappen des königlichen Hauses darstellte: eine goldene Flöte. Emil fand das alles etwas übertrieben. Nur weil sie die Königin war, hieß das noch lange nicht, dass sie so viele Kleider und Schmuck haben sollte, aber was verstand er schon über Kleider, er zog sich nicht einmal allein an.

Er wurde von Xiphos aus seinen Gedanken gerissen, als er voller Staunen durch die Zähne pfiff.

«Nicht schlecht! Das ist ja größer als mein Zimmer. Frag mal deine Mutter, ob ich hier einziehen darf.» Im Gegensatz zu den Angestellten und Rittern lebte die königliche Familie in purem Luxus. Da verwunderte es Emil nicht, dass Xiphos so reagierte.

Der Spiegel, den sie suchten, war am Ende des Schrankes, er nahm die ganze Wand ein und war mit goldenem Rahmen, mit kleinen Zeichnungen an jeder Ecke, die wie Rosen aussahen, geschmückt. Die zwei Jungen standen davor und wussten nicht weiter.

«Was jetzt? Haben wir das Rätsel gelöst? Was ist der Preis?» Emil schüttelte nur den Kopf. «Es gibt keinen Preis und ich glaube nicht, dass das der Spiegel ist, den wir suchen.» Etwas stimmte nicht, man konnte ihn nicht mitnehmen, aber nur die Königin darf sich darin spiegeln. Vielleicht ist es nicht im Palast, sondern an einem anderen Ort.

«Gibt es Spiegel bei den Rittern oder so?» Xiphos dachte kurz nach.

«Ja, im Bad, aber man kann ihn gut mitnehmen.» Jetzt saßen sie in einer Sackgasse. Welchen Spiegel könnte sie meinen? Emil wusste nicht weiter und bei Xiphos sah es nicht anders aus. Plötzlich hatte Emil eine Idee.

«Wir könnten Vater fragen, er mag Rätsel.» Xiphos sah ihn entsetzt an «Das kannst du vergessen. Nicht mit mir, ICH werde ihn nicht fragen, er macht mir Angst.»

Xiphos war nicht der Erste, der sowas sagte, Emil hatte öfters beobachtet, wie die Leute sich benahmen, wenn sein Vater in der Nähe war. Er hatte blaue Augen und weißes Haar, die zusammen mit seiner kalten Persönlichkeit ihm seinen Ruf „Frostkönig" gebracht hatte. Emil verstand das nicht, denn zu ihm und seine Mutter war er immer aufmerksam und liebevoll gewesen.

«Keine Sorge. Ich werde ihn fragen.»

Xiphos seufzte erleichtert auf. Das einzige Problem war, dass der kleine Prinz keine Ahnung hatte, wo sein Vater sich tagsüber aufhielt. Manchmal war er im Büro, manchmal war er außerhalb des Palastes. Der einzige, der immer genau wusste, wo der König sich gerade aufhielt, war Voitos, die rechte Hand des Königs. «Wir könne Voitos fragen wo Vater momenten ist.»

Er wusste nicht, wo sein Vater war, aber er wusste, wo Voitos war. Entweder in der Bibliothek oder in seinem Arbeitszimmer. Xiphos verzog das Gesicht, lief aber zur Tür.

«Nur damit du es weißt, dieser Kerl mag mich nicht.» Das hatte Emil erwartet. Nicht viele im Palast mochten Xiphos weil er schon zu viele Sachen beschädigt hatte, die einzigen, die ihn mochten, waren Emil und ein paar Dienstmädchen, weil sie ihn knuffig fanden.

Sie liefen aus dem Schlafzimmer von Emils Eltern und an ein paar verdutzte Dienstmädchen vorbei, die sich nur fragend ansahen und weiterliefen.

Sie waren bei der Bibliothek angekommen und wollten klopfen, als die Tür von selbst aufging. Vor ihnen stand ein großer Mann, mit blonden Haaren, die sorgfältig nach hinten gekämmt worden waren und eisige braune Augen, die auf die zwei Jungs herabsahen: Voitos.

«Junger Herr, welch ... freudige Überraschung.» Er drehte sich langsam zu Xiphos um und mit abschätzenden Ton sagte er: «Und der Stalljunge ist auch hier, wie toll.» Xiphos schaute ihn angewidert an. «Schön auch dich zu sehen, du überbezahltes Dienstmädchen.»

Voitos wollte gerade etwas sagen als Emil sein Schreibbrett hochhielt mit darauf geschrieben: «Wir wollten dich nur kurz etwas fragen.» Er räusperte und drehte sich zu Emil um als wäre nichts gewesen. «Ich bin ein sehr beschäftigter Mann, kleiner Prinz, also habe ich nicht so viel Zeit.» Er sprach jedes Wort mit Arroganz aus, was Emil fast dazu brachte einfach zu gehen. Doch dann meldete sich Xiphos plötzlich: «Wir suchen dein Herrchen.»

Voitos wurde so rot vor Wut, dass Emil bezweifelte, dass er ihnen je helfen würde. «Hör zu, du kleiner Schei-» er wurde plötzlich von einer anderen Stimme unterbrochen, die Emil allzu gut kannte.

«Voitos.»

Die drei drehten sich um und da stand der König höchstpersönlich. «Was soll das?»

Voitos wurde kreidebleich. «E-Eure Majestät, ich habe Euch nicht so früh zurückerwartet.» Der König beachtet den stotterten Mann nicht und sah zu Emil rüber «Emil, wie geht es dir? Brauchst du etwas?» er lächelte ihn sanft an. Emil nickte ihm zu und wollte sein Schreibbrett herausholen, als sein Vater ihn plötzlich auf die Arme nahm.

«Gehen wir in mein Büro, da können wir in Ruhe reden.» Als er das sagte, sah er rüber zu Voitos, der nickte und sich wieder in die Bibliothek begab. Emil sah über die Schultern seines Vaters auf Xiphos, der nur wie ein Fels da stand, man könnte meinen, dass er aufgehört hatte zu atmen. Der König bemerkte das und sah auch rüber.

«Du darfst dich bewegen, kleiner Ritter» Xiphos atmete erleichtert auf. Sein Vater lief los, mit Emil noch auf den Armen und Xiphos, der nicht wusste, was er tun sollte, schaute ihm nur hinterher. Der König hielt wieder an und drehte sich nun ganz um.

«Kommst du jetzt mit oder nicht, Xiphos?» Der schwarzhaarige Junge nickte und lief ihnen hinterher.

Das Büro seines Vaters war ausgestattet mit einem riesigen Fenster am Ende des Zimmers, ein Schreibtisch mit vielen gestapelten Dokumenten und Bücherregalen an den Wänden. Inmitten des Zimmers war ein kleiner Tisch mit einem Sofa und zwei Sessel. Auf einer der zwei Sessel hatte es sich Emil gemütlich gemacht, mit einer schönen warmen Tasse Milch, während ihm gegenüber sein Vater mit einer Tasse Tee saß. Xiphos stand wie angewurzelt neben Emil.

«Xiphos, du kannst dich ruhig setzen.» Der König versuchte Xiphos zu beruhigen, aber der war stur.

«Sir, nein, Sir. Das ist meine Pflicht als Ritter, ich muss bereit sein in Falle eines Angriffs.» Emils Vater fing herzlich an zu lachen.

«Ist schon gut, du beschützt Emil den ganzen Tag lang, du kannst dir eine Pause gönnen. Und je länger du wartest, desto kälter wird deine Milch» er zeigte auf eine Tasse warme Milch, die er auch für Xiphos hatte herbringen lassen. Der kleine Ritter schaute zuerst auf die Milch und dann auf den König, der ihm sanft zunickte.

«Okay.»

Er nahm sich die Milch und setzte sich auf das Sofa.

«Nun, was ist los?» Emil setzte die Milch ab und gab das Schreibbrett mit dem Rätsel seinem Vater, der es sich genau ansah. «Benötigt ihr Hilfe bei diesem Rätsel?» Emil nickte. «Mal sehen ...» Er sah es sich an, als würde er es studieren. Xiphos setzte die Milch ab und sah rüber zu Emil, der schmunzeln musste, weil Xiphos einen Milchbart hatte. Der schwarzhaarige Junge wusste nicht, wieso der Prinz so doof lächelte, als plötzlich der König wieder anfing zu reden.

«Ihr müsst wissen, dass man bei Rätsel nicht immer logisch denken muss, das ist ja das Tolle daran. Man muss außerhalb der Box denken.» Die Jungs schauten ihn an, verstanden jedoch nicht so recht, was er meinte. Emils Vater hob seinen Kopf.

«Hier ist geschrieben, dass sich Menschen gerne in diesem Spiegel spiegeln, richtig? Ein Spiegel ist nicht das Einzige, worin man sich spiegeln kann» Jetzt, da er das sagte, dachte Emil hart nach. Xiphos stattdessen, der sich in der Zwischenzeit den Milchbart weggeputzt hatte, sah sehr enthusiastisch aus.

«Das stimmt!» Er sah den Mann mit großen Augen an

«Wo führt uns das hin?» Der König sah die beiden Jungs erwartungsvoll an. Emil dachte nach, worin konnte man sich noch spiegeln?

Er sah auf seine fast leere Tasse Milch und da kam es ihm in den Sinn. Er sprang auf und erschreckte somit die beiden anderen, die ihn verwirrt ansahen. Aufgeregt nahm er sich sein Schreibbrett und mit einem breiten Grinsen schrieb er: «Wasser!»

Jetzt musste er nur noch wissen, wo genau, er suchen musste. «Im Rosengarten gibt es einen Teich.» Sagte sein Vater. Perfekt! Er packte Xiphos beim Arm und während er rauslief, gab er seinem Vater einen Kuss auf die Wange und rannte in den Garten.

«Das ist also der Spiegel, den wir gesucht haben?» Sie standen inmitten des Rosengartens, wo sich ein riesiger Teich befand. Emil sah sich um, aber da war keine Spur von der mysteriösen Frau. Er näherte sich langsam dem Teich.

«Wenn du baden wolltest, dann hättest du es einfach sagen sollen.» Emil hörte den spitzen Kommentar des kleinen Ritters nicht. Er fühlte sich vom Teich angezogen, als würde er ihn rufen. Er fing an sich dem Teich zu nähern, als Xiphos versuchte, seine Aufmerksamkeit zu bekommen: «Hey, kleiner Goldfisch, geh nicht so nahe an das Wasser.» Der Prinz lief aber einfach weiter. Jetzt wurde Xiphos nervös «Emil, ich meine es ernst, komm sofort zurück.» Das Wasser reichte Emil bis zu den Knien. Er wusste nicht was, aber etwas zog ihn an, er sah hinab in das Wasser und plötzlich, wie aus dem Nichts, schoss eine Hand aus dem Wasser, die Emil beim Arm packte und hineinzog. Das Letzte, was er sah, war Xiphos, der aufschrie und dann wurde alles schwarz.