Prolog
Die Winde des Wandels
Der Wind ist eine seltsame Sache. Er kommt aus dem Nichts, heult über die Dächer, jagt alte Zeitungen über die Straßen, und wenn er genug Unruhe gestiftet hat, verschwindet er wieder, als wäre er nie da gewesen. Aber manchmal – nur manchmal – trägt der Wind etwas mit sich, das man nicht sehen kann. Etwas, das größer ist als ein umherwehendes Blatt oder ein zufälliges Flüstern. Etwas, das die Welt verändert.
An diesem Nachmittag in London war der Wind genau so ein Wind. Er kam aus dem Osten, scharf wie ein frisch geschärftes Messer, und er hatte es auf die Cherry Tree Lane abgesehen. Die Straße war ruhig – so ruhig, dass man den Schrei eines Vogels hören konnte, der in den grauen Himmel aufstieg. Aber es war die Ruhe vor dem Sturm, und in einer Straße wie dieser weiß der Wind immer, wo er anklopfen muss. Das Banks-Haus, Nummer Siebzehn, stand wie immer auf seinem Platz. Es war das gleiche alte Haus, mit denselben alten Fenstern, demselben knarrenden Zaun und derselben Tür, die schon unzählige Male geöffnet und geschlossen worden war. Aber wenn man genauer hinsah – wirklich genau – dann konnte man spüren, dass etwas nicht stimmte. Das Lachen, das einst die Wände des Hauses gefüllt hatte, war verschwunden. Die fröhlichen Lieder, die man in alten Tagen hören konnte, waren verstummt. Und die Menschen darin, die einst glaubten, dass alles möglich sei, hatten vergessen, wie es sich anfühlt, daran zu glauben.
Michael Banks, inzwischen erwachsen, saß im Wohnzimmer, die Stirn in die Hände gestützt. Er sah aus wie ein Mann, der versuchte, an einem Puzzle zu arbeiten, bei dem die Hälfte der Teile fehlte. Seine Kinder, Annabel und Georgie, spielten draußen, doch selbst ihr Lachen klang gedämpft, als würde der Wind es mit sich reißen, bevor es die Wände des Hauses erreichen konnte. Jane Banks, Michaels Schwester, war zu Besuch, aber auch sie konnte den grauen Schleier nicht vertreiben, der sich über die Familie gelegt hatte. Und dann – genau um 15 Uhr und 32 Minuten – veränderte sich alles. Der Wind drehte sich. Es war nicht einfach ein Wechsel der Richtung. Nein, dieser Wind war anders. Er roch nach Regen und Sonne zugleich, nach Erinnerungen und Geheimnissen, die man lieber vergessen hätte. Er rüttelte an den Fenstern, schlug gegen die Tür und fegte durch die Straße, als hätte er es eilig, etwas Wichtiges zu verkünden.
Und dann kam sie.
Vom Himmel herab, ruhig und doch majestätisch, als wäre sie schon immer ein Teil der Landschaft gewesen. Der Wind trug sie mit sich, wie ein vergessener Traum, der plötzlich wiederkehrt. Der Regenschirm in ihrer Hand war geöffnet, obwohl kein Regen fiel, und ihr Mantel flatterte wie die Flügel eines Vogels. Sie landete sanft vor Nummer Siebzehn, strich ihren Rock glatt und klopfte sich ein unsichtbares Staubkorn von der Schulter.
Mary Poppins war zurück.
Sie sah auf die Tür vor sich, und für einen Moment schien es, als würde sie lächeln. Nicht breit, nicht fröhlich, sondern nur ein Hauch, ein Flüstern von Zufriedenheit. Der Wind legte sich, und in der plötzlichen Stille der Straße konnte man fast hören, wie die Welt den Atem anhielt.
„Nun“, sagte sie leise zu niemand Bestimmtem, „es wird Zeit, dass hier wieder ein bisschen Ordnung herrscht.“
Und dann klopfte sie an.
