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5 - Alamea

Als ich runter komme, da gibt es bereits einen eingedeckten Platz für mich. Nevan ist schon da und steht neben meinem Stuhl. Er trägt immer noch die weißen Gewänder von heute morgen. Ich trage wieder rot, wie es für die Naida üblich ist. Rot gefällt mir ehrlich gesagt nicht so wirklich. Ich mag zwar meine Augen, auch wenn sie weniger getönt sind als die meiner Geschwister und ich mag meine Sommersprossen, aber es ist ein bisschen viel für mich auch noch rot zu tragen.

„Ihr Essen steht bereit." Ich lächle glücklich in Nevans Gesicht und setze mich dann auf den rausgezogenen Stuhl. „Hast du schon gegessen?" Frage ich ihn. Vor mir auf dem Teller liegt ein Honigkamm. „Noch nicht, Prinzessin." Ich gebe ihm einen genervten Blick und zeige auf den Stuhl mir gegenüber. Der Tisch ist klein. Ich bin die einzige in meiner Familie, die Essen braucht. Die anderen sitzen nie bei mir, aber das ist okay. Nevan setzt sich zögerlich hin. „Ich darf doch nicht bei ihnen sitzen." Ich schiebe ihm die Hälfte meines Frühstücks auf meinem Teeteller rüber. „Du darfst mich auch nicht Prinzessin nennen und machst es trotzdem immer." sage ich beleidigt. Er soll mich so nennen, aber ich persönlich mag es nicht. „Und wenn keiner mit mir isst bin ich traurig und du weiß doch was passiert, wenn wir traurig werden." Nevan nickt schnell und steckt sich ein Stück in den Mund.

Wenn Ilaria traurig werden, werden sie krank. Wenn es nicht besser wird, dann sterben sie einfach. Krass oder? Ich könnte einfach sterben, wenn ich schlecht behandelt werde oder kein Sonnenlicht bekomme oder keine Liebe. Es gibt viele Weisen einen Ilaria umzubringen. Zwar bin ich weniger anfällig für solche Dinge, weil ich nur ein Halbblut bin, aber es ist trotzdem riskant, schließlich könnte ich tausend Jahre alt werden oder mehr.

Der Honig tropft von Nevans Kinn und ich streiche ihn vorsichtig weg. Überrascht sieht er mich aus großen Augen an und blickt dann schnell weg. Seine Wangen werden ganz rot und ich lache leise. Nevan ist schon echt süß. Es macht mich manchmal traurig, dass er schon abreiten muss, anstatt seine Jugend zu genießen. Der kleine würde oben in den höchsten Bergen im Schnee spielen, hätte seine Familie nicht vor Tausenden von Jahren einen Packt mit meiner geschlossen.

„Schmeckt's?" Frage ich und er nickt lächelnd. Der Arme hatte Hunger! Hat schon fast alles weggefuttert. Ich mache mir echt Sorgen um ihn, manchmal. Er ist mein bester Freund und er lebt so viel schlechter als ich. Er hat das nicht verdient. „Kommst du später mit zum schwimmen?" Nevan will erschrocken aufstehen, aber ich drücke ihn an der Schulter wieder auf den Stuhl. „Bleib ruhig sitzen, Nevan." sagt Sonomi. Sie ist meine älteste Schwester und eine von drei. Die erst geborene. Ihr Name bedeutet ‚Garten der Hoffnung' und sie ist wirklich genau so für mich. Sonomi ist die liebste von allen meinen Schwestern. Die anderen beiden können viel hinterhältiger sein. Das sie die liebste ist, bedeutet nicht, dass sie nicht lügt und betrügt, ihr Name ist eigentlich ein Wortspiel der Naida. Sie nennen gerne Dinge so, wie sie nicht sind. ‚Hoffnung' ist nicht das was sie wollen. Ich mag den Namen trotzdem und sie mag ich auch.

„Du hast morgen wieder ein Tunir oder?" Fragt sie und setzt sich zu uns an den Tisch. Dabei zieht sie Nevan aber den Teller weg. Genau das meine ich. Sie ist freundlich, aber es ist nicht immer echt. Nevan sieht nur artig auf die Tischplatte herunter und macht keinen Mucks. Er muss sich so verhalten, wenn meine Geschwister da sind, aber es macht mich trotzdem wütend. Er ist nicht weniger wert als sie! Wieso muss er herunter blicken? Alles nur um ihr Ego zu füttern. „Ja." Antworte ich freundlich.

„Die Königin will mit dir sprechen. Sie kommt bestimmt gleich runter." Schnell sehen Nevan und ich uns an. Sofort steht er auf und stellt sich wieder hinter meinen Stuhl. „Danke für die Warnung." Sage ich an Sonomi, aber sie zuckt bloß mit den Schultern. Ja, es war wieder nicht absichtlich.

Sonomi hat leicht goldene Haut. Und ihre Sommersprossen sind blass. Das liegt daran, dass sie schon so alt ist. 400 Jahre. Sie hat keine Kinder und auch keinen Partner. Es ist noch genug Zeit für sie das zu ändern, aber ich glaube nicht, dass sie das möchte.

Ihre Geschäfte laufen gut. Sie handelt mit Kristallen und teuren Stoffen bis hoch ins Herzgebirge. So weit kommt Ware selten. Jeden Morgen geht sie 40 Kilometer schwimmen. Das ist nichts für sie und länger als eine halbe Stunde braucht sie dafür auch nicht. So weit und so schnell kann ich nicht schwimmen. Ich bin sehr sehr langsam. Sie hat mich nur gefragt ob ich mit zum schwimmen komme, weil es eine Familienaktivität ist. Sie wissen, dass ich krank werden kann, wenn sie sich nicht um mich kümmern also hat Mutter ihnen beigebracht wie sie mir Zuneigung zeigen können. Solche Fragen sind zwar nicht viel, aber dank meinen Ilaris Freunden wie Nevan geht es mir trotzdem gut.

„Tochter!" Ich drehe mich um und Nevan bewegt sich zur Seite. „Königin." Sage ich lächelnd und sie schmunzelt leicht. Ja, meine Mutter nennt mich nicht gerne so, aber es ist trotzdem lieb, dass sie es mir zu liebe macht. Es hört sich aus ihrem Mund trotzdem mehr wie eine Beleidigung an. „Du wolltest mit mir sprechen?" Frage ich und sie setzt sich nickend dahin wo eben noch Nevan saß. Zum Glück weiß sie das nicht. Sonomi, könntest du den Raum verlassen?" Meine Schwester nickt und geht. Danke oder bitte sagen sie hier auch nicht. Es stört mich immer. Die Ilaria Diener haben mich teilweise großgezogen und bei ihnen ist es sehr wichtig höflich zu sein.

„Du wirst heiraten." Überrascht blicke ich meine Mutter an. Ihre dunklen Haare liegen feucht an ihrem Kopf und werden von einem dunklen grünen Haarreif zurück gehalten. Ihre Gesichtszüge sind wie immer versteinert und ihre Wangenknochen spitz. „Wen?" Ich wusste überhaupt nicht, dass ich heiraten soll. Sind wir in Schwierigkeiten? Brauchen wir neue Beziehungen? Für meine Familie würde ich es tun, wenn ich uns dann vor dem Ruin retten kann. „Schau nicht so besorgt, wir haben keine Geldprobleme." Oh. Meine Mutter lacht leise, obwohl sie es nicht mag, wenn ich mir Sorgen mache. Dann bin ich zu sehr wie ein Ilaria.

„Es sind die Zuko." Was? Schockiert starre ich sie an. Niemals! Nie nie niemals! Ich schüttle sofort mit dem Kopf. Jeder kennt die Zuko. Sie sind eine uralte Familie oder ein Klan, wie sie es nennen. Nicoli und zwar von der schlimmsten Sorte. Sie waren stark an der Tötung von Millionen von Ilaria beteiligt. Vor einer Milliarde Jahren gab es einen großen Krieg zwischen Ilaria und Nicoli. Es ging natürlich von den Nicoli aus und sie haben es leicht gehabt tausende von Ilaria Stämmen auszurotten. Ilaria haben damals nicht gekämpft. Sie waren friedliche Mönche. Alles was sie lernten und Praktizierten waren Heilungsrituale. Damals hatten manche von ihnen sogar noch Flügel.

„Ich kann keine Mörderfamilie heiraten!" Sage ich ängstlich und starre sie bittend an. Tu mir das nicht an! Tu das meinen Freunden nicht an. Wie soll ich denn mit einem Nicoli leben? Der wird mich foltern und umbringen! Plötzlich schließen sich zwei Arme um mich. Ich atme tief durch. Es ist Nevan. Er ist immer an meiner Seite damit ich nicht nervös werde. Ilaris müssen beruhigt werden und getröstet werden, damit sie nicht krank werden. Meine Familie weiß nicht wie das geht also haben sie Nevan an meine Seite gestellt. Er ist dazu beauftragt mich ruhig zu halten damit meine Ilaria Seite mich nicht krank machen kann.

Meine Mutter atmet tief durch während Nevan mich weiter fest drückt. Ich bin schon wieder entspannter. Es ist recht leicht mich zu beruhigen. Es ist ja nur ein Teil von mir, der manchmal die Kontrolle verliert. „Die werden mich umbringen." hauche ich. Ich kann spüren wie nervös Nevan selbst ist. Er macht sich Sorgen um mich. Weiß genauso wie ich, dass ich bei den Nicoli nicht überleben kann. Mutter versteht das nicht! „Sie werden dich nicht umbringen. Sie brauchen dich nämlich."

Fragend blicke ich in ihr Gesicht. Mutter hat so dunkel grüne Haare, dass sie fast schwarz sind. Sie laufen im Nacken zusammen. Dort enden sie dann auch. Sie werden regelmäßig geschnitten und sind damit besonders dick und prachtvoll. Sie glänzen, was bei Naida bedeutet, dass sie besonders mächtig ist. „Ich würde dich nicht hinschicken, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass du leben wirst." Ich glaube ihr nicht. Skeptisch sehe ich sie an. „Ihr Sohn ist stumm." Na und? Was hat das mit meiner Sicherheit zu tun?

„Deianira sucht seit vier Jahren einen Partner für ihn und hat niemanden gefunden." Weil er stumm ist? Als ob! Nevan lässt mich langsam wieder los. Ich greife nach seiner Hand und halte sie fest. Ohne ihn stehe ich das hier nicht durch. Außerdem können Ilaria fühlen was andere fühlen und ich will wissen was er denkt. Ich kann es leider nur über Berührung, weil ich ja nur ein Halbling bin. „Sie wollten natürlich ursprünglich einen Nicoli, aber jetzt suchen sie auch nach Naida." Ich schüttle wieder mit dem Kopf. „Ich bin nicht genug Naida dafür." Sie atmet tief durch und rückt näher an mich heran.

„Denk doch mal was das für unseren Schwarm bedeutet. Wir könnten reich werden. Uns so sicher in den heutigen Geschäften verankern, dass wir noch in tausenden von Jahren einen Platz am großen Feuer haben. Deine Kindes-Kinder wären in Sicherheit. Niemand wird es wagen dich anzurühren." Ängstlich schüttle ich immer noch mit dem Kopf. „Ich bin doch gar nicht bereit und du hast immer gesagt, dass ich einen Naida heiraten darf." Ich wusste, dass sie mir einen Ilaris nicht erlaubt also habe ich es nicht gewagt über einen zu träumen, aber damit stand immer fest, dass es ein Naida würde. Niemals einen Nicoli, selbst wenn es ein Mädchen ist. Sie sind alle gruselig und grausam.

Nevan umarmt mich wieder. Für meine Mutter ist er ein richtiger Stimmungsindikator, weil sie wirklich Schwierigkeiten hat meine Emotionen zu lesen. Sie kann auch kaum verstehen was ich fühle. Empathie ist sehr schwer für Nicoli und Naida. Dafür haben Ilaria doppelt so viel. „Sie haben einen Brief schicken lassen. Er ist eben angekommen. Sie laden uns zum Tee ein. Wir werden ihn treffen und ihn uns angucken." Oh Gott. „Ich weiß, dass er stumm ist und das ist nicht gerade ideal, aber wenn du darüber hinwegsehen kannst..." Ich unterbreche sie einfach hysterisch. „Ist mir doch egal ob er sprechen kann oder nicht! Ich will keinen Nicoli heiraten! Gib mir einen stummen Ilaria oder einen stummen Naida und ich heirate den sofort, aber doch keinen Nicoli!"

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