Kapitel 3: Krankenhaus
AVERY
Nachdem ich mich endlich beruhigt hatte ging ich dann in unser Haus.
"Hallo?"
"Hier oben!", rief Rick. "Ave, gut dass du da bist. Kommst du mit ins Krankenhaus?"
"Was? Wieso?"
"Mum ist zusammen geklappt. Dad ist mit ihr schnell hingefahren. Wollte jetzt auch hin, kommst du mit?"
"Natürlich!"
Krankenhaus... KRANKENHAUS?! Oh, nein! Dann würde ich Marcus ja gleich schon wieder antreffen. Dann können die mich da direkt da behalten! Weil ich einen Herzkollaps bekomme! Rick stürmte von oben herunter und hatte eine Tasche dabei.
"Nur falls sie da bleiben muss. Komm!"
Er zog mich mit zum Auto und wir stiegen ein. Rick war die ganze Autofahrt total nervös. Ich aber auch. Wegen zwei Dingen. Mum und Marcus. Nach kurzer Zeit waren wir da und liefen direkt in die Notaufnahme. Wir mussten nicht mal zur Anmeldung, weil Marcus da gerade stand.
"Oh, Hey Jungs." Er warf mir wieder so einen komischen Blick zu. "Eurer Mum geht es soweit gut. Kommt mit."
Oh Gott! In seinem Arztkittel sah er schon schärfer für mich aus. Er hätte glatt eine Figur aus Grey's Anatomy sein können. Rick unterhielt sich mit ihm und ich schlich hinterher.
"Mum!"
"Oh, Jungs. Alles okay."
"Bist du sicher? Geht es dir gut?"
"Rick, ganz ruhig."
"Die Tests waren alle negativ. Miriam hat sich einfach überanstrengt und zu wenig gegessen die letzten Tage."
"Wir sollten uns mal Urlaub nehmen.", meinte Dad. "Wenn die nächsten Ferien sind, fahren wir mal zusammen weg."
"Gute Idee, Connor.", kommentierte Marcus die Antwort von meinem Dad. Dann wandte er sich an mich. "Ave? Soll ich dich auch untersuchen?"
"W-Was?"
"Du warst so blass vorhin und hattest Fieber, wenn auch nur leicht erhöht."
"Wirklich, Schatz? Wirst du krank?"
Liebeskrank!, fügte ich in Gedanken hinzu.
"Ehm..."
"Komm eben mit."
"Aber..."
"Schatz, komm schon. Wenn du Fieber hast oder hattest."
"O-Okay..."
Ich folgte Marcus in einen anderen Behandlungsraum. Er fühlte nochmal meine Stirn, die wohl immer noch warm war. Er maß mein Fieber.
"38,1. Du wirst wohl wirklich krank mein Lieber. Zieh mal bitte deine Jacke aus und schieb dein Pulli hoch."
Ich lief direkt rot an, obwohl ich ja wusste, dass er mich nur abhören wollte. Dennoch tat ich es und als ich da mit freiem Brustkorb saß, sah er mich wieder so an. Was war das? Wieso tat er das immer?
"Wie Ernst ist dir das mit Silas?", entwich mir auf einmal die Frage.
"Was?"
"Oh, n-nichts... Entschuldige, das kam einfach so aus meinem Mund..."
Marcus schmunzelte. Dann hörte er mich ab.
"Naja, mal sehen. Wir treffen uns erst ein paar Wochen."
"Ich habe euch heute Nacht gehört."
Der heiße Arzt ließ sein Stethoskop sinken.
"Was?"
"I-Ich wollte auf's Klo und d-da hab ich euch g-gehört... Ich dachte, ich sollte es dir s-sagen..."
"Au weia. Das der beste Freund meines Sohnes mich beim Sex hört, war nicht mein Plan.", lachte er. "Deine Atemgeräusche sind normal. Ich geb dir was für das Fieber mit. Ansonsten bleibst du halt morgen noch daheim."
Rick kam zu uns rüber.
"Und Doc? Wie sieht's bei dem Kleinen aus?"
"Das kann ich nicht beurteilen, aber deinem Bruder geht es soweit gut. Etwas Fieber." Rick lachte sofort los und ich brauchte einen Moment, bis ich die Zweideutigkeit dahinter verstand. Offenbar musste ich ein ziemlich entsetztes Gesicht gemacht haben, denn Marcus lachte auch plötzlich los. Von wegen Fieber! Dieser Mann trieb meinen Puls in die Höhe und die Hitze in mein Gesicht! Vor allem arbeiteten die Beiden ja auch noch zusammen und erlaubten sich dann solche Witze! "Das war doch nur Spaß, Ave."
"Eh ja... k-klar..."
Da machte er glatt Witze über meinen Schwanz... Gott ey... Ich musste hier raus, bevor ich noch über ihn herfallen würde. Ich stand auf.
"Eure Mum behalte ich noch eine Nacht hier. Zur Vorsicht. Du kannst gehen Ave."
"Gut, wir sagen Mum noch Tschüss und dann fahren wir wieder heim, okay?" Ich nickte nur. Unsere Eltern verabschiedeten uns, denn Dad würde heute Nacht hier bleiben. Rick und ich gingen zurück zum Auto. Mir war immer noch heiß. Und ich war geil... "Was ist mit dir los, Ave?", fragte Rick mich, sobald wir im Auto und los gefahren waren.
"W-Was soll sein?"
"Ich weiß nicht, du bist irgendwie nervös? Oder so?"
Rick merkte wirklich alles, er hatte schon früher als wir noch Kinder waren immer gemerkt, wenn ich ein Problem hatte oder wenn ich Mum und Dad wegen irgendwas belogen hatte. Aber das war eine Sache, die ich ihm definitiv nicht sagen konnte. Wenn er heraus fand, dass ich auf einen Siebenunddreißigjährigen Vater und seinen Chef abfuhr, würde er mich sofort zurück schicken und in die Klapse einweisen. Ich wusste ja selber, dass es verrückt war, aber meine Gefühle waren eben da. Ich seufzte.
"Es ist nichts... ich fühle mich nur ein wenig schlapp..."
Ich merkte, wie er seine Augenbrauen hochzog. Er wusste, dass ich log.
"Bist du dir sicher? Du weißt, dass du über alles mit mir reden kannst?"
Das stimmte. Ich hatte ihm auch damals als ich gerade Fünfzehn Jahre alt war, zuerst gestanden, dass ich schwul war. Er hatte kein Problem damit. Meine Eltern auch nicht, aber damals wusste ich nicht, dass sie so tolerant damit umgehen würden. Deswegen habe ich es Rick zuerst erzählt. Auch von meinem ersten Mal oder immer, wenn ich verliebt war. Aber das hier war mein Todesurteil! Das konnte ich ihm einfach nicht sagen.
"Ja, ich weiß."
"Also?"
"Also was?"
Rick stieß Luft aus.
"Schon gut, dann sag es mir halt nicht."
Ich schwieg daraufhin und wir fuhren einfach ohne ein weiteres Wort nach Hause.
MONTAG
Tatsächlich fühlte ich mich am Montag wieder richtig gut. Mit Sicherheit war meine Temperatur nur angestiegen, weil ich so scharf auf Marcus war. Rick fuhr mich zur Schule und nahm dann seinen Weg zur Arbeit weiter auf. Er war ein wenig beleidigt, weil er wusste, dass mir was auf dem Herzen lag und ich nicht darüber redete. Mein Bruder ließ mich raus und fuhr zum Krankenhaus.
"Hey!" Ich erschrak, als Evan auf einmal hinter mir auftauchte. "Du bist ja da. Geht es dir gut? Dad meinte, du warst gestern noch im Krankenhaus wegen deiner Mum und er hat dich auch direkt untersucht."
"Mir geht es gut, ehrlich."
"Deiner Mum auch?"
"Ja, sie darf wohl heute wieder gehen."
"Super, na komm wir müssen rein. Wenn wir zu spät kommen, flippt Mister Jones wieder aus.", lachte Evan.
Unser Lehrer war nett und humorvoll, aber er war auch streng, aber gerecht. Ich grinste ebenfalls und folgte meinem besten Freund in die Klasse. Ich war froh, dass ich Evan hier hatte. Ich war eher unauffällig, aber es gab da schon manchmal dumme Sprüche. Vor allem als jemand heraus gefunden hatte, das ich schwul war. Aber da Evan sehr beliebt bei uns in der Klasse war, musste ich mir nicht ganz so große Sorgen machen.
"Baby!", rief auf einmal eine glockenhelle Stimme hinter uns.
Evan drehte sich herum und ich tat es ihm gleich. Es war Malika. Sie kam freudestrahlend auf Evan zu gerannt und schmiss sich meinem Kumpel in die Arme. Ich seufzte wieder etwas zu laut. Der Schwarzhaarige lachte kurz und wandte sich dann an mich.
"Kein Grund eifersüchtig zu sein.", grinste er und drückte mich an sich.
"Du Spinner!"
Malika musterte mich und ich befürchtete schon, dass sie mir irgendwas dummes an den Kopf werfen würde. Ich kannte sie noch nicht so gut, aber ich beurteilte sie schon im vorab als arrogant.
"Du bist doch schwul, oder?"
Ich zuckte zusammen. Jetzt hatte sich meine Sexualität schon in der Zwölften breit gemacht.
"Eh... Ja... W-Wieso?"
"Falls du ein Date willst oder so, der beste Freund meines Bruders ist auch schwul und Single. Und du wärst genau sein Typ.", grinste sie.
Evan grinste mit.
"Uuuuh, Ave, das wolltest du doch."
Naja, nicht so ganz., dachte ich, ließ das aber mal außen vor.
"Sag mir einfach Bescheid, falls du möchtest. Oh Gott, ich muss los. Wir sehen uns."
Sie gab ihrem Liebsten noch einen Kuss und rannte dann in die andere Richtung davon. Wir schafften es auch gerade noch ins Klassenzimmer, eher Mister Jones gefühlt fünf Sekunden nach uns auftauchte. Blöderweise hatte ich die Mathearbeit total vergessen, die wir heute schreiben wollten und nach der Ankündigung und dem Gesichtsausdruck von Evan, er wohl auch. Im Gegensatz zu ihm, war ich voll der Streber. Er war zwar nicht dumm, aber ließ alles eher locker angehen. Ich hingegen, lernte meistens tagelang für eine Arbeit. Aber diese war mir wohl entfallen. Ich sollte wieder mehr meinen Kopf benutzen, statt ständig nur an meine Genitalien zu denken. Trotzdem bekam ich die Arbeit irgendwie hin.
"So ein Rotz! Ich hab die voll vergessen!"
"Ich auch.", brummte ich.
"Du hast eh wieder eine Eins, du Streberchen."
Ich boxte ihm gegen den Arm und er lachte. Auf einmal flog mir irgendetwas an den Kopf.
"Aua!", feixte ich.
Ich drehte mich um. Es war eine leere Plastikflasche. Ich sah schon in sein dumm grinsendes Gesicht. Robin. Er war ein Quälgeist. Hatte auch einige Freunde hier, aber stand weit hinter Evan. Evan nahm die Flasche und donnerte diese volle Kanne wieder zurück. Sie traf Robin im Gesicht, was natürlich zur Belustigung der Klasse wurde.
"Hey, du Arsch!", keifte dieser.
"Du hast doch angefangen Avery zu beschmeißen du Miststück!" Robin grummelte irgendetwas unverständliches. "Kannst du das nochmal lauter sagen?"
"Der ist ne scheiß Schwuchtel!", hab ich gesagt.
"Und du bist n scheiß Kerl, also halt dein Maul!"
"Leute beruhigt euch bitte." Misses Collins unsere Geschichtslehrerin war rein gekommen. "Und du Robin, wenn du nicht wieder wegen Stress beim Rektor landen willst, rate ich dir den Rat von Evan anzunehmen und wirklich dein Maul zu halten." Evan lachte daraufhin voll los und die Anderen machten mit. Robin lief rot an. Misses Collins wusste, wie scheiße er immer zu mir war. "Und du weißt doch, was sich neckt, das liebt sich."
"W-Was? Misses Collins!", feixte Robin.
Sie zwinkerte mir zu. Robin war still. Das fehlte mir gerade noch, dass der mich deswegen neckte. Urks. Ich verwarf diesen Gedanken aber ganz schnell wieder. Der Unterricht ging weiter und auf einmal fühlte ich mich nicht mehr gut. Es wurde von Minute zu Minute schlimmer.
"Ave... Was...?", begann Evan.
Doch da kippte ich vom Stuhl.
