
Zusammenfassung
Weniger als einen Monat nach der Beerdigung musste meine Ehe zur Seite treten. "Mein Bruder ist tot, und seine Frau ist schwanger und braucht Betreuung. Ich bin Arzt, und ich bin der Einzige, auf den sie sich verlassen kann." Simon Bell betrat das Haus mit der Witwe seines Bruders, und verkündete die Nachricht so, als würde er eine Diagnose im Krankenhaus stellen – ruhig und unanfechtbar. Ich blieb stehen und sah zu, wie er Veras Gepäck trug und ihr unser Schlafzimmer überließ. Und ich? Ich konnte nur danebenstehen und zusehen. In der ersten Woche blieb sie still. In der zweiten begann sie, sich einzunisten. Sie brachte warme Milch ins Arbeitszimmer, ihre Stimme weich und zerbrechlich: "Doktor, du arbeitest zu viel. Du solltest dich richtig ausruhen." Beim Abendessen hustete sie leise, eine Hand auf der Brust: "Simon, ich bekomme schlecht Luft. Könntest du kurz meinen Herzschlag hören?" Mitten in der Nacht spielte sie Atemnot vor, rief Simon in ihr Zimmer und ließ ihn ihren Puls prüfen. Ich war nicht naiv – ich war einmal Anwältin. Ich konnte jedes ihrer kalkulierten Manöver klar erkennen. Die Beweise lagen Stück für Stück direkt vor mir. Doch wenn ich Simon ansah, lag in seinen Augen professionelle Geduld, und sogar Zärtlichkeit. "Du solltest auf der Seite schlafen, das nimmt den Druck weg", sagte er, seine Finger berührten sanft ihr Gesicht. Mein Herz krampfte schmerzhaft zusammen. Wie gerne hätte ich ihn daran erinnert: Ich bin deine Frau, nicht sie. Aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Zurück blieb nur das scharfe Hämmern meines eigenen Herzschlags. Vor drei Jahren hatte ich die Chance aufgegeben, Partnerin in meiner Kanzlei zu werden – für diese Ehe. Ich hatte den Gerichtssaal aufgegeben, mich selbst aufgegeben. Jetzt verstand ich es endlich, für ihn war eine schwangere Schwägerin schützenswerter als ich. Ich ging ins Arbeitszimmer, meine Finger eiskalt, und wählte die Nummer. "Papa", meine Stimme zitterte, und war zugleich entschlossener als je zuvor. "Ich will die Scheidung."
Kapitel 1
Weniger als einen Monat nach der Beerdigung war meine Ehe gezwungen, zur Seite zu treten.
„Mein Bruder ist tot, und seine Frau ist schwanger und braucht jemanden, der sich um sie kümmert. Ich bin Arzt, und sie hat sonst niemanden.“
Simon Bell war mit der Witwe seines Bruders ins Haus gekommen und verkündete die Nachricht so ruhig, als würde er in einem Behandlungsraum eine Diagnose stellen – sachlich, endgültig.
Ich stand einfach da und sah zu, wie er Veras Koffer hereintrug und unser Schlafzimmer für sie freiräumte.
Und ich? Ich konnte nur danebenstehen und zuschauen.
In der ersten Woche blieb sie noch still. In der zweiten begann sie, sich überall einzuschleichen.
Sie brachte warme Milch ins Arbeitszimmer, ihre Stimme weich und zerbrechlich:
„Doktor, du arbeitest viel zu hart. Du musst richtig ausruhen.“
Beim Abendessen hustete sie leicht und hielt sich an die Brust:
„Simon, ich bekomme schlecht Luft. Kannst du kurz meinen Herzschlag hören?“
Mitten in der Nacht tat sie so, als hätte sie Atemprobleme, und rief Simon in ihr Zimmer, damit er ihren Puls nahm.
Ich war nicht naiv, früher war ich Anwältin. Ich sah genau, dass jede ihrer Gesten berechnet war.
Die Indizien lagen sauber sortiert vor mir, Stein für Stein.
Doch wenn ich Simon ansah, lag in seinen Augen geduldige Professionalität, sogar eine gewisse Zärtlichkeit.
„Du solltest auf der Seite liegen, dann wird der Druck besser.“
Seine Fingerspitzen strichen dabei sanft über ihr Gesicht.
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich wollte ihn so sehr daran erinnern – ich bin deine Frau, nicht sie.
Doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Nur mein pochender Herzschlag füllte die Stille.
Vor drei Jahren hatte ich die Chance aufgegeben, Partnerin in meiner Kanzlei zu werden – nur wegen dieser Ehe.
Ich hatte den Gerichtssaal hinter mir gelassen, mich selbst aufgegeben.
Und jetzt verstand ich endlich: In seinen Augen war eine schwangere Schwägerin schützenswerter als seine eigene Frau.
Mit eiskalten Fingern ging ich ins Arbeitszimmer und griff zum Telefon.
„Papa …“ Meine Stimme zitterte, war aber entschlossener als je zuvor. „Ich will die Scheidung.“
…
Am anderen Ende meldete sich mein Vater besorgt:
„Jolene, was ist passiert?“
Ich erzählte ihm alles, was in dieser Zeit passiert war.
Vom aufgezwungenen Schlafraumtausch, über die warme Milch, über das Herzabhören, bis zu der Nacht, in der Vera angeblich Albträume hatte und Simon so lange bei ihr blieb, bis sie einschlief …
Für sich allein wirkten diese Dinge banal, aber zusammengenommen waren sie wie ein Berg, der mich erdrückte.
Fünf Jahre lang hatte ich versucht, Simons perfekte Ehefrau zu sein.
Vor drei Jahren hatte ich sogar meinen Job gekündigt, um besser für ihn da zu sein.
Ich hatte gelernt, seine Lieblingsgerichte zu kochen, unser Haus warm und gemütlich einzurichten.
Ich zog mich so an, wie er es mochte – dezent, brav, zurückhaltend.
Ich hatte mich verbogen, um seine Anerkennung zu bekommen, doch er behandelte meine Hingabe wie Luft und widmete seiner Schwägerin das Beste von allem.
Als mein Vater, Frederick James, alles gehört hatte, wurde seine Stimme frostig und streng:
„Jolene, ich unterstütze deine Entscheidung. Mach dir keine Sorgen, das Unternehmen der Bells wurde ursprünglich durch meine Investitionen aufgebaut. Ich kann mein Geld jederzeit herausziehen. Entscheide einfach so, wie es dir gut tut.“
Nachdem ich aufgelegt hatte, fühlte ich mich merkwürdig ruhig.
Vielleicht hatten mich all die Enttäuschungen schon längst an diesen Punkt geführt.
Ich sah die abgekämpfte Frau im Spiegel an.
All die Jahre hatte ich alles für diese Ehe gegeben – und dabei vergessen, wie strahlend ich früher gewesen war.
Aber damit war jetzt Schluss.
In dieser Nacht schlief ich im Arbeitszimmer.
Am nächsten Morgen ging ich in die Küche.
Vera war schon dort.
Sie trug Simons Hemd. Dieses weiße Hemd – ich erinnerte mich genau daran. Ich hatte es gekauft und jedes Mal sorgfältig gebügelt, wenn er zu medizinischen Kongressen fuhr.
Jetzt hing es lose über ihren Schultern und konnte ihren runden Bauch nicht verbergen.
Sie summte leise vor sich hin, während sie Kaffee aufbrühte.
Als sie mich sah, lächelte sie, als wäre nichts gewesen.
„Guten Morgen, Jolene. Schlecht geschlafen? Ich hab gehört, du hast im Arbeitszimmer übernachtet.“
Mein Blick blieb an dem Hemd hängen. Ein dumpfer Schmerz schoss mir durch die Brust.
Meine Stimme war kalt und flach:
„Zieh es aus.“
Ihr Lächeln erstarrte. „W–was?“
„Ich sagte: Zieh. Das. Hemd. Aus.“
Meine Worte klangen wie ein Urteilsspruch – ruhig, scharf, ohne jede Möglichkeit zur Diskussion.
