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Ich, ehrlich gesagt

14.0K · Laufend
Jennifer
26
Kapitel
19
Lesevolumen
9.0
Bewertungen

Zusammenfassung

Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich weiß nur, wer ich nicht sein darf. Für alle anderen scheint das Leben ein klarer Plan zu sein: Freundschaften, Partys, erste große Liebe. Für mich ist es ein Puzzle, bei dem die Teile nicht passen – egal, wie sehr ich mich anstrenge. Mia will mehr als Freundschaft. Meine Eltern erwarten, dass ich „normal“ bin. Und Luca… ist der Einzige, bei dem ich so sein will, wie ich wirklich bin – auch wenn ich noch gar nicht weiß, wer das ist. Ich, ehrlich gesagt ist eine Geschichte über Angst und Mut, über das Versteckspiel im eigenen Kopf – und über den Moment, in dem man beginnt, sich selbst laut auszusprechen. Ehrlich. Unsicher. Und vielleicht genau deshalb richtig. ————————————————————— Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist eine fiktive Geschichte und enthält Elemente des LGBTQIA+. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Orten sind rein zufällig.“

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Prolog - Ich und der Rest der Welt

Manchmal habe ich das Gefühl, ich stehe auf einer Bühne, auf der ich nie gecastet wurde. Alle anderen spielen ihre Rollen perfekt – lachen, weinen, lieben, streiten – und ich stehe am Rande, mit dem Textbuch in der Hand, zu spät zur Probe und frage mich, ob ich überhaupt zur richtigen Show gehöre. Ich lache an den richtigen Stellen, sage die richtigen Sätze und nicke, wenn man nicken soll. Aber tief in mir drin läuft ein ganz anderer Film. Einer ohne Ton, in Schwarzweiß, und ich sitze irgendwo in der letzten Reihe und versuche, die Handlung zu verstehen.

Ich habe mich immer anders gefühlt, nicht im Sinne von “Ich bin so besonders”, sondern eher so, als würde ich nirgendwo richtig reinpassen. Es ist, als wäre ich die einzige Person in einem Raum voller Menschen, die verstanden haben, wie das Leben funktioniert. Und ich? Ich versuche einfach nur nicht aufzufallen.

Ich bin gut darin geworden, unsichtbar zu sein. Ich vermeide unangenehme Fragen, führe Smalltalk, lächle, wenn es erwartet wird, und schaue weg, wenn es einfacher ist. Aber irgendwann – und das ist das Gemeine – reicht das nicht mehr. Irgendwann schreit etwas in dir. Nicht laut, sondern eher so ein Zittern in der Brust, das du erst nachts spürst, wenn alle anderen schlafen und du zum ersten Mal am Tag ehrlich atmest.

Ich kann nicht genau sagen, wann es angefangen hat. Vielleicht, als mir klar wurde, dass meine Gefühle von denen meiner Freundinnen abweichen. Oder vielleicht, als ich mich dabei ertappte, wie ich jemandem zu lange hinterhersehe – nicht aus Neid, sondern weil mein Herz auf eine Weise reagierte, die ich nicht in Worte fassen konnte oder wollte. Ich habe es immer wieder weggeschoben, weil es einfacher war. Ich wollte nicht der Mensch sein, über den getuschelt wird, der von Lehrerinnen schräg angesehen wird oder der in WhatsApp-Gruppen plötzlich nicht mehr erwähnt wird.

Jahrelang habe ich gehofft, es wäre nur eine Phase, ein Gefühl, das irgendwann verblassen und verschwinden würde. Aber Gefühle sind hartnäckig. Sie klammern sich fest, auch wenn man sie ignoriert, vor allem, wenn man sie ignoriert.

Und jetzt bin ich hier. Mit sechzehn Jahren, einem Haufen Fragen und einem Namen, den ich manchmal selbst nicht aussprechen kann, ohne dass meine Stimme zittert. Ich bin hier, mit einem halben Coming-Out, das ich in meinem Kopf hundertmal durchgespielt habe, aber nie laut gesagt habe. Mit zu viel Angst, zu wenig Mut und dem leisen Wunsch, endlich einfach ich sein zu dürfen – ohne Erklärung, ohne Ausrede, ohne Etikett.

Dies ist keine Heldengeschichte. Ich rette keine Welt, vielleicht nicht einmal mich selbst. Aber es ist meine Geschichte, und irgendwann muss man anfangen, sie zu erzählen. Ehrlich gesagt.