Kapitel 4
Pierre schlief schwer, belastet von seinen Gedanken und seinem Bedauern. In seinen Träumen kehrte er nach Frankreich zurück, wo er so viele Jahre auf der Suche nach dem Sinn seines Lebens verbracht hatte. Er fand sich auf den gepflasterten Straßen von Paris wieder, wo er zwischen seinen Freunden umherschlenderte, die er zurücklassen musste. Ihr Lachen hallte durch die Luft, ihre Gesichter strahlten, unbekümmert über die Tragweite der Entscheidungen, die er später treffen musste.
Er erinnerte sich an die langen Abende, an denen er über Gott und die Welt geplaudert hatte, an die Momente, in denen er sich wirklich lebendig fühlte. Er sah sich selbst, wie er mit Claire, seiner lebenslangen Freundin, durch das Marais ging und über seine Träume sprach, eines Tages hierher zurückzukommen, um „noch einmal ganz von vorne anzufangen“, und vielleicht sogar mit jemandem wie ihr eine Familie zu gründen. Sie, das blonde Mädchen mit den hellen Augen, das einfache, ruhige Leben, das er zu erreichen glaubte. Er dachte, er hätte eine Frau wie Claire treffen können, eine weiße Frau, ohne den Druck der familiären Herkunft oder ausländischer Erwartungen. Ein gewöhnliches, stabiles und glückliches Leben.
Doch als er zurückkam, hatte er versagt. Alles hatte sich verändert. Diese Rückkehr hatte nicht die Wirkung, die er sich erhofft hatte. Anstatt sich zu Hause zu fühlen,
Immer wieder kam ihm das Bild seiner Mutter und seines Stiefvaters in den Sinn, die ihm so unerreichbar und fremd erschienen. Pierre begann zu denken, dass er vielleicht die falsche Wahl getroffen hatte. Er hätte in Frankreich bleiben können. Er hätte weiterhin von einer friedlichen Zukunft träumen können. Doch stattdessen befand er sich in einer Falle, aus der es keinen Ausweg gab. Am liebsten hätte er alles ausgelöscht, wäre wieder fortgegangen, hätte diese Reise umgekehrt wiederholt.
Plötzlich riss ihn ein seltsames Geräusch aus dem Schlaf. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er erwachte ruckartig und keuchte, als wäre er aus einem unerträglichen Traum gerissen worden. Er öffnete die Augen, sein Herz hämmerte in seiner Brust. Er starrte in die Schatten in seinem Zimmer und suchte nach der Geräuschquelle, aber da war nichts. Nichts, außer dem schwachen Licht, das durch die Vorhänge fiel, und den vertrauten Gegenständen, die Teil seines täglichen Lebens waren.
Pierre setzte sich auf, spürte, wie sein Herz raste und seine Hände leicht zitterten. Ein Gefühl des Unbehagens überkam ihn. Er drehte langsam den Kopf und suchte jede Ecke des Raumes ab, aber alles war still. Vielleicht war es die Wirkung des Traums, die Verwechslung von Realität und Illusion. Und doch lag noch immer ein Gefühl der Präsenz und Beobachtung in der Luft.
Mit einem nervösen Seufzer legte er sich wieder hin und schloss die Augen. Vielleicht war es nur eine Illusion, eine Manifestation seiner Ängste. Doch die Frage blieb: Warum hatte er dieses seltsame Gefühl, beobachtet zu werden? Warum hatte er tief in seinem Inneren geglaubt, dass er nicht allein in diesem Raum war? Er versuchte, den Gedanken zu verdrängen, aber er ließ ihn nicht los.
In der Dunkelheit glitt Pierre in einen unruhigen Schlaf, ihm war bewusst, dass um ihn herum etwas Tieferes, etwas Unerklärliches vor sich ging.
Die Geräusche im Korridor, zunächst schwach, wurden immer deutlicher, hastige Schritte auf dem Boden. Der Schatten unter seiner Schlafzimmertür wurde größer und näher, ein immer dringlicheres Echo, das sein Herz in der Brust schneller schlagen ließ.
Plötzlich flog die Tür auf und schlug mit solcher Wucht gegen die Wand, dass Pierre zusammenzuckte. Bevor er reagieren konnte, schoss eine Gestalt mit voller Geschwindigkeit in den Raum. Peter hatte keine Zeit zu verstehen, was geschah, bevor ihn eine Explosion der Freude überkam. Er hatte nur einen Augenblick Zeit, das strahlende Gesicht seiner Schwester zu sehen, bevor sie sich in seine Arme warf.
„Pierre! Du bist hier!“ rief sie und ihr Gesicht strahlte vor Glück. Sie umarmte ihn fester, als wolle sie sich vergewissern, dass er real war und ihr lang erwarteter Bruder endlich zurückgekehrt war.
Peter war überrascht und spürte eine Wärme in seinem Herzen, die er seit seiner Abreise nicht mehr gespürt hatte. Seine Arme schlangen sich instinktiv um seine Schwester, zunächst etwas unbeholfen, bevor sie sich unter der Last ihrer Umarmung entspannten. Er spürte, wie eine Welle der Gefühle seine Brust durchflutete, eine Mischung aus Erleichterung und Bedauern. Die Wärme und Nähe seiner Schwester erinnerten ihn an die einfachen Momente ihrer Kindheit, bevor alles so kompliziert wurde.
„Ich habe dich so sehr vermisst!“ sagte sie mit einer Stimme voller Enthusiasmus und Zuneigung. Sie trat ein wenig zurück und musterte ihn von oben bis unten, als wolle sie sich vergewissern, dass er sich nicht verändert hatte, dass ihr Bruder kein Fremder geworden war.
Peter lächelte schwach, doch sein Lächeln konnte den Aufruhr hinter seinen Augen nicht verbergen. Er umarmte sie etwas fester und vergaß für einen Moment die Last des Lebens, die auf seinen Schultern lastete. Er hatte so viele Fragen, so viel zu sagen, aber im Moment hielt er sie einfach nur fest und genoss diesen Moment purer Einfachheit.
„Wirst du dieses Mal bleiben?“ fragte sie und ihre Augen leuchteten vor Hoffnung. „Weißt du, Mama hat mir gesagt, dass du vielleicht wieder gehst, aber ich möchte wirklich, dass du bei uns bleibst …“
Pierre blieb einen Moment lang still und seine Finger schlossen sich leicht fester um seine Arme, als wolle er diesen Moment in seinem Gedächtnis verankern. Er antwortete nicht sofort. Diese unschuldige Frage seiner Schwester war in Wirklichkeit ein Dilemma, das er noch nicht gelöst hatte. Hierbleiben, in diesem Haus, in dem er sich wie ein Fremder fühlte, oder weggehen und irgendwo anders noch einmal ganz von vorne anfangen, weit weg von dieser Realität, die ihm entglitt?
„Ich … ich weiß es noch nicht“, flüsterte er schließlich und seine Stimme verriet seine Verwirrung. „Ich bin immer noch dabei, alles herauszufinden.“
Sie sah ihn einen Moment lang an, ein leicht trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich bin froh, dass du hier bist, Pierre“, sagte sie, bevor sie sich sanft von ihm löste. „Ich möchte nicht, dass du traurig bist. Mama ist auch glücklich, auch wenn sie es nicht zeigt.“
Pierre ließ sich auf sein Bett zurückfallen, seine Gedanken wirbelten. Seine Schwester, so fröhlich und voller Leben, wusste nichts vom Ernst der Lage und davon, was ihn erwarten würde, wenn er hierher zurückkäme. Doch als er sie sah, erinnerte er sich daran, wie sehr er seine Familie geliebt hatte und wie nahe er ihr gestanden hatte, bevor er sie verlassen hatte. Vielleicht könnte er trotz allem etwas von dieser Wärme hier zu Hause finden. Vielleicht konnte die Umarmung seiner Schwester den Schmerz einer Rückkehr, die er nicht gewollt hatte, zumindest ein wenig lindern.
